Nürnberg. Spielwarenmesse 2019. Tag 2. Was einem so ein- und auffällt.
31. JÄNNER 2019
Als Jahrgang 1959 habe ich bewusst mitbekommen, wie (je nach Lebensort) Plastiktaschen/tüten/sackerl/säckli das Einkaufsgefühl veränderten.
Ich bekenne! Zeitgeistig hatte ich die schönsten, mit Markensujets und anderer Werbung bedruckten Sammelbehälter des alltäglichen und nichtalltäglichen Konsums gesammelt, weil sie außergewöhnlich waren oder mir so gut gefielen.
Einfach nur schön: die Tragetaschen der Spielwarenlegende FAO Schwarz. Bilder: spielwiese.at, Ravensburger |
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Spaßvogel Furious Falko vom neuen toi+-System von Ravensburger. Der Core wird in den Bauch gesteckt. | |
Jetzt werden sie von der EU verpönt. Damit kann ich gut leben. 08/15-Design rechtfertigt keine Belastung des Ökosystems Erde.Umso mehr freue ich mich nach wie vor, wenn da und dort robuste, praktische und nachhaltig verwendbare Exemplare zur Mitnahme angeboten werden. Die Spielebranche, immer schon ein Hort schöner Dinge, bietet sie glücklicherweise, erst recht auf einer Branchenmesse wie Nürnberg.
Seit gestern bin ich glücklicher Besitzer einer kostenlos angebotenen FAO Schwarz-Einkaufstasche.
Profan? Ja. Aber 1. ist sie einfach wunderschön, robust und praktisch und 2. ist FAO Schwarz für jeden wissenden Spielenden eine Ikone. Mehr dazu im nächsten Punkt.
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Dem noch blutjungen Tom Hanks und Hollywood ist zu verdanken, dass jeder zweite Erwachsene, auf jeden Fall aber jedes Kind um 1988 einmal im Leben den älteste Spielzeugladen Amerikas (1862) besuchen wollte. Film: „Big“, Stichwort: Bodenpiano, Ort: FAO Schwarz, Manhattan, Fifth Avenue.
Das konnte diese Institution langfristig allerdings nicht retten. Eigentümerwechsel, unter Toys’R’Us-Besitztum die Schließung 2015, Wiederbelebung der traditionsreichen Marke vergangenen November im Rockefeller Center unter ganz anderen Vorzeichen.
Nun, wie in Nürnberg mit einer kleinen, aber feinen Sortimentspräsentation enthüllt wurde, müssen wir nicht bis nach New York, ab 1. November genügt auch ein Trip nach London. Dann eröffnet im Kaufhaus Selfridge ein eigener, 1850 m2 großer Flagship-Store.
Dahinter steckt die kalifornische Investorengruppe ThreeSixty Brands, die nach eigener Definition „Konsumgüter verschiedener Kategorien entwickelt, bezieht und vertreibt“.
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Neu, dumm und unbegreiflich.
Das fiel mir als Erstes ein, als eine Terminvereinbarung mit Hasbro scheiterte, sich über ihre neuen Spiele auf der Spielwarenmesse zu informieren. Eva Agfalterer von Hasbro Österreich bedauerte: Anweisung aus den USA.
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Neu.
Bei Hasbro sind dieses Jahr überhaupt keine Medienvertreter am Stand zugelassen. Es trifft also keineswegs nur mich.
Dumm.
Das Aussperren jener, die (im Regelfall unbezahlt) mit Berichterstattung für Aufmerksamkeit für die Produkte eines Unternehmens sorgen, ist per se für das Unternehmen ein Verlust.
Unbegreiflich.
Je nachdem, welche Kollegen und Kolleginnen bei wem von Hasbro um eine Begründung gebeten hatten, kamen unterschiedliche Antworten. Einmal war die Rede davon, dass es am Stand „zu voll“ sei (andere würden sich über ein solches Interesse freuen!), ein andermal, dass „strictly confidential“ Material zu sehen sei, und wieder ein andermal wurde auf eine generelle Vorbeugung von Produktpiraterie hingewiesen.
Abgesehen davon, dass damit eine ganze Berufsgruppe unter Generalverdacht gestellt wird (wogegen ich mich als Präsidiumsmitglied der österreichischen Journalistengewerkschaft ebenso generell verwahre!), ist das Vorgehen Hasbros aus mehreren Gründen verstörend und unbegreiflich.
