SPIELEFESTE. Einmal in der historischen Viehausstellungshalle und einmal im politisch einmal heiß umkämpften Kongresscenter: Nach Corona- und anderen Querelen finden in diesem Jahr gleich zwei Wiener Spielefeste statt. Um ein Haar wäre noch ein drittes dazu gekommen. Das erste startet jedenfalls zu einem nicht unumstrittenen Termin in sechs Wochen.
Über 20 Jahre lange blickte die Spielewelt auch neidisch in die österreichische Hauptstadt. Das Spielefest in Wien war legendär und mit bis rund 70.000 Besuchern auch das weltweit größte seiner Art. Dann krachte es nicht nur einmal hinter den Kulissen, noch vor Corona wurde sich selbst eine Pause auferlegt. Dann kamen die Pandemie und der nicht ganz gelungene Versuch des Veranstaltungsortes, des Austria Centers Vienna (ACV) im Eigentum des Staates, das Spielefest selbst in die Hand zu nehmen. 2023 war dann überhaupt wieder Sendepause.
Erstes Anhängsel
So viel ist für 2024 sicher: Ein reines Spielefest wie früher wird es nicht geben, aber zwei Spielefeste als Anhängsel anderer Veranstaltungen. Das kann in beiden Fällen gut gehen, auch wenn die Voraussetzungen unterschiedlicher nicht sein könnten.
Wer nach dem traditionellen Begriff googelt, landet auf „spielefest.wien“. Termin ist der 15. und 16. Juni 2024, Ort das Austria Center Vienna. Fans der Traditionsveranstaltung werden also problemlos hinfinden. Veranstalter ist die Skilled Events and New Media GmbH und die wiederum steht hinter dem „A1 Austrian eSports Festival“, einer erfolgreichen Gaming-Turnierarena im 2. Stock. Die gibt es schon im ACV und die Veranstalter führen parallel nun auch das Spielefest durch. Die Chefin des ACV hatte angefragt, um das Spielefest im eigenen Haus zu retten. Stefan Baloh und sein Team hatten zugesagt und sich aus mehreren Ecken Unterstützung geholt.
Ohne zahlende Aussteller kann eine derartige Veranstaltung nicht über die Bühne gehen. Wir zählen einmal die wichtigsten auf: Asmodee, HCM, Hans im Glück, Lookout Games, NSV, Heidelberger und auch die Jury Spiel des Jahres wird vertreten sein. Kann man am Spielefest Spiele kaufen? Dieser Jahrzehnte lang blockierte Wunsch geht nach den beiden letzten Versuchen im ACV auch dieses Mal in Erfüllung. Erstens: Die Verlage können verkaufen, wenn sie wollen; zweitens: Die Handelskette Thalia wird am Spielefest mit einem großen Verkaufsstand sein, aber auch Spielwaren Gröbl aus dem nahen Gänserndorf, während der Spielwarenhandel der Millionenstadt abwinkte. Bei dessen Vertreterinnen und Vertreter herrscht die Ansicht vor, ein Spielefest im Juni mache keinen Sinn. Dieser Meinung sind auch die zwei großen heimischen Hersteller bzw. Anbieter Piatnik und Ravensburger Österreich. Sie pochten von Beginn an darauf, die Kräfte auf ein großes Spielefest im Herbst zu konzentrieren. Im Herbst werden sie dabei sein – dazu kommen wir noch.
Schmidt und Amigo, langjährige Unterstützer des „alten“ Spielefests mit starken und engagierten Vertriebspartnern in Österreich, Fun Force und Berg Toy, finden die Kombination zwischen E-Sport und Brettspiel weniger abwegig, vielmehr so interessant, dass sie sich die Veranstaltung im Juni genau anschauen werden. Dann wird entscheiden, ob und wie sie sich an einem Spielefest in der immerhin zweitgrößten deutschsprachigen Stadt Europas beteiligen.
Stefan Baloh und seine Firma kommen aus einem ganz anderen Bereich, als dem der Brettspiele. Auch wenn, wie er hervorhebt, es Überschneidungen bei den Zielgruppen gebe. Das meint nicht nur auch Kevin Trau, er sieht es auch laufend. Der junge Mann ist Leiter der „Area 52“ in Transdanubien (für Ncht-Wiener: Das ist der 21. Stadtbezirk jenseits der Donau), der „APL – Austrian Players League“, einem vom Bundeskanzleramt und der Stadt Wien geförderten „Verein zur Förderung von Jugendlichen im IT und EDV Bereich“ (sic!). In Kurzform: Im Einundzwazingsten treffen sich Computergamer, Trading-Card- und Brettspieler regelmäßig zum gemeinsamen Spielen. Auch die städtische Vorzeige-Ludothek von „Wien Xtra“ wird an diesem Spielefest vertreten sein, neben einer weiteren Spieleausleihe, die von Isabella Prior organisiert wird. Sie ist übrigens Tochter des Spieleautors und Spielefest-Urgesteins Walter Schranz rund um das Ehepaar de Cassan. „Ich bin mit dem Spielefest aufgewachsen“, sagt Isabella Prior nicht ohne Stolz.
