Spiel des Jahres 2007. Den Titel trägt ein Spiel, das die viel zitierte breite Masse anzusprechen vermag. Grundlegend Neues bringt uns Zooloretto nicht. Zooloretto ist solide zubereitete Spielekost. Man kann kritisieren, dass es durchaus etwas Innovativeres für den weltweit wichtigsten Preis der Spielebranche hätte sein können.
Das ist natürlich ein subjektives Statement, wie auch die Entscheidungsfindung der Jury eine Abfolge subjektiver Empfindungen ist (lesenwert ist das "Protokoll" von Jury-Mitglied Tom Felber, das den Ablauf des Wahlverfahrens transparenter macht). Schließlich gibt es kein objektiv bestes Spiel, schon gar nicht eines, das objektiv als das beste in einem so engen Zeitrahmen eines Jahres heraussticht.
Sehr wohl lassen sich jedoch Entwicklungen reflektieren, indem man verschiedene Aspekte in einen Zusammenhang stellt. Wohin entwickelt sich das Spieleangebot, wenn man den Einfluss der Jury und ihrer Entscheidungen berücksichtigt? Trifft Zooloretto den Zahn der Zeit?
Jein. Seit einigen Jahren redet die Jury Spiel des Jahres Spielen mit "leichtem Einstieg" das Wort: Spiele ohne allzu komplexes Regelwerk, die möglichst rasch und in der Folge möglichst flüssig - sprich: ohne ständiges Nachschlagen im Regelheft und Beiblättern - gespielt werden können. Das ist der Trend und die Spielwiese hatte ihn als Erste thematisiert. Insofern wurde mit Zooloretto für 2007 so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner gefunden. Seine direkten Vorgänger Thurn und Taxis, Niagara und Zug um Zug waren wesentlich anspruchsvoller. Mit dem gekürten Regelwerk von Zooloretto ist eine neue Zone der Verflachung betreten worden.
Das spricht keineswegs gegen das Spiel. Es ist gut und macht - vor allem Normalspielern, denen es der Jury ankommt - Spaß. Die Zooloretto-Entscheidung spiegelt das Unvermögen einer breiter werdenden Masse wieder, sich über einen Text (Spielanleitung) Geschick und Können für bestimmte Situationen (Spiel) anzueignen. Die Frage, ob die Jury Spiel des Jahres hier gegensteuern sollte oder muss, stellt sich nicht: Diesen Auftrag hat sie nicht.
Ein Vergabegremium einer so mächtigen Auszeichnung wie des Titels Spiel des Jahres kann nur beurteilen, was das Angebot hergibt. Freilich gibt es Wechselwirkungen. So wie Popkomponisten und Musikverlage selbstverständlich versuchen einen Hit zu landen, träumt jeder Spieleautor und jeder Spieleverlag davon, ein Spiel des Jahren zu "machen". Wen und was die Juroren dann in den Olymp der Branche heben, ist natürlich stets auch ein Fingerzeig.
Der Fingerzeig mit Zooloretto ist unmissverständlich: Einfach, einfach, einfach! Und einfacher bzw. flacher geht es kaum mehr. So gesehen war Jenseits von Theben, das mit Abstand anspruchsvollste Spiel unter den fünf Nominierten, eine Überraschung und wohl von vornherein chancenlos. Die Frage lautet somit nicht, ob die Jury ausgeklügelte und anspruchsvolle Spielideen zu Erfolg verhelfen soll, sondern wie weit sie ihren eigenen Anspruch herunterschraubt. Unter einem themenbezogenen Spiel wie Zooloretto liegt nur noch die Schlichtheit des Abstrakten. Blättert man nach, dann war in den vergangenen drei Jahren jeweils ein derartiges Spiel auf der Nominierungsliste vertreten: 2006 Just 4 Fun, 2005 Verflixxt! und 2004 Einfach Genial. Alle drei wären nicht nur würdige Preisträger gewesen, sondern hätten mit ziemlicher Sicherheit positive Signale gesetzt. Dazu zwei Thesen:
1) Gute Spiele müssen nicht zwangsläufig ein Thema haben
In dieser Frage sind viele Verlage noch zu besessen von dem Gedanken, dass alles in eine "Geschichte" verpackt werden muss. Dass das nicht funktionieren muss oder das Thema mitunter an den Haaren herbeigezogen ist, dafür sind die Beweise Legion. Für die Richtigkeit der These spricht weiters der Verkaufserfolg einer ganzen Reihe abstrakter Spiele der jüngeren Vergangenheit.
2) Die Wahl eines guten einfachen abstrakten Spiel des Jahres würde derzeit weit mehr Menschen Vergnügen bereiten als ein Themenspiel.
Weil verflixte Schwellen wegfallen. Bei einem abstrakten Spiel braucht es die Notwendigkeit nicht, erst einmal Interesse für ein bestimmtes Thema zu wecken und eine mehr oder weniger gelungene Einführung zu konstruieren, bevor es eigentlich losgehen kann. Der Spielspaß ist bei abstrakten Spielen in aller Regel wesentlich direkter, weil es keine Schnörkel bedarf. Die Mundpropaganda für ein solches Spiel des Jahres wäre ungleich größer und einfacher. Ergo wären auch die Chancen größer, bisherige Spielverweigerer dafür zu gewinnen. Ein gutes einfaches Spiel kann zur Einstiegsdroge werden - wer einmal Spaß am Medium Spiel hatte, gibt ihm eher eine weitere Chance.Einfachheit, Abstraktion und spielerischer Anspruch schließen sich keineswegs aus - siehe Verflixxt! oder Einfach Genial.
Liebe Jury, die Zeit ist reif, ein Spiel dieser Art zum Spiel des Jahres zu wählen! Dass im aktuellen Jahrgang leider nichts dergleichen vorhanden ist, dafür kann sie nichts. Aber vielleicht 2008.
Arno Miller
Zur Meldung über die Nominierungen 2007

