Der Spatz in der Hand
Mit dem vorliegenden Spiel behauptet Amigo seinen Ruf als Meister großer Spiele in kleinster Schachtel. Bei Byzanz handelt es sich um ein ausgefuchstes Versteigerungsspiel.
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Die schematische Darstellung macht den Ablauf verständlicher. Hier der Spieltisch am Beispiel mit vier Spielern, erste Versteigerung. Dabei geht es um fünf Warenkarten (Mitte). Alle vier Spieler starten mit vier Karten auf der Hand, mit denen sie bieten. Wer die Versteigerung gewinnt, erhält die Angebotskarte mit der 5 (links).
Illustrationen: Amigo |
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Gewonnen hat in unserem Beispiel Eva mit einem Gebot von 4 (Tuch 1, Gewürze 2, Wein 1). Diese drei Karten legt sie an den Markt von Byzanz (rechts), weiters wählt sie für den Markt die Karte Holz 1. Die vier übrigen Karten der Auktion – Getreide 3, Oliven 3, Tuch 2 und Getreide 1 – nimmt sie als Nachschub auf die Hand. Die Angebotskarte 5 legt sie wie schon erwähnt vor sich ab. Darunter erscheint die Angebotskarte 4, das heißt in der nun folgenden Versteigerungsrunde werden vier Karten ausgelegt. |
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Die Versteigerungsrunde ist vorbei, so präsentiert sich der gefüllte Markt. Axel hatte die Versteigerung mit den wenigsten Karten (2) gewonnen und darf als Erster auswählen. Er nimmt sich die drei Karten Holz. Würde er sie gleich verkaufen, hätte er drei Punkte sicher, weil er die Karte Holz 3 als höchste dafür ablegen und die beiden niedrigsten (jeweils Holz 1) aus dem Spiel geben würde. Was auf dem Markt von Byzanz nach der Verteilung übrig bleibt, kommt aus dem Spiel. |
Byzanz gehört zu jenen Spielen, deren Gewitztheit sich erst nach einer kompletten Runde erschließt. Denn scheinbar umständlich und mit Umwegen kommt man zu seinen Punkten.
Das Szenario führt uns auf einen orientalischen Markt. Und als Abendländer glauben wir ja zu wissen, dass dort eigene Regeln den Ton angeben, wenn mehrere Leute ein Geschäft machen. Damit spielt auch Byzanz. Drei Kamele, zwei Ziegen und ein Sack Mehl für eine Frau – nein, ganz so krass ist es nicht. Aber zum Beispiel zwei Tuch, ein Wein und einmal Oliven für ein Gewürz, das könnte hinhauen.
Wir haben es zuerst einmal mit insgesamt 96 Warenkarten in sechs verschiedenen Sorten und Farben zu tun. Die Farben, das sei gleich gesagt, sind etwas blass geraten, aber dafür die Illustrationen eindeutig, so dass auch bei etwas schummrigem Licht sich alles dennoch gut unterscheiden lässt. Jeder Spieler startet mit einem Kapital von vier zufällig zugeteilten Karten. Weitere Karten erhält er im Verlauf von Byzanz nur aus Aktionen – ein "normales" Nachziehen gibt es nicht.
Ungewöhnlicher Verteilmechanismus
Eine Runde besteht aus so vielen Versteigerungen wie Spieler teilnehmen. Zur Auktion gelangen ebenfalls Warenkarten, wobei deren Anzahl ständig abnimmt. Bei fünf Spielern – das entfanden wir als Idealfall für Byzanz – werden pro Runde zuerst fünf Warenkarten versteigert, dann vier, dann drei usw. Nun gibt es zwei wesentliche Besonderheiten:
- wer eine Versteigerung gewinnt, darf in dieser Runde an keiner weiteren mehr teilnehmen
- was ersteigert wird, wird aufgeteilt, nämlich einmal für den Markt von Byzanz und einmal auf die Hand.
