Nach einem Tag offizieller, aber dürftiger „Neuheitenschau“ und drei vollen Messetagen sind die Nebel gelichtet und man sieht klarer, was 2012 den Spielefans bringt. Ein Trend geht in Richtung Verknüpfung von traditionellen Spielen mit den coolen Geräten von Apple.
Man mag das bedauern, man mag das bejubeln. Ganz egal, der Gravitation des Apfels kann (oder will) sich die Spielwarenbranche nicht entziehen. Und auch die Spielehersteller spielen mit. Die Sinnhaftigkeit und den konkreten Nutzen bestimmter Anwendungen überlassen wir dem Urteil des Einzelnen. Ein paar Anknüpfungspunkte für Überlegungen:
- Ravensburger, bisher schon ganz gut unterwegs mit der Umsetzung von Spieleideen auf iPhone und iPad, stellt in Nürnberg Puzzles vor, die man nach Fertigstellung mit dem iPad fotografiert. Dann erscheinen auf dem Tablett dazu passende Tiervideos oder beim Paris-Puzzle Informationen zur Stadt oder ein 360°-Blick vom Eiffelturm aus.
- Jumbo stellte seine iPawn-Serie vor, die in Kürze übrigens in iPieces umgenannt wird. Das sind Apps für kleine bekannte Spiele wie das Angelspiel oder das Gänsespiel, die man um 10 Euro samt Spielfiguren kauft, ohne die wiederum auf dem iPad die Spiele nicht gespielt werden können. Das iPad ist das Spielbrett. Angesichts immer mehr Spielen für Tablets, iPhone oder auch Onlinespielen, die man einfach so am Bildschirm spielt und wofür man nur seine Finger braucht, darf die Frage gestellt werden, ob physische Spielfiguren wirklich notwenig sind.
- Bei Mattel ist das Physische irgendwie plausibler eingebettet, in Form von speziellen Hot Wheels-Autos, mit denen man am iPad „Action“ macht. Übrigens ähnlich wie bei Spin Master und weiteren Herstellern.
- Bei der holländischen Spieleschmiede Identity Games wurde ein System namens Games Changer vorgestellt. Das Ganze erinnert an die verblichene Yvio-Konsole, nur dass hier die Konsole ein iPad ist, das an spezielle Spielpläne angedockt wird und der Bildschirm dann auch spieltechnisch zentrale Aufgaben übernimmt. Rein theoretisch, so die Holländer, lässt sich auf diese Weise jedes Brettspiel „revolutionär“ in die neue digitale Apfel-Welt übertragen.
- Eine neue Ausgabe von Monopoly kommt nicht ohne iPhone aus. Wie schon bei Monopoly Banking wird damit das Geld ausgeben und einnehmen gesteuert, nur ausgeklügelter. Schneller macht das das Spiel nicht unbedingt, aber natürlich „cooler“.
Man darf davon ausgehen, dass demnächst noch weitere Apps-Geschichten in Verbindung mit traditionellen Spielen oder Spieleverlagen auftauchen. Ob das alles Bestand haben wird und ob es auch vom Markt angenommen wird, steht auf einem anderen Blatt.
Wie war das noch mit den DVD-Spielen, die vor ein paar Jahren plötzlich überall auftauchten und ebenso schnell wieder verschwanden?
Sicher: Apps sind wesentlich raffinierter und lassen mehr zu als dumme Silberscheiben. Deshalb sind Apps schon längst fixer Teil des Spieleangebots für Computer, Tablets und Handys. Und dabei geht alles ohne zusätzliches Spielmaterial. Und deshalb braucht es diesen Schnickschnack eigentlich nicht.
Dass Spieleverlage eine Verbindung aus ihrer „alten“ in die „neue“ Welt herstellen, ist legitim. Das bisher Gezeigte sieht allerdings weniger nach zusätzlichem Kundennutzen als mehr nach Verzweiflungstat aus. Denn man darf sich auch die Frage stellen, ob es Spiele in bisheriger Form mit Holz, Pappe und Plastik noch braucht.
Arno Miller