Nur Kamele tanzen aus der Reihe
Ein starkes Spiel: Taktiker und Hasardeure kommen auf ihre Kosten.
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Anbau in der Wüste Gobi: Wer zuerst an die Reihe kommt, das bestimmen die begehrten runden Scheiben mit den "Startnummern". Wie sie verteilt werden, ist Teil des Auktionsmechanismus von Oase. |
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Bei Oase wird die Kunst des Besiedelns einmal mehr auf die Probe gestellt. Mittlerweile schon ein Allerweltsthema, doch das Spiel ist ein guter Tipp für Fans dieses Genres und risikofreudige Gelegenheitsspieler. Es wurde bisher unter seinem Wert geschlagen.
Der Grund mag sein, dass es beim ersten Mal mit seinem Reiz geizt. Um den Durchblick zu kriegen, wie die Runden ablaufen und wie sich die eine auf die nächste auswirkt, ringt Otto Normalspieler etwas Eingewöhnungszeit ab. Dafür wird, wer bei der Sache bleibt, mit einem überaus vielschichtigen Entwicklungsspiel belohnt. Dafür aber ist die Altersempfehlung von 10 Jahre ein, zwei Jahre zu tief gegriffen. In diesem Alter schon alle Finessen zu durchblicken, ist eher die Ausnahme.
Nicht auf Catan, nicht in Spanien oder in Südfrankreich sind wir dieses Mal, sondern in der wüsten Mongolei. Viel Sand, viel Steine und nur wenig Grün. Der Name des Spiels rückt die Oasen, die die Spieler im Verlauf besetzen und vergrößern, zu Unrecht in den Vordergrund. Ganz egal, ob man es nun auf Oasen, auf Steppe oder Steinwüste abgesehen hat, die man durch Legeplättchen erweitert und durch seine Spielfiguren in Besitz nimmt, der Wertungsschlüssel ist nämlich immer der selbe. Zu jeder dieser Geländeformen gibt es spezielle Wertungsplättchen, die man sammelt, und deren Anzahl wird mit der Anzahl der besetzten Felder multipliziert. Nur die Kamele als viertes Element tanzen etwas aus der Reihe: Hier wird nur die Anzahl der größten Kamelherde der eigenen Farbe mit der Anzahl der entsprechenden Wertungsplättchen multipliziert. Bei den Geländeplättchen ist es hingegen egal, ob sie in einer Gruppe oder verteilt über den Spielplan liegen. Wer mit allen vier Elementen die meisten Punkte erreicht, gewinnt Oase.
Mit Liebe zum Detail
Doch langsam. Das leere Spielbrett ist nicht besonders einladend und man kann sich vielmehr anhand des übrigen Materials etwas Näheres vorstellen. Dieser Rest ist mit Liebe zum Detail und pointiert illustriert: Die Wertungsplättchen mit den Steppenpferden, mit den Waren usw. Die fünf Rang-Plättchen zeigen Porträts von urigen Asiaten – genau so, wie sie sich der kleine Maxe vorstellt. Die Karten, mit denen versteigert und gespielt wird, sind trotz vieler Details unmissverständlich.
Mit diesem Material läuft eine Runde folgendermaßen ab: Wer aktuell das Rang-Plättchen 1 (Startspieler) hat, deckt als erster ein Angebot von einer bis drei Karten auf. Gemein ist, dass kein Spieler weiß, welche Karten er hat: Sie liegen verdeckt als Stapel vor ihm. Man muss also zocken. Die erste Karte, eventuell noch eine dazu womöglich noch eine dritte. Ziel ist vordergründig ein gutes Angebot zu machen. Gut heißt: So interessante Karten für einen oder mehrere andere Spieler zu legen, dass diese zugreifen. Die anderen Spieler machen es in der bestimmten Zugreihenfolge nach. Wer die Nummer 1 hat, darf dann als Erster aus allen offen liegenden Angeboten seiner Mitspieler auswählen. Er nimmt sich das Karten-Angebot des betreffenden Mitspielers und muss ihm dafür sein Rang-Plättchen 1 geben.
