Auf hoher Position
Wolfgang Kramer hat eines seiner besten Spiele in neue Gewänder gepackt. Wir stellen die Weiterentwicklungen Das neue Big Boss und Alcazar ausführlich vor und ziehen den Vergleich mit dem genialen Big Boss.
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Schematisch, wie hier aus der Spielanleitung entlehnt, lassen sich die Grundprinzipien der beiden Spiele am besten erklären. Hier wurde mit der Zahlenkarte 8 ein Schloss gegründet. Der Wert setzt sich aus drei Feldern der ersten Ebene (3x1 Punkt) und einem Baustein in der zweiten Ebene (2 Punkte) zusammen.
Bilder: Spielwiese, Kosmos |
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Vorher, nacher: Spieler Blau hat entweder eine Turmkarte oder die Zahlenkarte 10 ausgespielt, setzt auf das entsprechende Feld einen Baustein und einen Granden darauf. Der Wert des Schlosses erhöht sich um zwei Punkte (für die zweite Ebene) von acht auf zehn, die Aktion kostet den Spieler in diesem Fall zehn Real. | |
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So funktioniert ein Zusammenschluss: Der Spieler setzt das einzelne Feld zwischen den beiden Schlössern. Zuerst entscheidet er, welchem Schloss der Punkt für den Baustein auf dem Feld 6 zugerechnet wird. Das linke Schloss bleibt auf jeden Fall das größere und schluckt das rechte. Das rechte verliert sein Wappen, sein Wert wird dem linken zugeschlagen. Das zusammengefügte Schloss hat nun einen Wert von 11+6+1=18 Punkte. Der Spieler darf sich über 18 Real in bar freuen. | |
Es ist ein mutiges Projekt, das Kosmos realisiert hat. Vom Preis her – rund 50 Euro sind für ein Familienspiel relativ viel; vom Thema her – Schloss-Bauspiele gab und gibt es schon mehrere, auch vom Autor selbst (Torres); von der Historie her – Alcazar basiert auf einem Spiel, das es bereits einmal gab, nämlich Big Boss, und das damals nur schwer verkaufbar war; außerdem scheiterte die überarbeitete Neuauflage bei einem anderen Verlag aus mehreren Gründen noch vor der Veröffentlichung (spielwiese.at berichtete).
Das sind eine Menge Vorzeichen, um Skeptikern Gesprächsstoff zu liefern. Ob die Zweifel begründet sind, beleuchten wir in drei Abschnitten. Wir besprechen zuerst Das neue Big Boss, wie die eine Spielvariante heißt, dann Alcazar, das "eigentliche" neue Spiel, und zuletzt vergleichen wir beide mit dem ursprünglichen Spiel. Das hat eine kleine, aber eingeschworene Gemeinde, wie auch die horrenden Preise beweisen, die für das Original auf ebay und anderswo bezahlt werden.
I. Das neue Big Boss
Der König wünscht sich ein mächtiges und prunkvolles Schloss mit Gebäuden, die an Glanz und Größe alles Dagewesene in den Schatten stellen soll. Das ist die Geschichte. Dazu lädt er mehrere Adelsfamilien zum Bau des "Alcazar" ein – Alcazar ist eine spanische Bezeichnung für ein Schloss.
An Adelsfamilien gibt es acht, wobei die Spieler keine davon repräsentieren. Die Namen der Adelsfamilien dienen lediglich zur Bezeichnung von Bauten und ihrer Unterscheidung. Dass das nicht wirklich gut gelungen ist, davon später. Was zu tun ist: Die Spieler gründen Schlösser und Villen und bauen sie aus. Sie gehören niemandem, der Lohn für ihren Ausbau besteht darin, dass dadurch der Wert eines Gebäudes steigt, und der betreffende Spieler diesen Wert ausbezahlt bekommt. Die Währung heißt Real, und wer am Ende am meisten Real hat, ist der Sieger.
