Farbige Nachbarschaft
Der Titel trägt dick auf. Er fordert geradezu dazu auf, ordentlich an der Oberfläche zu kratzen.
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Die Spielsteine: Jede Doppelsteinhälfte kann bis zu fünf Nachbarn haben. Werden so gleichartige Symbolen in direkter Linie gesetzt, erhält man dafür entsprechend viele Punkte. | ||
Je nach Spieleranzahl steht der Platz entweder bis zum äußersten oder zu einem inneren Wabenring zur Verfügung. | ||
Gehen wir einmal davon aus, dass auch die Jury Spiel des Jahres das getan hat. Ergebnis: Sie hat Einfach genial (trotzdem?) 2003 auf die Nominierungsliste gesetzt.
Genial? Laut Duden bedeutet das großartig. Najaa da lässt sich doch Einiges einwenden. Denn primär ist das Spiel ein Farbenlegespiel wie andere auch. Da hätte beispielsweise auch Chromino (Spielwiese 67) einen Listenplatz verdient.
Einfach? Schon, wäre da nicht die für viele doch verwirrende Zielwertung am Ende. Aber schön der Reihe nach.
Das Spiel kommt an, weil man rasch den Einstieg findet, man tüfteln kann (was zu Lasten der jeweils Wartenden geht!) und sich sehr schnell Punkte sichert. Auch die relativ kurze Spieldauer von einer halben Stunde (opder etwas mehr, abhängig von der Spieleranzahl) ist kein Nachteil. Allen Unkenrufen zum Trotz: Obwohl es ein abstraktes Spiel ist, gefiel es vielen Testspielern überaus gut. Es muss also nicht immer ein Thema sein.
Bleiben wir beim Tüfteln. Das ist notwendig, weil man natürlich das Optimum an Punkten herausholen will und es sehr oft sehr viele Möglichkeiten gibt, einen Stein sinnvoll zu legen. Ein Stein besteht aus zwei aneinandergefügte Bienenwaben, jedes der Sechsecke zeigt eine Farbe. Jedes der beiden Sechsecke wird nach dem Legen sofort und separat gewertet: Befindet sich ein Sechseck der selben Farbe in unmittelbarer Nachbarschaft, gibt es dafür einen Punkt. Folgt in direkter Linie noch eines, gibt es einen weiteren Punkt usw. Da jedes Sechseck eines Steins fünf Außenkanten hat (der Nachbar auf dem eigenen Spielstein zählt nicht), kann theoretisch in fünf Richtungen gewertet werden. Durch geschicktes Platzieren kommen so massig Punkte zusammen.
Auf der Ablegebank hat jeder Spieler sechs Steine zur Auswahl. Wer an der Reihe ist, platziert einen davon, wertet und zieht aus dem schwarzen Sack einen neuen Spielstein nach.