Zweites Anhängsel
Das zweite Spielefest in Wien wird am 24. und 24. November in der Marx-Halle stattfinden und offiziell „Family+ mit dem Spiele Fest Wien“ heißen. Aha, das ist der alte Spielefest-Termin, denkt sich der geübte Österreicher als Erstes. Aber ein ganz anderer Ort. Die Marx-Halle, das ist Wiener Industriegeschichte, ein toller Bau im ehemaligen Schlachthausareal. Weil man so was nie und nimmer in der Stadt haben wollte, liegt die Marx-Halle – auch heute noch – in nicht bevorzugter Verkehrs- und Öffi-Lage außerhalb des Zentrums.
Veranstalter ist hier die EPAK Veranstaltungsmanagement GmbH von Andreas Koch. Er veranstaltet die Familienmesse „Family plus“ in der niederösterreichischen Provinzstadt Tulln. Das muss kein Nachteil sein, denn auch dafür braucht es Mut und zuletzt diesen April 20.000 Besucher mit einem serviceorientierten Mix sind Meriten. Während in Tulln der Modellbau angeschlossen ist, wird es in Wien das Brettspiel sein, schildert Koch spielwiese.at das Grundkonzept. Er erwartet zumindest 10.000 Besucher und findet – wie auch Mitbewerber Stefan Baloh – „dass genug Platz für beide Spielefeste ist“.
Vergangenen Freitag fanden offensichtlich noch finale Gespräch mit der Hallenvermieter statt. Erst danach ging der Veranstaltungshinweis auf der Website der Marx-Halle online. Eine eigene Website zur Veranstaltung gibt es schon länger. Dort erfährt man unter anderem: „Entdeckt neues aus den Bereichen Games & Fun, Freizeit & Sport, Basteln & Hobby, Urlaubs- & Ausflugsziele, Lifestyle & Haushalt oder Family Vital. … Die Zone rund um Games & Fun! Sie bietet Euch Klassiker & Neuentwicklungen der Familienspiele zum Anspielen auf unseren Spielflächen wo auch die Beratung nicht zu kurz kommt. Aber auch die Zocker sind hier zu Hause und entdecken neue Games am Konsolenmarkt. Entdecken und ausprobieren!“
Piatnik und Ravensburger (samt Kleinkinderbereich mit Brio) sind fix dabei. Die beiden Spielehersteller waren ja diejenigen, die sich immer für eine Nachfolgeveranstaltung stark gemacht hatten, aber von vornherein nur im Herbst. Mit anderen Verlagen ist Isabella Prior im Gespräch, die wir schon von der anderen Veranstaltung als Partnerin kennen. Etwa mit Kosmos, Amigo und Schmidt, aber noch sei nichts in trockenen Tüchern, bestätigte Veranstalter Andreas Koch am Wochenende spielwiese.at. Ebenfalls auf der „Family+ mit dem Spiele Fest Wien“ vertreten sind Nintendo und die Lego-Gemeinschaft Österreich, die „selbst kreierte Modelle aus den bunten dänischen Bausteinen“ präsentiert, wie auf der Website angekündigt wird.
Drittes „Spielefest“ um ein Jahr verschoben
Von der Website der Veranstaltungs-Location in der Vorwoche verschwunden ist die Ankündigung einer weiteren einschlägigen Veranstaltung, der ersten „KidsCon“, die wenige Wochen zuvor im Oktober hätte stattfinden sollen: „… eine öffentliche Informations- und Verkaufsmesse für Familien, dabei stehen die Kinder im Alter von 3-10 Jahren im Fokus.“ Auch hier wären Spieleverlage willkommen gewesen, erste Gespräche sollen stattgefunden haben. Vielleicht sieht man sie dann 2025, denn die Veranstaltung wurde um ein Jahr verschoben, so Isabella Freudl, eine der beiden Masterminds hinter „KidsCon“. Der Grund der überraschenden Absage ist so banal wie für die Betroffene unerfreulich: Ihre Veranstaltungspartnerin, so Freundl zu spielwiese.at, hatte vor Kurzem einen Unfall. Das hat alle Vorbereitungen für die Premiere am 19. und 20.10. über den Haufen geworfen.
Die „KidsCon“ hätte nach eigenen Angaben die Lücke füllen sollen: „Eine richtige große Messe/Convention für Kinder bzw. ihre Familien gibt es leider im Raum Wien nicht.“ Diese Ansicht werden nicht alle teilen. Interessant ist auf jeden Fall, dass die beiden Frauen von ihrer Sache überzeugt sind und sich nebenberuflich auf die Veranstaltung eingelassen hätten. Oder naja … „Sozusagen unser Sponsor ist Benjamin Auer“, erklärt Isabella Freudl – er ist Inhaber der Wiener Firma OGMA GmbH, die sich seit dem 30. August 2023 dem Unternehmensgegenstand „Organisation und Veranstaltung von Events“ verschrieben hat. Eine Website ist seither im Aufbau, liest man beim Blick ins Internet.
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In den nächsten Tagen bringt spielwiese.at nähere Details
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