Slebstredend gibt es für das Gründen und Ausbauen von Gebäuden spezielle Regeln. Dazu zuerst ein Blick auf den Spielpan. Darauf mäandert eine geschlossene Aneinanderreihung von 72 Feldern. Jedes Feld hat eine Nummer von 1 bis 72. Für jedes Feld gibt es eine eigene Karte im Spiel. Wer beispielsweise die Karte 33 hat, darf auf Feld 33 gründen oder bauen. Dazu gibt es bei Das neue Big Boss zwei verschiedene Bausteine. Einen großen, der insgesamt drei Felder abdeckt, damit wird ein Schloss gegründet, und 84 kleine Bausteine, die genau ein Feld abdecken. Damit kann man eine Villa gründen oder an einer Villa oder einem Schloss anbauen.
Ausbau zur Seite und in die Höhe
Anbauen geht sowohl horizontal als auch vertikal. Horizontal, also links oder rechts an einem bestehenden Gebäude, kann man nur mit der entsprechenden Zahlenkarte anbauen. In die Höhe geht es sowohl mit einer passenden Zahlenkarte als auch mit so genannten Turmkarten. Die Zählerei ist einfach: Für jedes bebaute Feld in der untersten Ebene gibt es einen Punkt, für einen Baustein in der zweiten Ebene zwei Punkte, für einen in der dritten drei
Jede Bautätigkeit wird auf der typischen (Kramer-)Leiste am Spielplanrand mit kleinen Kartonchips festgehalten, die das Wappen der jeweiligen Adelsfamilie zeigen, die das Schloss gegründet hat. Wer gegründet oder angebaut hat, erhält den (neuen) Gesamtwert eines Gebäudes in Real ausbezahlt.
Damit holen sich die Spieler finanziellen Nachschub, denn es gibt auch Dinge zu bezahlen. Turmkarten kosten beispielsweise zehn Real, gewöhnliche Zahlenkarten fünf Real. Vor allem aber kostet das Einsetzen von Adeligen Geld. Wer einen kleinen Baron einsetzt (davon hat man anfangs sechs), zahlt dafür den aktuellen Wert des Schlosses, auf das man ihn stellt. Dazu muss vorher gegründet oder angebaut haben. Das ist vorläufig ein Nullsummenspiel, denn Ertrag durch Anbau und Kosten fürs Einsetzen sind gleich hoch. Eine seiner beiden großen Figuren, die Fürsten oder Granden einzusetzen, kostet das Doppelte! Hier zahlt der Spieler also vorläufig einmal drauf. Warum es trotzdem Sinn macht: Am Spielende werden alle Adeligen mit dem Wert des Schlosses ausbezahlt, auf dem sie stehen. Und der Wert der Schlösser sollte schließlich im Laufe einer Partie steigen. Barone bringen einfachen, Granden doppelten Wert.
Wer also früh einsetzt, sollte am Ende damit am meisten verdient haben. Soweit die graue Theorie.
Benachbarte Zahlenkarten sichern
Die Praxis, oder besser: das Glück und die Mitspieler machen durch diese einfache Rechnung oft einen Strich. Die Strategie bei Das neue Big Boss kann nur sein, sich an den Zahlenkarten zu orientieren. Wer mehrere benachbarte Zahlenkarten hat oder bekommen kann, hat den klaren Vorteil, dass er selbst mageblich über den Baufortschritt eines Gebäudes entscheidet. Zu Beginn hat jeder Spieler zufällig zehn Zahlenkarten erhalten, sechs weitere liegen offen in einer Auslage, der Rest auf einem verdecktem Nachziehstapel. Wird eine Zahlenkarte aus der Auslage gekauft, wird sofort eine neue aufgedeckt. Man muss deshalb die Auslage immer im Auge behalten und sie in Beziehung zu seinem Blatt auf der Hand bringen.
