Kamele tanzen aus der Reihe
Wettlauf in Chinas Osten: Am Ende gewinnt der Glücklichste.
Hübsch, aber mit einem unsäglichen Ende versehen ist das klassische Familienspiel Auf den Spuren von Marco Polo.
Was ist klassisch daran? Auf den Spuren von Marco Polo hat die Zutaten und die Aufmachung eines Familienspiels alter Tradition: Ein Thema, das nirgendwo aneckt, ein Mechanismus, der schnell erklärt und durchschaut ist, eine Chancenverteilung, die auf den ersten Blick gerecht erscheint. Jung und Alt können damit.
Vordergründiges Ziel ist als Erster auf das Feld Daidu, der alte Name für das heutige Peking, zu gelangen. Wie weiland der berühmte Entdecker. Spannung zu erzeugen, wird einmal mehr dadurch bewirkt, dass die Mittel fürs Vorwärtskommen künstlich verknappt sind. Statt mit Würfeln geben die Spieler ihren Kamelen mit Karten Anschub: Jedes Feld verlangt eine bestimmte Kartenkombination, die ausgespielt werden muss, damit es betreten werden darf. Diese Karten gibt es nicht unbeschränkt, sondern können entweder aus der Auslage mit stets fünf offenen Karten oder verdeckt vom Nachziehstapel bezogen werden. Auf elf der 31 Zugfelder wird man mit Goldstücken belohnt. Wer am Ende die meisten hat, ist Sieger.
Dass auf jedem Feld immer nur eine Kamelkarawane = 1 Spieler stehen darf, hat seine Vor- und Nachteile. Besetzte Felder werden einfach übersprungen und man erspart sich dafür die Kosten. Allerdings kann man auch nichts ernten, wo ein anderer Spieler schon war. 13 Felder sind von besonderer Bedeutung für die beiden Etappenwertungen. Sie sind von 1 bis 6 bzw. 1 bis 7 nummeriert. Ihre Zahlen werden mit zusätzlichen Goldstücken ausgeschüttet, wenn man bei einer Wertung mit seiner Karawane drauf steht.
Auf einer verhältnismäßig kurzen Laufstrecke hat der Autor Reiner Knizia ein sehr dichtes Spiel ersonnen. Denn die Überspringen-Regel lässt für die Nachzügler einigen Spielraum. Gleichzeitig verhindert das Prinzip, dass man für jedes zu betretende Feld eine bestimmte Kartenkombination braucht, das Davonziehen eines Einzelnen. Meistens.
Gefragt sind unterschiedliche Kombinationen aus Warenkarten. Es gibt grundsätzlich die vier Sorten Öle, Gewürze, Seide und Obst, und die in fünf Farben. Dazu noch 15 Karten mit Karawanenführern in drei Farben. Auf dem einem Feld sind Karawanenführer gefragt, auf einem anderen gleiche Waren, wieder auf einem anderen beliebige Karten einer Farbe usw.
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Welchen Einfluss hat das Thema auf den Erfolg eines Spiels? Dazu erhielten Abonnenten der Spielwiese im Dezember 2004 ein Sonderheft, in dem dieses Spiel mit eine Spiel ähnlicher Thematik (In 80 Tagen um die Welt) verglichen wurde. Das Sonderheft steht zum Herunterladen zur Verfügung. |
Es gibt zwei Taktiken in diesem Spiel und beide können, müssen aber nicht zwangsläufig zum Erfolg führen. Die eine ist, dass man möglichst viele Karten auf der Hand sammelt, um sie im entscheidenden Moment auszuspielen. Das Risiko ist, dabei den Anschluss zu verlieren. Die andere Taktik ist, sich Stück für Stück fortzubewegen. Dabei geht man das Risiko ein, von den anderen überholt zu werden bzw. dass Felder, auf die man gespickt hat, von den anderen vorher "abgeerntet" werden.
Wie man nun Auf den Spuren von Marco Polo spielt, hängt stark vom Verhalten der übrigen Spieler ab. Irgendwie müssen sich alle einander anpassen. Für Notfälle, wenn man den Anschluss verpasst hat, oder für ganz besonders gefinkelte Züge kann man für das Opfer eines Goldstückes ein freies Feld überspringen. Das ist auf längere Sicht oft billiger als zu warten, bis man endlich die eine oder mehrere passende Karten nachgezogen hat, die man sonst für den Vorwärtssprung brauchen würde. Vor allem dann, wenn man die Kombination für das darauf folgende freie Feld schon auf der Hand hat.
Dieses Familienspiel ist zweifellos kurzweilig und verläuft oft spannend. Ein Ärgernis ist allerdings der Schluss. In sehr vielen Partien haben es zwei oder sogar alle Spieler geschafft, unmittelbar hintereinander vor Daidu zu stehen: Für jeden ist dieses Feld also das nächst freie. Sie alle ziehen nun eine Karte nach der anderen nach, bis der Erste die geforderten vier gleichen Warenkarten hat. Da ist einfach zu viel Glück dabei! Sich zwei Etappen bzw. rund 20 Felder lang mühsam zu plagen, um zu Vorteilen zu gelangen, und dann am Ende einfach Pech zu haben – das kann's nicht gewesen sein!
Einfache Gemüter mag das wenig stören. Spieler, die ein bisschen Anspruch haben und ein wenig Spielerehre besitzen, finden diese unsägliche Schlussregelung jedoch unbefriedigend.
Test 902: Auf den Spuren von Marco Polo
- Laufspiel für 2 bis 5 Spieler ab 8 Jahre
- Ca.-Preis: 20 €
- Verlag: Ravensburger
- Autor: Reiner Knizia
- Thema/Umfeld: Vordergründig die Expedition Marco Polos als Wettlauf, allerdings gewinnt, wer unterwegs mehr Goldstücke gesammelt hat
- Zielgruppe: Familien
- Spieldauer: 40 Minuten
- Spielmaterial: sehr gut und stimmig
- Schachtelinfo: gibt das Spiel in Grundzügen wieder
- Spielanleitung: gut
- Anspruch: kein besonderer, Taktik hängt auch von der Spielweise der Mitspieler ab
- Spielreiz: guter Durchschnitt, vor allem bei "normalen" Spielern
- Glück: hoch, am Schluss zu hoch