Sich als neuer Startspieler anbieten
Im Klartext: Dieser Spieler ist in der nächsten Runde der Startspieler; haben alle Angebote einen Abnehmer gefunden, steht für die kommende Runde eine neue Zugreihenfolge fest. Nur der letzte in der Reihe kann bzw. muss, wenn kein anderer sein Angebot wollte, seine Karten wieder nehmen und verwerten. Darauf kann man es unter Umständen auch angelegen: Ein vermeintlich schlechtes Angebot für die anderen kann einem selbst ja durchaus nützen. Das Ziehen von einer bis drei Karten lässt hier Spielraum.
Was dem einzelnen Spieler nützt, wissen die Mitspieler zu Beginn nicht. Der eine hat es vielleicht auf die Oasen-Felder abgesehen, ein anderer will unbedingt mit Kamelen punkten. Sobald Rang-Plättchen und Karten getauscht wurden, also noch bevor die restlichen Angebote so zu sagen unter den Hammer kommen, setzt der neue Besitzer der Karten diese ein: Je nach Symbolen und Anzahl nimmt er sich Wertungs-Plättchen, Gelände-Plättchen, Kamele oder weitere Karten vom Stapel (letzteres ist fast immer gut). Die Gelände-Plättchen werden nach einem bestimmten, einfachen Modus aufs Spielbrett gelegt. Mit einer Spielfigur seiner Farbe markiert der Spieler seinen Besitz. Nur Kamele dürfen auf dem Mittelstreifen des Spielplans beliebig aufgestellt werden – immer mit dem Ziel, große zusammenhängende Karawanen zu bilden.
Enorme Dynamik
Schon ein Angebot erstellen ist ein kleiner Nervenkitzel, weil der Druck groß ist, damit ja möglichst wieder einen hohen Rang für die nächste Runde einzunehmen. Bald hat man es begriffen und achtet darauf, damit möglichst einem bestimmten Spieler – der mit dem höchsten Rang-Plättchen – zu gefallen. Dann: Wer legt seine Gelände-Plättchen wo? Kommt ein Mitspieler meinen Expansionsgelüsten womöglich in die Quere? Schließlich wird das Spielbrett ja immer voller und die "guten" Plätze werden rar (auf der Kamelstraße andere abzublocken, ist immer geschickt).
Und die entscheidende Frage bei all den Angeboten: Welche Wertungs-Plättchen, also die wichtigen Multiplikatoren, brauche ich oder werde ich wahrscheinlich noch brauchen? Kurz: Die Dynamik dieses Brettspiels ist beachtlich. Um sie nachzuvollziehen, muss man Oase selbst spielen. Bei ein bisschen Spielerfahrung und taktischem Gespür wird man es nicht bereuen. Aber wahrscheinlich werden die meisten dem Spiel eine zweite Chance geben müssen, um seinen vollen Reiz zu erkennen.
Test 878: Oase
- Versteigerungs/Legespiel für 3 bis 5 Spieler ab 10 Jahre
- Ca.-Preis: 28,50 €
- Verlag: Schmidt Spiele
- Autor: Alan R. Moon und Aaron Weissblum
- Thema/Umfeld: Landnahme und Kamele züchten in der Wüste Gobi
- Zielgruppe: Erwachsene, Familien mit älteren Kindern
- Spieldauer: 60 Minuten
- Spielmaterial: bestens
- Schachtelinfo: passabel
- Spielanleitung: knapp und bündig
- Anspruch: Übersicht und taktische Zielstrebigkeit, gepaart mit Hasardieren bei den Versteigerungsrunden
- Spielreiz: hoch, wenn man's durchschaut hat
- Glück: relativ hoch
-Service:
Spielanleitung zum Herunterladen