Zusammenschlüsse bringen Bares
Wer an der Reihe ist, hat grundsätzlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder er kauft eine offene oder verdeckt ausliegende Zahlen- oder Turmkarte. Oder er spielt eine Karte aus und baut bzw. gründet. Von Runde zu Runde wird es dadurch interessanter, denn auf dem Spielfeld wachsen die Gebäude und es ergeben sich laufend neue taktische Möglichkeiten. Der besondere Kick liegt in der Möglichkeit zwei Gebäude zusammenzuführen. Das bringt nämlich einerseits richtig Geld, andererseits können damit Mitspieler ausgebootet werden. Zuerst das Prozedere: Wer die Zahlenkarte mit der Nummer des Feldes ausspielt, das als einziges noch zwischen zwei Gebäuden frei ist, bestimmt welches Gebäude um einen Punkt im Wert steigt. Dann wird das Wappen des kleineren Gebäudes entfernt, und der Wert des kleineren Gebäudes wird dem größeren zugeschlagen. Der Spieler, der diesen Zusammenschluss herbeigeführt hat, erhält den neuen Gesamtwert des fusionierten Gebäudes in bar ausbezahlt.
Bei einem Zusammenschluss von zwei Schlössern gehen alle fremden Adeligen im übernommenen Schloss an ihre Besitzer zurück. Sie werden dafür mit dem aktuellen Wert (Granden x 2) des kleineren Schlosses entschädigt. Werden allerdings ein Schloss und eine Villa zusammengeführt, bleiben alle Adeligen auf ihren Plätzen! Diese sind auf einmal sehr viel mehr wert, da Villen maximal fünf Punkte erreichen können. Der Bau von Villen hat übrigens den Hauptzweck der Notlösung, wenn man keine guten Karten für Schlösser hat oder sie aus taktischen Gründen nicht ausspielen will.
Es gibt noch ein paar weitere Regeldetails, wie beispielsweise Gründungsbedingungen oder das freiwillige Zurückziehen von Adeligen, die jedoch den Rahmen dieser Rezension sprengen würden.
Frühzeitig Turmkarten sichern
Damit ist aber schon jetzt nach relativ vielen Zeilen klar: Das neue Big Boss ist weder ein Spiel zum Drauflosspielen, noch eines, das sich nach der ersten Partie, geschweige denn nach ein paar Zügen vollends erschließt. Es ist anspruchsvoll. Die Grundregeln sind zwar bald begriffen, aber Das neue Big Boss wird jedes Mal anders verlaufen, weil jede Karten- und Gebäudekonstellation neue und andere Möglichkeiten eröffnet oder auch verwehrt. Wer beispielsweise einerseits geschickt auf Zusammenschlüsse hin steuert, hat gute Chancen auf den Sieg. Andererseits, wenn Mitspieler lange Zeit bestimmte Zahlenkarten zurückhalten, die ein "missing link" zum Ausbau eines Gebäudes darstellen, dem werden seine Adeligen elendiglich versauern. Ratsam ist es auf alle Fälle, sich frühzeitig mit Turmkarten einzudecken. Denn erfahrungsgemäß geht gegen Mitte einer Partie der Run auf die Turmkarten los. Sie sind mächtig: Mit ihnen kann man nicht nur eigene Adelige in die Höhe bringen und ihren Wert steigern, mit einer Turmkarte kann man auch einen fremden Adeligen schlagen. Ob man anschließend einen eigenen auf den Baustein setzt, hänfgt von der momentanen Liquidität ab.
Das Spiel ist zu Ende, wenn der letzte Baustein gesetzt wurde. Bis dahin hat man ein spannendes Spiel erlebt, das allerdings durch zwei Umstände beträchtlich getrübt wird. Die Bausteine lassen sich zwar stapeln, aber das Ganze bleibt unveständlicherweise trotzdem eine wackelige Angelegenheit. Bei Big Boss waren die außerdem Felder vertieft, was gegen das Verrutschen der Gebäude vorsorgte. Ebenfalls ärgerlich ist die mangelnde Übersicht: Um zu sehen, welches Wappen ein Schloss hat oder welche Zahl ein Feld hat, muss man immer wieder aufstehen und sich den Hals verrenken. Und weder sind die Namen der Adelsfamilien noch ihre Wappen für unsereins Mitteleuropäer auf Anhieb zu unterscheiden.