Schon im vergangenen Jahr hatten alle Standbesucher (auch Händler) ihre Handys abzugeben, um Fotografieren zu verunmöglichen. Außerdem mussten vorab schon bestimmte Verschwiegenheitszusagen unterzeichnet werden. Alles lästig, aber irgendwie noch ertragbar, weil auch skurril. Man würde annehmen, als Aussteller geht man eigentlich deshalb auf eine Messe, um Kunden und der Öffentlichkeit Neues vorzustellen. Die Spielwarenmesse ist eine Fachmesse, schon der Zutritt zum Gelände bleibt jenen verwehrt, die beruflich nichts mit der Materie zu tun haben. Für eine rigide Zutrittskontrolle ist also von Haus aus gesorgt, und so gesehen, ist die Maßnahme auch ein Misstrauensvotum gegenüber der Spielwarenmesse.
Aber man weiß als alter Hase schließlich auch um die Phobien von Hollywood, das Heft in der Hand zu behalten, und um die gegenseitige Merchandising-Abhängigkeit von Film und Spielwaren. 2019 geht es unter anderem um „Frozen II“, der Ende November in die Kinos kommt.
Das Dilemma, nicht allen alles zeigen zu dürfen/zu wollen, haben andere Spielwarenhersteller und Lizenznehmer in Nürnberg eleganter gelöst. Es wäre auch für Hasbro eine Frage der Standaufteilung gewesen. Oder die Möglichkeit einer Pressekonferenz für die, sagen wir, unsensibleren Produkte, von denen es reichlich gibt. Für diese gibt es 2019 nicht einmal herkömmliche Presseinformationen.
Auf der Neuheitenschau habe ich Kerstin Ferrando, der Communication Managerin von Hasbro Deutschland, erklärt, wie das generelle Hausverbot bei den Medienvertreter angekommen ist. Sie dankte für die offenen Worte und das Gespräch endete versöhnlich. Informationen zu den Neuheiten werden von Hasbro nachgereicht.
Man wird sehen, ob sie die ganze Aufregung wert waren oder ob das alles erst der Anfang war und der eigenwillige Umgang Donald Trumps mit den Medien womöglich Schule bei den amerikanischen Unternehmen macht.
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Sehr spannend ist, was sich derzeit bei Ravensburger tut. Im Herbst kommt das System toi+. Es handelt sich, vereinfacht gesagt, um eine Konsole, die mit einer Reihe von Bewegungsensoren bestückt ist. Dieser sogenannte Core wird in verschiedene Spiele und Spielzeuge gesteckt und kommuniziert mit den Spielern. Für den Start gibt es unter anderem ein Suchspiel, bei dem man sich mit dem Core in der Hand als Kompass durch eine virtuelle Welt bewegt. Absoluter Liebling in Nürnberg aber ist bisher der Geier Furious Falko, ein Party-Spielzeug, das frech das eigene Treiben kommentiert, wenn man – nur als Beispiel – ihn als Luftgitarre verwendet.
Nun, für viele der möglichen Anwendungen gäbe es ja auch Apps auf dem Handy. Und die Nintendo Wii ist ebenso nicht weit entfernt. Der Clou ist jedoch, dass alles ohne Bildschirm als Kopfkino funktioniert.
Das toi+-System kommt aus der eigenen Zukunftsschmiede von Ravensburger, die sich mit der Verschmelzung von Digitalem und Klassischem beschäftigt. Sie hat mit Gravitrax bereits sehr erfolgreich die Kugelbahn neu erfunden. Schauen wir, ob es mit der Neuerfindung der Spielkonsole ebenso funktioniert. Positiv zu vermerken ist jedenfalls, dass der Konsument, wie bei Tiptoi, nur ein Basisgerät braucht, das für alle Zwecke einsetzbar ist.
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Ravensburger, aber ganz etwas anderes. Im eigenen Freizeitpark Spieleland kommt dieses Jahr ein weiterer Spieleklassiker in Übergröße hinzu. Beim Plitsch-Platsch Pinguin Wasserspaß können sich die kleinen Besucher auf spritzige Eisblöcke, verrückte Fontänen und Abkühlung an heißen Tagen freuen. Saisonstart ist am 13. April.
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Morgen wieder mehr Hard- und Softnews.
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