Willkommen im Leben!
Kooperationsspiele erfahren eine Renaissance. Pandemie macht Spieler zu Seuchenexperten, und nur gemeinsam können sie die Plage bannen.
Immer wieder hatte die Spielwiese in den vergangenen Jahren bemängelt, dass es den Autoren und Verlagen an Mut – oder auch an Fantasie – fehlt, ihre Spielideen mit Themen aus dem wirklichen Leben zu versehen. Da wird hundertfach durchs Mittelalter gebaut und entwickelt, werden Drachen und andere Monster bekämpft. Mit dem Alltag hat das nichts zu tun.
Nun, den Alltag, den Pandemie wiedergibt, den möchten wir zugegebenermaßen auch nicht. Aber: Endlich einmal ein Szenario, das zeitgemäß ist. Die Schweinegrippe ist auch am Spieltisch angekommen! Genauer: Es sind vier anonyme Seuchen, die die Welt bedrohen, und "Das Schicksal der Menschheit liegt in Ihrer Hand!" prangt als unmissverständliche Aufforderung auf der Schachtelrückseite.
"Ihre" Hand – das ist nicht ein Einzelspieler. Der wäre wie im wirklichen Leben überfordert. Pandemie ist ein Kooperationsspiel. Daran muss man sich erst einmal (wieder) gewöhnen. Kooperationsspiele hatten ihre goldene Zeit in den friedensbewegten 80er-Jahren. Der Herder-Verlag versorgte die Kinder, Ravensburger löste mit Scotland Yard im Familien- und Erwachsenenbereich eine kleine Revolution aus.
Man sieht sofort, wo man gebraucht wird
Zurück in die Gegenwart. Bei Pandemie werden Südamerika und Afrika von einer gelben Seuche bedroht, Nordamerika und Europa von der blauen, der arabische und westasiatische Teil des Globus' von einer schwarzen sowie Südostasien und Australien von einer roten. Schon rein optisch hat das Z-Man Games, der Originalverlag in den USA, perfekt und eindringlich hingekriegt: Zentraler Bestandteil von Pandemie ist eine Weltkarte mit den großen Städten, und auf mehreren davon werden schon vor Spielbeginn ein bis drei farbige Seuchenwürfel gelegt. Man sieht sofort und auch im späteren Spielverlauf, wo die Retter der Menschheit, also die Spieler, eingreifen sollten.
Es gibt zwei Möglichkeiten, wie das Spiel endet: Entweder gelingt es den Spielern gemeinsam die Seuchen erfolgreich einzudämmen und Pandemie zu gewinnen, oder eben nicht, dann haben alle gemeinsam verloren. Je mehr Zeit verstreicht, umso schwieriger wird es für die Spieler.
Jeder Spieler hat besondere Eigenschaften
Die Spielanleitung schildert insgesamt neun mögliche Aktionen, die ein Spieler ausführen kann, wenn er an der Reihe ist. Das ist recht viel, doch schon nach ein paar Runden versteht man das Prinzip dahinter, und es ist halb so schlimm wie der viele Text der Anleitung vermuten lässt. Entscheidend ist, dass die Spieler tatsächlich kooperieren und ihre persönlichen Stärken einbringen. Dazu hat jeder Spieler zu Beginn eine Rollenkarte erhalten. Sie stattet ihn mit besonderen Fähigkeiten aus. Der Arzt zum Beispiel darf mit einer Aktion nicht nur einen Seuchenwürfel aus einer Stadt entfernen, sondern alle Seuchenwürfel, und muss dafür nicht einmal eine Aktion opfern.
Die Spieler werden sich demnach einmal einigen, dass der Arzt in seinem nächsten Spielzug – als Beispiel – nach Kinshasa fliegt, weil dort bereits drei gelbe Seuchenwürfel liegen. Aber will das der Arzt-Spieler auch? Ist ihm vielleicht ein anderes Ziel vordringlicher? Darin liegt auch, so paradox es klingt, ein gewisses Konfliktpotenzial jedes Kooperationsspiels. Die Spieler sind von unterschiedlichem Ehrgeiz getrieben, und Ideen und Lösungsvorschläge prallen aufeinander. Je weiter Pandemie fortschreitet, umso nervöser werden auch manche Zeitgenossen, und glauben dann den Stein der Weisen gefunden zu haben. Manchmal müssen kooperative Mitspieler ein bisschen eingebremst werden.