II. Alcazar
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Die Ausgangslage ist gleich: Für Alcazar wird das gleiche Spielbrett verwendet. |
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Bei Alcazar wird das Spielbrett oft unübersichtlich, weil hohe Gebäude entstehen. Am Ende ist entscheidend, auf welcher Ebene die Adeligen stehen. |
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Besonderer Reiz: Im Gegensatz zu Das neue Big Boss können bei Alcazar Schlösser durch die Brücken auch über Gebiete ohne Felder, nämlich im rechten Winkel zusammenwachsen. |
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Wo während des Spiel die Chips mit den Wappen auf der Zählleiste den Wert der Schlösser markierten, kommen am Ende zur Wertung am besten Granden zum Einsatz, um den jeweiligen Punktestand der Spieler zu ermitteln. |
Für das namensgebende Spiel verwendet man das gleiche Spielmaterial. Zusätzlich kommen aber auch die übrigen zwölf großen Bausteine ins Spiel, die jetzt aus gutem Grund Brücken heißen. Der gravierende Unterschied zu Das neue Big Boss ist, dass bei der Abrechnung das Geld nur eine untergeordnete Rolle spielt, sondern die Position der Adeligen.
Gespielt wird großteils nach den Regeln von Das neue Big Boss. Also entweder Karten kaufen oder ausspielen und damit bauen. Alles wird wieder auf der Zählleiste am Spielplanrand festgehalten. Eine andere Spieldynamik erfährt Alcazar durch einige wenige andere Regeln.
Zusammenschlüsse über Gräben hinweg
Grunsätzlich ist jede zusätzliche Ebene, die mit einem kleinen Baustein hinzugefügt wird, nun in jedem Fall zwei Punkte wert. Dass es in die Höhe geht, ist das bestimmende Ziel bei dieser Variante, denn ab der zweiten Ebene können die großen Bausteine als Brücken eingesetzt werden. Mit ihnen kann man innerhalb eines Schlosses Höhe gewinnen, vor allem aber auch ohne die fehlende Zahlenkarte für das letzte freie Feld zwischen zwei Gebäuden einen Zusammenschluss herbeiführen. Mehr noch: Man kann auch im rechten Winkel zwei Gebäude vereinen! Sozusagen über den Schlossgraben hinweg.
Brücken kosten Geld, nämlich 15 Real. Doch das rentiert sich. Denn der Wert des Schlosses erhöht sich beim Brückenbau nach einer einfachen Formel: Die Ebene, auf der die Brücke eingesetzt wird, wird mit drei multipliziert. Eine Brücke in der zweiten Ebene lässt den Schlosswert um sechs Punkte steigen, eine Brücke in der dritten Ebene schon um satte neun Punkte usw.
Fremde Adelige bleiben im Spiel
Bei Zusammenschlüssen bleiben, anders als bei Das neue Big Boss, fremde Adelige stehen. Geschlagen werden sie allerdings, wenn einer dummerweise unter dem Bogen einer gerade gebauten Brücke steht. Andererseits geht das Schlagen eines fremden Adeligen durch das Ausspielen einer Turmkarte bei Alcazar nicht. Turmkarten dürfen bei Alcazar nur für einen von zwei Zwecken verwendet werden:
- man bringt einen eigenen Adeligen um eine Ebene höher, indem man einen Baustein unter ihn schiebt
- oder man bereitet den Bau einer Brücke vor.
Logisch, dass eine Brücke zwei gleich hohe Pfeiler benötigt. Und vom Material und Spielplan her müssen die beiden Pfeiler entweder ein Zahlenfeld weit auseinander oder direkt gegenüber liegen. Die erste der beiden vorhin erwähnten Turmkarten-Regeln bedingt, dass eine Brücke nur von einem Spieler eingesetzt werden kann, der auf einem der beiden Pfeiler einen eigenen Adeligen stehen hat. Er darf den zweiten Pfeiler aber nur dann in die Höhe wachsen lassen, wenn darauf kein fremder Adeliger steht. Das gilt konsequenterweise auch für den eigentlichen Bau der Brücke. Mit anderen Worten: Der Bau einer Brücke lässt sich nur schwer verhindern.
