Landschaftsplaner sorgen für Krimi
Die Spielwiese irrte sich nicht: "Das Spiel ist absolut "listenverdächtig" für das Rennen um das Spiel des Jahres 2001. Mit unglaublicher Leichtigkeit hat Autor Klaus-Jürgen Wrede ganz wenige Elemente zu einem bis zum Schluss spannungsgeladenen Legespiel komponiert", schrieb sie im Herbst 2000.
Aus Spielwiese 56 (2000)
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Bei Carcassonne wird ein Plättchen nach dem andern angelegt. Nach dem Legen darf eine Figur darauf gestellt werden, um Besitzansprüche anzumelden. Fotos: Spielwiese |
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Beide Städte sind fertig, der Bauer dazwischen punktet. |
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Weg, Stadt, zwei Wiesen: vier Möglichkeiten um diese Figur zu platzieren. | |
Als da wären: acht Figuren der eigenen Farbe und 72 Landschaftsplättchen. Mehr gibt es nicht in diesem Spiel (sieht man von der hingeschluderten Zähltafel ab, auf der der Punktestand festgehalten wird1)). Reihum decken die Spieler im Uhrzeigersinn jeweils ein Landschaftsplättchen auf und bestimmen, wo es zu den bereits ausgelegten angelegt wird. Dann hat der Spieler, der gerade am Zug ist, noch die Möglichkeit eine seiner Spielfiguren auf das gerade angelegte Landschaftsplättchen zu stellen.
Dieser einfache Grundvorgang genügt, um aus Carcassonne einen landschaftsplanerischen Krimi zu inszenieren. Denn die Plättchen zeigen unterschiedliche Landschaftsformen, die wiederum unterschiedliche Möglichkeiten zulassen.
Und auch dazu ist das Regelwerk erfreulich kurz und einfach: Es darf nicht "über Eck" gelegt werden und dort, wo man anlegt, muss die benachbarte Landschaftsform fortgesetzt werden. Ein Weg – als Beispiel – darf nicht einfach abgeschnitten werden. Was gibt es an Landschaftsformen? Wege, Städte, Klöster und Wiesen, allein oder kombiniert.
Gepunktet wird mit den Figuren, die man auf die Plättchen stellt. Am besten, wir gehen sie der Reihe nach durch:
- Ein Spieler stellt eine seiner Figuren auf einen Weg, den er gerade begonnen oder fortgesetzt hat. Die Figur nennt sich nun Wegelagerer. Hat der Weg durch diesen oder einen späteren Zug einen klar definiertes Anfang und ein Ende, dann erhält der Spieler für jedes Plättchen, mit dem der gesamte Weg gebildet wurde, je einen Punkt.
- Figuren auf Stadt-Plättchen sind Ritter. Eine Stadt ist dann fertig und kann abgerechnet werden, wenn sie vollständig von einer Befestigungsmauer umgeben ist (weil die französische Stadt Carcassonne eine der eindrucksvollsten Mauern der Welt hat, heißt das Spiel so). Wieder wird die Summe der beteiligten Plättchen abgerechnet. Jedes zählt zwei Punkte, solche mit Wappen darauf sogar vier.
- Bei einem Kloster – die Spielfigur heißt Mönch – erfolgt die Abrechnung, sobald das Kloster auf allen acht Seiten mit anderen Landschaftsplättchen umgeben ist: 8+1 (Kloster) = 9 Punkte.
- Die Wiesen schließlich sind das unwägbarste Element in Carcassonne. Sie werden erst bei Spielende abgerechnet. Und zwar erhalten die darauf gestellten Bauern Punkte, wenn die Wiese an fertige Städte grenzt. Aber nur der Spieler punktet, der auf der Wiese die Mehrheit an Bauern hat. Bei Gleichstand – und das gilt auch für Wege und Städte – erhalten alle am Gleichstand beteiligten Spieler die volle Punktezahl.
Anhand den Wiesen lässt sich sehr gut darstellen, wie dynamisch das Spiel ist und was dabei zu beachten ist. Vorweg: Eine Wiese ist eine klar durch Wege, Stadtmauern oder Spielfeldrand umrissene Fläche. Spieler A setzt einen Bauern auf ein Plättchen, das er beispielsweise in der rechten Hälfte der noch kleinen Landschaft angelegt hat. Kurz zuvor hatte Spieler B auf einer Wiese im Mittelteil einen Bauern platziert. Nach und nach füllt sich der Tisch mit Plättchen und die vorher getrennten Wiesenbereiche von A und B wachsen zusammen.
So etweas kommt ständig vor. Verlass darauf gibt es allerdings nicht. Denn taktisch kann ein Spieler solche Zusammenschlüsse genauso boykottieren, da es fast immer Alternativen zum Legen eines Plättchens gibt. Und warum sollte man einem anderen Spieler helfen?! Gerade bei Klöstern ist es so, dass ein Plättchen oft nur dem Besitzer des Mönches nützen würde. Hingegen ist es beim Ausbau von Städten oft ratsam, sich abzusprechen, denn diese sind leichter einzuschätzen.
So wird der kluge Spieler seine Bauern vor allem auf Wiesen setzen, die mit größter Wahrscheinlichkeit im späteren Mittelfeld aller ausgelegten Plättchen liegen werden. Die Bauern haben auch einen Nachteil: Einmal gesetzt, ist diese Spielfigur bis zum Ende des Spiels blockiert. Wird hingegen im Laufe des Spiels eine Stadt, ein Weg oder ein Kloster fertig, dann erhalten die Spieler ihre dafür eingesetzten Figuren unmittelbar nach der Abrechnung wieder zurück und können sie in späteren Spielzügen erneut einsetzen.
Wenn wir schon bei Nachteilen sind: Das hohe Glücksmoment des Spiels wird den einen oder anderen Spieler stören. Denn Plättchen werden nicht bevorratet, sondern müssen Stück für Stück sofort eingesetzt werden. Da kann man natürlich auch Pech haben, wenn ein Landschaftsteil, das man unbedingt zur Fertigstellung einer Stadt (oder etwas anderem) bräuchte, partout nicht kommt. Aber, wie schon gesagt: Es gibt in den meisten Fällen gute Alternativen zum Anlegen.
Ist das letzte Plättchen gelegt, erfolgt die Schlusswertung: Die Wiesen, wie schon oben geschildert, und auch unfertige Städte und Klöster bringen noch Punkte.
Carcassonne spielt sich ungeheuer abwechslungsreich, flexibel und spannend bis zum Schluss. Gute Taktierer werden ihre helle Freude mit dem Spiel haben. Vom Materialeinsatz und vom Preis her ein kleines Spiel, vom Spielreiz allerdings ein sehr großes! Carcassonne ist die "Muss-Empfehlung" unter allen besprochenen Spielen in dieser Ausgabe.
1) wurde in späteren Auflagen verbessert
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Nr. 617: Carcassonne |
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Spielwiese-Code | |
2000: Hans im Glück |
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Themen: Besiedelung
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Spielanleitung zum Herunterladen |
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Auszeichnungen
Rund ums Spiel
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