2. FEBRUAR 2017
Es gibt zwei Must-be-there-Veranstaltungen im Jahr. Die Nürnberger Spielwarenmesse hat einen großen Vorteil. Wir Fachjournalisten können von Nürnberg aus den Spielefans guten Gewissens den Mund wässrig machen. Denn: Was dort vorgestellt wird, kommt in der Regel auch tatsächlich zu den Konsumenten bzw. ist es für sie meist einfach, die auf der Messe in Nürnberg präsentierten Spiele zu kaufen. Weil der Nürnberg-Besucher klassischer Händler ist.
| Zahlreiche Spieleprojekte sind wie die Katze im Sack. |
Ohne die andere Veranstaltung herunterzumachen – nichts läge mir ferner! – ist der gravierende Unterschied zu den Spieltagen in Essen der, dass sich in Nürnberg weder Fachbesucher, Journalisten noch die zuhause neugierig gemachten Konsumenten mit Fragen beschäftigen müssen wie: Ist ein neues Spiel womöglich ein Kickstarter-Projekt? Muss ich vorher was zahlen und kaufe aber die Katze im Sack? Ist der Verlag womöglich nur virtuell? Gibt’s dann tatsächlich auch eine deutsche Version? Muss ich wirklich an Ort und Stelle in Essen sein, um ein Exemplar einer Kleinauflage zu ergattern? Und, und, und …
Es sind zwei ganz unterschiedliche Veranstaltungen. Beide mit speziellen Stärken.
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Nichtsdestotrotz gibt es Sonderfälle, was die Verfügbarkeit von Produkten betrifft. Es liegt in der Natur einer internationalen Fachmesse, dass neue Verlage (auf der Messe) noch einen Vertriebspartner in Deutschland, in der Schweiz oder Österreich suchen. Das wird dann auch ohne Umschweife kommuniziert. Ein Beispiel ist The Brainy Band aus Estland. Solide Lern- und Kinderspiele in erstaunlicher Zahl. Zwei davon sind bereits in einer deutschen Ausgabe produziert. Vorsorglich. Bei anderen werden bei einer Bestellung die Schachtel mit einem deutschsprachigen Aufkleber versehen und eine deutsche Spielanleitung hineingesteckt. Da sind die Balten so unkompliziert wie pragmatisch.
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Erfreulich pragmatisch können auch Franzosen sein. Bioviva, Spieleverlag mit Nachhaltigkeitsmission, ist schon seit Jahren dem einen oder anderen mit seiner Quartett-ähnlichen Serie zu den Wundern der Natur geläufg. Im Frühjahr peppen sie den zugrunde liegenden Spielgedanken als Herausforderung Natur Chrono mit Spielbrett und Würfeln auf. Die Spielkarten sind ähnlich in der Grundserie, tragen aber jeweils drei zusätzliche Symbole für die Würfel, um bestimmte Spielaktionen zu ermöglichen. Weil sich für das neue Spiel prinzipiell jede bisherige Herausforderung Natur-Spielkarte eignet, wird Bioviva einen Bogen mit kleinen Stickern anbieten. Damit lassen sich dann auch Karten integrieren, die man schon hat.
Weder alltäglich, noch selbstverständlich.
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The Brainy Band fällt noch aus einem anderen Grund auf. Die Spiele sind in kräftiger Farbe gehalten, ohne schreierisch zu wirken. Man muss und will sich unterscheiden. Eine hohe grafische Qualität findet man deshalb sehr oft bei Exoten, Außenseitern und kleinen Spieleentwicklern. Dazu gehört auch Helvetiq, Schweizer mit dem Sloagan "Spielen mit Design". Wie die Esten und andere haben die Schweizer (noch) nicht einen großen Vertriebspartner. Sie arbeiten momentan mit einem kleinen Spezialdistributeur in Deutschland zusammen, der unter anderem in Museumsshops liefert.
Zwar könnte man die Spiele auch direkt in Web-Shop von Helvetiq bestellen, meint der junge Mann am Messestand in Nürnberg, um schon im nächsten Atemzug davon abzuraten: „Das macht aber nicht viel Sinn beim Kurs des Franken. Und dann kämen ja noch die Versandkosten dazu.“
So ehrliche Kundenabwehr findet man selten.
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