Varianten für kostenlose Wertsteigerung
Umso wichtiger sind die Standorte der Adeligen. Wobei hier bei Alcazar eine gewisse Flexibilität herrscht, die das Spiel bereichert. Grundsätzlich gilt wie bei Das neue Big Boss die Kann-Bestimmung, am Ende des Zuges auf den eingesetzten Baustein einen Adeligen zu stellen (und dafür zu bezahlen). Stattdessen kann bei Alcazar aber ein bereits in diesem Gebäude vorhandener eigener Adeliger auf den eingesetzten Baustein oder die neue Brücke versetzt werden. Und zwar kostenlos, was vor allem bei Brücken Sinn macht! Ebenfalls zulässig ist es, statt einen neuen Adeligen zu bringen (und dafür zu bezahlen), zwei Adelige in diesem Gebäude den Platz tauschen zu lassen. Das macht dann Sinn, wenn man dadurch den Granden in die höhere Position bringt.
Alcazar endet, wenn entweder alle Brücken oder alle Bausteine verwendet sind. Die Abrechnung und Siegerermittlung erfolgt wie erwähnt anders als bei Das neue Big Boss. Nun zählen die meisten Siegpunkte. Für übriges Geld gibt es je 50 Real einen Siegpunkt. Analog des Untertitels "Auf die Höhe kommt es an" werden die Adeligen folgendermaßen gewertet: Für einen Granden wird die Ebene, auf der er steht, mit zwei multipliziert, für einen Baron wird die Ebene einfach gewertet.
Daraus folgt für dieses Spiel, dass es erstens wichtig ist, am Ende möglichst alle Adeligen im Spiel zu haben. Denn jeder bringt Siegpunkte. Und entscheidend ist, seine Adeligen bei jeder Gelegenheit in eine hohe Position zu bringen. Dafür gibt es, wie geschildert, mehrere Möglichkeiten – durch Turmkarten, durch Umsetzen, Platztausch oder eine Brücke über einem eigenen Adeligen zu errichten.
III. Der Vergleich zu Big Boss
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1994 erschienen und mit damals 110 DM bzw. rund 1000 Schilling ein wahrlich edles Stück: Das Kultspiel Big Boss. Übrigens eine der ersten Spielegestaltungen von Franz Vohwinkel. |
Big Boss, 1994 bei Kosmos erschienen, war eine Weiterentwicklung von Sid Sacksons genialem Acquire, einem Klassiker unter den Wirtschaftsspielen. Die Wirtschafts-Thematik war bei Big Boss beibehalten worden. Es ging um fiktive Autokonzerne (nun Schlösser), die sich parallel entwickeln, und irgendwann der Große den Kleinen schluckt. Thema und Titel passten optimal zusammen.
Auch Das neue Big Boss ist im Grunde ein Wirtschaftsspiel geblieben. Schließlich zählt am Ende nur der schnöde Mammon. Bei der neuen Version sind Titel und Thema "spanisches Prunkschloss" allerdings weit weniger homogen, um nicht zu sagen: unpassend. Offensichtlich stand die Reminiszenz an den guten Ruf des Originals im Vordergrund.
