Eine Stadt braucht eine Mauer
Nicht viele Adaptionen und Weiterentwicklungen von bekannten Spielen sind gut. Carcassonne - Die Burg schon.
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| Spielt sich anders trotz vertrauten Elementen: Das Carcassonne-Spiel, das eigens für zwei Spieler gemacht wurde. | |
Die wichtigste Information zuerst: Für Die Burg müssen Sie das normale blaue oder grüne Carcassonne (Spielwiese 57 und 70) nicht haben. Das Zweipersonenspiel ist ein eigenständiges Werk, keine Ergänzungspackung. Lohnt sich die Anschaffung? Schon, auch wenn dagegen spricht, dass das normale Carcassonne auch zu zweit hohen Spielreiz hat.
Die Frage muss deshalb vielmehr lauten, was anders ist. Der augenfälligste Unterschied ist, dass das Spielfeld durch eine Burgmauer begrenzt ist, die vor Beginn puzzleartig aus zehn Teilen zusammengesetzt wird. Sie ist weit mehr als eine Außenkante: Sie dient zum einen als Zählleiste, zum anderen bringt sie auf innovative Weise Sonderaktionen ins Spiel. Landet ein Spieler mit seiner Zählfigur genau auf einem Eckfeld der Mauer, erhält er das dort zu Beginn verdeckt abgelegte Mauerkärtchen. Ein Eckfeld umfasst zwei Zahlen. Ein Beispiel: Ein Spieler hat zehn Punkte gesammelt und ist gut beraten, in seinem nächsten Zug genau zwei oder drei oder Punkte zu machen, um auf das erste Eckfeld mit den Wertungsfelder 12 und 13 zu gelangen. Er darf dann das Mauerplättchen nehmen, offen vor sich ablegen und ab seinem nächsten Zug einsetzen. Werden bei einer Wertung die beiden Zahlenfelder eines Eckes übersprungen, bleibt das Mauerplättchen verdeckt liegen. Alle neun verschiedenen Mauerplättchen sind positiv und wirken sich in erster Linie auf die Schlusswertung durch eine erhöhte Punktezahl aus.
Noch eine vierte Funktion hat die Burgmauer. Sie bestimmt, wo das Spiel beginnt. Sieben Felder der Mauer sind so genannte Startfelder. Wer am Zug ist, muss sein Plättchen entweder an eines der Startfelder oder an bereits ausgelegte Plättchen anlegen. Anders als Carcassonne entwickelt sich Carcassonne - Die Burg also nicht von der Mitte aus, sondern von mehreren Seiten zur Mitte hin. Das erlaubt den Spielern andere Taktiken.
Neue Namen sind Nebensache
Die Plättchen, die abwechselnd gezogen und ausgespielt werden und hier Burgkarten genannt sind, ähneln in ihren Bestimmungen jenen vom Urspiel. Die Wiese heißt hier Hof, aus den Wegelagerern wurden Herolde, aus Städten wurden Häuser und Türme, usw. Die neuen Namen sind eigentlich nur Nebensache, es braucht kein rigoroses Umdenken.
Im Normalfall hat man als Carcassonne-Spieler die etwas anderen Regeln und Wertungsfeinheiten schnell intus. Carcassonne - Die Burg spielt sich nach einer kurzen Eingewöhnungsphase genauso flüssig wie das Vorbild. Außer, es sitzt ein Intensiv-Grübler am Tisch, aber solchen kann man auch bei Carcassonne über den Weg laufen. Selbst wer die Grundidee vom blauen Urspiel oder der grünen Variante Die Jäger und Sammler nicht kennen sollte, findet rasch ins Spiel. Die Legeregeln sind rasch erklärt. Verdecktes Kärtchen ziehen und so legen, dass Höfe, Häuser oder Türme dadurch vergrößert werden, Wege müssen immer fortgesetzt werden. Danach kann man einen Gefolgsmann auf das neue Plättchen einsetzen. Sie sind es, die den Besitzstand definieren und die Punkte bringen. Wird im Laufe des Spiels beispielsweise ein Turm fertig gestellt (d.h. er ist durch Hof, Wege, Türme oder die Burgmauer klar abgegrenzt), rückt man sofort für jedes Plättchen, aus dem der Turm gebildet ist, zwei Punkte auf der Wertungsleiste vor. Für Häuser gibt es nur einen Punkt, dafür erhält bei der Schlusswertung der Spieler mit dem größten Haus Sonderpunkte.