Bei drei Seuchenfällen wird es ernst
Das Bedrohungspotenzial durch Viren und Bakterien, auch wenn sie bei Pandemie aufs Abstrakte reduziert wurden, hält die Spieler auf jeden Fall im Griff. Vor ihren Augen tut sich ständig etwas. Kleine Erfolge werden gefeiert, doch schon tritt mit der nächsten Karte die nächste Katastrophe ein!
Gefährlich für die Gruppe, die "Menschheit" wird es immer dann, wenn in einer Stadt bereits drei Seuchenwürfel liegen. Mehr geht nicht, bzw. im Spiel kommt es dann zu einem Seuchenausbruch. Am Ende eines Zuges wird jeder Spieler kurzfristig zum Überträger. Das heißt: Er deckt zwei Infektionskarten auf, und in die betreffenden Städte kommt der erste oder weiterer Seuchenwürfel. Ist es der vierte, dann werden sofort die umliegenden Städte infiziert, bekommen ebenfalls einen Seuchenwürfel. In einer Kettenreaktion kann auch dort durch einen vierten Seuchenwürfel die Seuche ausbrechen, und nun erhalten auch deren umliegenden Städte einen weiteren Seuchenwürfel.
Realitätsnahes Szenario
Für jeden Ausbruch muss der Marker auf der Aufbruchsleiste vorgerückt werden. Beim achten Ausbruch haben die Spieler verloren. Es drohen auch Epidemien, also lokale Ereignisse. Dafür wurden Epidemie-Karten in den Nachziehstapel der Spielerkarten gemischt. Diese Karten haben es gleich dreifach in sich! Zuerst einmal erhält eine bestimmte Stadt drei Seuchenwürfel – die Gefahr eines Ausbruchs ist also groß. Zweitens verschärft sich die Infektionsrate – auch dafür gibt es eine Skala mit einem Marker. Der Effekt ist, dass ab der dritten Epidemie nun jeder Spieler als Überträger drei statt zwei Infektionskarten ziehen muss, ab der fünften Epidemie am Ende seines Zuges sogar vier Infektionskarten! Und zu allem Überfluss werden die schon abgelegten Infektionskarten gemischt und a u f den Nachziehstapel gelegt. Mit anderen Worten: Für die bereits befallenen Städte steigt das Risiko mit neuen Seuchenwürfeln ausgestattet zu werden, enorm.
Unter solchen Vorzeichen müssen die Spieler ihre Nerven beisammenhalten. Denn Pandemie zu gewinnen, ist nicht einfach oder gar selbstverständlich. Natürlich sind die Spieler dem Geschehen nicht völlig chancenlos ausgeliefert. Auf ihrer Seite sind bis zu vier Aktionen pro Zug und Spieler. Die Spielfiguren werden über Spielerkarten bewegt, darunter die schon erwähnten Epidemie-Karten, weiters Ereigniskarten. Doch auf den meisten sind Städte. Diese "Städtekarten" braucht man, um die betreffende Metropole zu gelangen oder auch von dort wegzukommen, darauf ein Forschungslabor zu errichten, oder an Ort und Stelle eine Seuche zu bekämpfen. Jede der "Städtekarten" ist mit einer bestimmten Farbe versehen, diese Farben entsprechen denen der vier Seuchen. Fünf Karten einer Farbe erlauben es ein Gegenmittel zu entdecken, ausgerottet ist eine Seuche aber erst, wenn dazu auch alle Seuchenwürfel dieser Farbe von der Weltkarte verbannt wurden.
Für den Sieg ist das nicht unbedingt notwendig. Um Pandemie zu gewinnen, genügt es alle vier Gegenmittel entdeckt zu haben.
Fazit
Zusammengefasst: Gemeinsam gegen den Feind zu kämpfen, hat hohen Reiz. Pandemie ist spieltechnisch bis ins Detail ausgeklügelt, wordurch das Erreichen des Spielziels nicht leicht ist. Die Spieler werden dabei mit stetig steigenden Spannung belohnt, ja man könnte sagen: Das Spiel ist ein Thriller. Und wie im wirklichen Leben gewinnt halt nicht immer das Gute.
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Nr. 1028: Pandemie / Pandemic |
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Spielwiese-Code | |
2014: Z-Man/Asmodee 2009: Pegasus |
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Themen: Oper, Musik, Wirtschaft |
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