Materialvorgabe unerreichbar
Davon ganz abgesehen, widmen wir uns nun den wichtigeren, nämlich spieltechnischen und Materialunterschieden. Die Bausteine von Big Boss waren edel und griffen perfekt ineinander. Freilich mussten auch keine Männchen darauf gestellt werden. Bei den Karten besteht der Unterschied darin, dass es Etagenkarten statt Turmkarten gibt – Etagenkarten gelten nur für eine bestimmte Ausbaustufe, zum Beispiel eine zweite oder vierte Etage. Die fünfte gab es – als Krönung – nur ein einziges Mal. Einen großen Teil seines Reizes bezieht Big Boss aus der Heimlichtuerei: Die Spieler wissen zu keinem Zeitpunkt, wer welche Zahlenkarten besitzt oder überhaupt Etagenkarten hat, weil es nur einen verdeckten Nachziehstapel für sämtliche Karten gibt. Bei Das neue Big Boss wird offener gespielt, weil die Option einer Auslage von sechs Zahlenkarten vorhanden ist. Auch weiß man jederzeit, wer noch Turmkarten besitzt und kann sich in bestimmten Situationen ausrechnen, wofür sie verwendet werden. Der Verlauf wird dadurch insgesamt abschätzbarer.
Das Spekulative fehlt
Den wesentlichen Unterschied zwischen Alt und Neu macht jedoch die geänderte Beteiligungssituation aus. Bei Big Boss kann ein Spieler nach jedem Zug bis zu zwei Aktien kaufen, um direkt in einen Konzern (nun Schloss) zu investieren. Außerdem kann ein Spieler bis zu zwei Konzerne erwerben und damit besitzen, was bei der Abrechnung gleichbedeutend mit drei Aktien ist. Gegen die Aktien sind die Adeligen bei Das neue Big Boss ein matter Abklatsch: An die Stelle von Spekulation sind Beliebigkeit und auch ein Quäntchen Glück getreten. Bei Big Boss ist investiertes Geld nie verloren, außer ein Konzern wuchs überhaupt nicht und blieb bei drei Feldern bis zum Schluss oder einer Fusion stehen. Jeder, der Aktien kauft – auch von einem Konzern, der vielleicht schon einem Mitspieler gehört – ist bestrebt, deren Wert zu steigern. Und das geht nur, wenn auch er diesen Konzern erweitert. Diese Triebfeder ist bei Das neue Big Boss weitaus weniger ausgeprägt.
Im direkten Vergleich zwischen Big Boss und Das neue Big Boss unterm Strich eher ein spieltechnischer Rückschritt, auf jeden Fall eine Vereinfachung. Dazu gehört auch die Möglichkeit, sich mit Villen durchzumogeln, wenn man kein gutes Blatt auf der Hand hat.
Ein ganz anderes Spiel(en)
Anders liegt der Fall zwischen Big Boss und Alcazar. Durch das geänderte Spielziel haben wir es eigentlich mit zwei ganz verschiedenen Spielen zu tun, die auf demselben Spielplan und dem gleichen Spielmaterial basieren. Alcazar ist ein fast lupenreines Bauspiel, von Wirtschaftsthematik ist auf den ersten Blick keine Spur mehr zu entdecken. Wenngleich: Aus der Egoisten-Perspektive blieb die Aktien-Systematik mehr erhalten als bei Das neue Big Boss. Ich kann meine eigenen Adeligen – und damit ihren "Schlusskurs" aktiv buchstäblich in die Höhe treiben. Eine Gewinnbeteiligung anderer – und schlussendlich durch einen kontinuierlich gestiegenen Kurs auch zum eigenen Nutzen – ist bei Alcazar allerdings ausgeschlossen.
Wer Big Boss wegen seiner Vorzüge liebt, wird vom Angebot Alcazar deshalb auf den namensgebenen Teil der beiden Varianten zurückgreifen.
Apropos Varianten. Durch den direkten Vergleich drängen sich für die Besitzer eines der beiden oder beider Spiele zwei Möglichkeiten geradezu auf. A) Big Boss mit einer Auslage von sechs Karten zu probieren oder B) Das neue Big Boss ohne Auslage, also nur mit einem verdeckten Stapel für Zahlenkarten zu spielen.
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Nr. 1051: Das neue Big Boss |
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Spielwiese-Code | |
2009: Kosmos |
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Themen: Bauen, Wirtschaft, Burgen
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Spielanleitung zum Download |
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Rund ums Spiel
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Nr. 1052: Alcazar |
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2009: Kosmos |
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Themen: Bauen, Burgen
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Rund ums Spiel
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