Mü ist mehr, doch mehr nur mehr oder weniger gut
Die Grafik stammt von der Autorin selbst. |
![]() |
1996 aufgenommen in die Auswahlliste und bestes Kartenspiel bei "Fairplay": Mü & mehr. |
Als Mü & mehr während der "Spiel 95" in Essen im Eigenverlag der Autoren Doris Matthäus und Frank Nestel vorgestellt wurde, avancierte es sehr schnell zum Geheimtip. Und so war es dann auch kein Wunder, daß das Spiel im Jahr darauf schon bei einem größeren Verlag, nämlich Amigo, für ein breiteres Publikum aufgelegt wurde.
Mü ist ein Kartenstichspiel, dessen eigentlicher Reiz aber darin liegt, was vor dem Stichspiel passiert. Das Spiel besteht aus 60 Karten in fünf Farben, die Ziffern von 0 bis 9 enthalten. Die Ziffern 1 und 7 sind in jeder Farbe doppelt vorhanden. Außerdem besitzt jede Karte den Wert 0, 1 oder 2, und auf diese Werte kommt es auch an, denn sie entscheiden am Ende über Sieg oder Niederlage.
Die Auktionphase
Nachdem alle Karten gleichmäßig an die Spieler verteilt worden sind – bei drei Spielern werden zunächst zwei Farben aussortiert – beginnt nun die Auktion, in der die Trümpfe und Partnerschaften ermittelt werden. Dazu darf ein Spieler, wenn er am Zug ist, passen oder ein oder mehrere seiner Karten aufdecken und offen vor sich ablegen, aber nur so viele, daß er um höchstens eine mehr besitzt als jener Spieler, der bisher die meisten vor sich liegen hatte. Im Unterschied zum üblichen Steigern muß man dabei aber keineswegs das bisherige Höchstgebot überbieten. Und hat man gepaßt, darf man später wieder einsteigen, es sei denn, alle anderen Spieler passen in dieser Runde auch.
Jener Spieler, der die meisten Karten aufgedeckt hat – gibt es einen solchen Spieler nicht, so tritt eine Sonderregel in Kraft – ist in dieser Runde der Chef. Der Spieler mit den zweitmeisten gebotenen Karten wird zum Vizechef. Letzterer wählt nun die Vizetrümpfe, eine Farbe oder eine Zahl. Ist dies geschehen, so gibt nun der Chef seine Trumpffarbe oder -zahl bekannt, wobei er auch "ohne Trümpfe" spielen kann.
Dabei, und das ist wichtig, darf der Vizechef bzw. Chef nur eine Farbe bzw. Zahl wählen, die auf einer seiner ausgelegten Karten vorhanden ist. In der Regel wird es also zwei Trümpfe geben, wobei die Cheftrümpfe immer höher als die Vizetrümpfe sind.
Ist die Trumpfwahl abgeschlossen, so wählt nun der Chef bei mehr als drei Spielern einen der anderen Spieler (außer dem Vizechef) zu seinem Partner, mit dem er das Spielziel zu erreichen versucht. Und dieses wird durch die Anzahl seiner aufgedeckten Karten bestimmt: Je mehr Karten er aufgedeckt hat, desto mehr Wertepunkte muß er im kommenden Stichspiel zusammen mit seinem Partner erreichen.
Die Stichspielphase
Das Stichspiel verläuft nun ganz normal: die Farbe der ersten Karte muß bedient werden, kann man dies nicht, so darf man eine beliebige Karte spielen oder trumpfen. Ist Trumpf angespielt worden, so muß natürlich Trumpf zugegeben werden. Dabei kann ein Cheftrumpf auch durch einen Vizetrumpf und umgekehrt bedient werden, aber wie schon erwähnt, ist der Cheftrumpf immer der höhere.
Sind alle Stiche gespielt, zählt nun jeder die Wertepunkte seiner gewonnenen Karten. Diese Punkte erhält jeder gutgeschrieben. Nun addieren der Chef und sein Partner ihre Punkte um festzustellen, ob sie das Spielziel erreicht haben. Ist dies der Fall, so werden aus einer Tabelle die Bonuspunkte abgelesen und dem Chef und seinem Partner gutgeschrieben. Wieviele Punkte es sind, hängt dabei von der Art des Cheftrumpfes und der Anzahl der vom Chef aufgedeckten Karten ab.
Erreichen die beiden aber ihr Ziel nicht, so hagelt es für den Chef Minuspunkte, während die Gegner sich über Pluspunkte freuen dürfen. Einzig der Partner des Chefs erhält weder Minus- noch Pluspunkte. Die Ermittlung der Punkte ist am Anfang etwas verwirrend, macht aber nach ein paar Partien keine Probleme mehr.
Die Überprüfung
Zunächst wird mittels der Teamziel-Tabelle geprüft, wieviele Karten der Chef bei der erreichten Punktezahl für einen Gewinn hätte auflegen dürfen. Dann wird die Differenz zur tatsächlich aufgedeckten Anzahl von Karten gebildet und diese, multipliziert mit 5, darf sich die Gegenpartei gutschreiben, während der Chef die Differenz mal 10 als Minuspunkte verbuchen muß. Wer eine vor Spielbeginn vereinbarte Punktezahl als erster erreicht, hat gewonnen.
Mü wird immer wieder mit dem Klassiker Bridge verglichen und das hat durchaus seine Berechtigung. Aber während ich bisher noch nicht in der Lage war, das Reizen bei Bridge zu verstehen, gelang dies bei Mü ohne große Mühe, was aber nicht heißen soll, daß ich es gemeistert habe.
Wahrscheinlich ist das auch gar nicht möglich, denn zu viele Faktoren spielen eine Rolle. Aber dadurch bleibt das Spiel für viele Partien interessant.
Neben Mü, das wird ja schon im Titel verraten, findet man noch drei weitere Spiele in der kleinen Schachtel, die aber einen viel geringeren Anspruch haben. Calcory ist ein Rechenspiel, bei dem man versuchen soll, Karten mit dem Wert 13 aufzudecken, Rummü ist ein Legespiel, das schon im Titel auf Ähnlichkeiten zu anderen Spielen dieser Art verweist während Safarü an das italienische Spiel Scopa (siehe Sid Sackson: "Kartenspiele aus aller Welt") erinnert.
Zwar ist jedes dieser drei Spiele nicht schlecht und so mancher Verlag hätte jedes einzeln in eine Schachtel verpackt, aber gegen Mü verblaßt "mehr" halt einfach.
Helmut Wresnik
![]() |
Nr. 371: Mü & mehr |
|
Spielwiese-Code | |
2007: Amigo
1996: Amigo
1995: Doris & Frank
|
|
Themen: abstrakt
|
|
|
|
Auszeichnungen
Rund ums Spiel
|
|
|
|