Der Markt von Byzanz ist ein Ablagefeld auf dem Tisch. Dort werden Warenkarten – sortiert nach ihrer Art – für die Verteilung am Ende einer Runde ausgelegt. Der Weg dorthin ist Folgender. Angenommen, es gab vier Warenkarten zu ersteigern. Die Spieler boten mit Warenkarten aus ihrer Hand, wobei hier nur die Zahlenwerte der Karten zählten. Die unterlegenen nahmen ihre Karten wieder auf die Hand, der Spieler mit dem höchsten Gebot musste seine Karten auf den Markt von Byzanz legen und sich für eine (!) Warenkarte aus dem Auktionsangebot entscheiden, die er ebenfalls auf den Markt von Byzanz legte. Die restlichen drei Karten aus der Auktion waren sein vorläufiger Gewinn, diese Karten nahm er auf die Hand. Bei fünf und sechs Spielern geht der Spieler, dem die letzte Auktion bleibt – dabei gibt es nur eine einzige Karte zu ersteigern – vordergründig leer aus, weil diese einzige Karte ebenfalls auf den Markt von Byzanz gelegt werden muss.
Der Letzte wählt als Erster
Was nach Ungerechtigkeit klingt, wird durch die zweite und letzte Phase einer Runde ausgeglichen. Denn nun kommen die Spieler in quasi umgekehrter Reihenfolge dran, sich im Markt von Byzanz zu bedienen. Der Spieler, der die "niedrigste" Auktion gewonnen hat, sucht sich als Erster eine der Sorten Waren aus, die im Markt angeboten werden. Er nimmt sich alle (!) Karten dieser Sorte, dann folgt der Spieler, der die Auktion mit den zweitwenigsten Karten im Angebot gewonnen hat. Am Ende ist der Spieler an der Reihe, der die erste Auktion mit den meisten Karten gewonnen hatte.
Dieses indirekte Handeln stiftet bei Anfängern regelmäßig Verwirrung. Aber nach und nach kommt man dahinter, worauf man ausschließlich achten sollte. Auf die Punkte nämlich. Punkte macht man, indem man Warenkarten verkauft. Das kann jeder Spieler jederzeit tun, und zwar nach einem einfachen Schema: Man zeigt den anderen drei Warenkarten der selben Sorte und gibt die zwei mit den niedrigsten Werten aus dem Spiel, die mit dem höchsten Wert legt man verdeckt als Gewinn vor sich ab. Die Zahl auf der Karte zählt am Ende als Punkt.
Händlerkarten steigern die Begierde
Um Spannung und Gelüste zu steigern, sind insgesamt 16 Händlerkarten mit dem Wert Null im Kartenstapel. Sie dienen beim Verkauf als Joker und sind deshalb heiß begehrt, wenn sie in einem Auktionsangebot auftauchen: Im Idealfall kann man mit zwei Händlerkarten und einer Warenkarte (Werte von 1 bis 4) vier Punkte auf einen Schlag machen.
Eine sichere Gewinnstrategie gibt es bei Byzanz nicht. Abgesehen davon, dass das Kartenglück generell eine beträchtliche Rolle spielt, gibt es keinen Vorteil, den man sich nicht gleichzeitig mit einem Nachteil erkauft. Wer gleich einmal zu Beginn einer Runde ein Angebot ersteigert, bekommt zwar relativ viele Karten als Nachschub auf die Hand, muss sich dann aber am Markt von Byzanz mit den Brotkrumen begnügen – wenn überhaupt noch etwas übrig ist. Denn auch das kommt gar nicht so selten vor: mitunter sind gar nicht alle sechs verschiedenen Waren im Laufe einer Runde aufgedeckt worden bzw. eine Karte davon auf den Markt gelegt worden.
Man hält sich also eher in der Mitte und oft ist es besser frühzeitig drei Karten von der Hand zu verkaufen und sichere Punkte zu machen, und dann eher gegen Ende einer Runde ein Angebot mit wenigen Karten zu ersteigern.
Fazit
Wenn man den eigentümlichen Mechanismus einmal verinnerlicht hat, geht Byzanz flott von der Hand. Es ist ein Spiel für gewiefte Taktiker, die der alten Kartenspielregel folgen: Im Zweifelsfall lieber den Spatz in der Hand zu nehmen als auf die Taube am Dach zu hoffen.
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Nr. 1010: Byzanz |
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Spielwiese-Code | |
2008: Amigo |
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Themen: Orient, Handel
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Auszeichnungen
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