Obwohl die Könige, Fürsten und Ritter bekanntlich recht gläubige und der Kirche verbundene Leute waren, sucht man bei Die Burg vergeblich das Element Kloster, das im Urspiel für viele Punkte gut ist. Hier gibt es dafür allerdings Märkte, die einige Hof-Kärtchen bereichern. Wer mit seinem Gefolgsmann einen Hof unter Kontrolle hält, darf sich für jeden Markt darauf über drei Punkte freuen.
Wie auch bei den anderen Spielen aus der Carcassonne-Familie ist die Grafik sehr detailreich. Sind die kleinen Zeichnungen der Märkte noch problemlos von Menschen- und Tiergruppen auf den Höfen zu unterscheiden, heißt es hingegen bei den Wegen gut aufpassen: Einige Brunnen können leicht mit Plätzen verwechselt werden, was beim Übersehen nur halb so viele Punkte für die Wertung eines Weges bedeuten würde. Ein oder mehrere Brunnen entlang eines Wegs verdoppeln nämlich die Punktezahl.
Am Ende bleibt ein Loch
Apropos Optik. Durch die rechtwinkligen Formen der braunen Häuser und grauen Türme, die gleichberechtigt aneinander gebaut werden dürfen, entsteht gegen Ende hin der Eindruck, dass bei diesem Carcassonne-Spiel alles buchstäblich bunt zusammengewürfelt wurde. Das stimmt zwar fürs Auge, aber nicht spieltechnisch. Den Ästhetiker stört auch, dass am Spielende insgesamt 16 Felder leer bleiben, was wegen der Variabilität der Legekärtchen innerhalb eines Rahmens wie der Burgmauer anders gar nicht geht. Aber Reiner Knizia , der die Spielvariante für zwei Personen auf Basis des Originalsystems von Klaus-Jürgen Wredes ersann, hat auch aus dieser "Not" eine Tugend gemacht. Die Anzahl der Felder der größten frei gebliebenden Fläche bestimmt, wie viele Sonderpunkte der Spieler mit dem größten Haus am Ende erhält. Da wird sich dessen Besitzer – oder sein Gegenspieler – bei den allerletzten Plättchen genau überlegen, wo er sie auslegt.
Die relativ vielen Sonderpunkte, die am Schluss verteilt werden, unterscheiden Die Burg deutlich vom Charakter des Ur-Carcassonne. Weil sie praktisch alle erst durch Mauerkärtchen zum Tragen kommen und die Mauerkärtchen offen vor den Spielern liegen, muss man das fortlaufende Anlegen von Häusern, Türmen etc. auch unter diesem Gesichtspunkt betrachten und als Kontrahent gegensteuern. Die Burg ist eben ein anderes Spiel mit einigen vertrauten Elementen – ein simpler Abklatsch für zwei Spieler hätte keinen Sinn gemacht.
Test 866: Carcassonne - Die Burg
- Legespiel für 2 Spieler ab 8 Jahre
- Ca.-Preis: 14,– €
- Verlag: Hans im Glück
- Autor: Reiner Knizia nach dem Spielsystem von Klaus-Jürgen Wrede
- Grafik: Christof Tisch
- Thema/Umfeld: Mittelalter: eine Stadt wird innerhalb einer Mauer mit Häusern, Märkten, Türmen und Wegen errichtet
- Zielgruppe: Carcassonne- und Legespielfans,
- Spieldauer: 45 Minuten
- Spielmaterial: sehr detailreich und liebevoll, sehr gute Qualität
- Schachtelinfo: ausreichend, um den Charakter zu treffen
- Spielanleitung: gut
- Anspruch: wie im Original: taktisch Kärtchenlage zu optimieren
- Spielreiz: sehr hoch, auch für jene, die Carcassonne nicht kennen
- Glück: hoch
-Service:
Spielanleitung zum Herunterladen


… alles gelassen zu nehmen.