Das Umfeld
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Im Laufe der Jahre sind unzählige abstrakte Legespiele auf den Markt gekommen, die mit Einfach genial eine gemeinsame Wurzel haben: Domino. Dieser Überblick zum Umfeld, in dem sich das Knizia-Spiel bewegt, ist deshalb keineswegs vollständig. Ausgewählt wurden Spiele, die gewisse Parallelen aufweisen oder sich über einen längeren Zeitraum ihre Fans aus guten Gründen erhalten konnten. Ein stiller Favorit, der vor allem durch Mundpropaganda seine Käufer findet, ist Blokus Classic (Sekkoia). Einfache Idee und sehr spannend. Man könnte das Spiel auch die Brettversion des Computerklassikers Tetris nennen, weil die Formen der Spielsteine am ehesten damit zu vergleichen sind: Gebilde aus einem bis fünf zusammengefügten Quadraten. Hier treten bis zu vier Spieler von jeweils einer Ecke des Spielbretts gegeneinander an: jeder in seiner eigenen Farbe. Die 21 Steine jeder Farbe sollten nach Möglichkeit alle gelegt werden – für jedes nicht gelegte Quadrat gibt es einen Minuspunkt. Gelegt werden darf allerdings nur immer so, dass der neue Stein einen bereits liegenden mit einem oder mehreren Eckpunkten berührt. Folge: Der Platz auf dem Spielbrett wird immer knapper, man kommt sich in die Quere und irgendwann geht nichts mehr. Wie bei Einfach genial kam es auch beim nicht mehr regulär erhältlichen Top it (Goldsieber) auf die möglichst Gewinn bringende Nachbarschaft an: Legesteine unterschiedlicher Form mussten so angelegt werden, dass die eigene Kantenlänge genau der eines oder mehrerer bereits liegender Steine entsprach. Jeder Stein hatte seine Punktezahl, beim Anlegen bekam man die Punkte des neuen Steins und die seiner unmittelbaren Nachbarn gutgeschrieben. Nachbarschaft nach dem Domino-Prinzip spielt bei Chromino (Piatnik, Spielwiese 67) die Hauptrolle: Zu Spielbeginn wird ein Stein mit drei verschiedenen Farben als Startstein aufgelegt. Jeder Spieler zieht verdeckt acht Steine aus dem Beutel und stellt sie vor sich auf. Ein neu gelegter Stein muss an zwei Seiten farblich übereinstimmend an bereits liegende Steine angrenzen. In direkte Linie bringen heißt es wie bei Einfach Genial auch bei Take it easy (F.X. Schmid bzw. Ravensburger, Spielwiese 26). Spielmaterial sind Sechsecke mit drei durchgehenden, sich kreuzenden Linien in verschiedenen Farben. Jede Farblinie hatte einen Zahlenwert, der mit der Anzahl der Sechsecke, die aneinander gelegt werden konnten, multipliziert wurde. Bei Tantrix (Tantrix) wiederum sind es ebenfalls Sechsecke mit durchgehenden Linien, diese aber geschwungen. Ziel ist eine möglichst lange Linie in der eigenen Farbe oder gar einen Ring zu bilden. Aber das Problem ist, dass sofort ein zweites Sechseck gelegt werden muss, sobald ein freier Platz von drei Plättchen umgegen ist. Ein anderes Ziel mit Linien wird mit Legespielen à la Ta Yü (Kosmos, Spielwiese 53) verfolgt, nämlich Verbindungen herzustellen. Bei Ta Yü spielen zwei Spieler gegeneinander, die mit zufällig gezogenen Steinen möglichst viele Zielpunkte an den ihnen zugeteilten Seiten des Spielplans erreichen müssen. |
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Gewertet wird auf einer Punktetafel, die ebenfalls jeder Spieler vor sich liegen hat. Sie zeigt für jede der sechs Farben eine Reihe, jede Reihe reicht von 0 bis 18 Punkte. Für die Schlusswertung und damit den Sieg ist es aber nicht wichtig, in einer oder mehreren Farben die 18 erreicht zu haben. Entscheidend ist nur jene Farbe, mit der man an wenigsten Punkte erzielt hat. Wer mit seiner niedrigsten Position unter allen Spielern den höchsten Punktestand erreicht hat, ist Sieger. Die Farbe des Steins spielt dabei keine Rolle.
Wie war das noch mal mit einfach?
Also, weil man hier um die Ecke denken muss, ein anderer Erklärungsversuch: Wer seinen schlechtesten Wertungsstein am weitesten vorne hat, hat gewonnen. Daraus leitet sich als Strategie ab, dass man unter allen Umständen danach trachten muss, mit allen Farben gut zu punkten. Ein paar Zusatzpunkte in einer Farbe zu machen, mit der man ohnehin schon viele Punkte erreicht hat, ist in vielen Fällen wenig sinnvoll. Auch wenn es sich gerade anbietet – vielleicht gibt es in der nächsten Runde die Chance noch immer. Denn es bringt über kurz oder lang meistens mehr, vorher einem Nachzügler auf die Sprünge helfen. Chancen nutzen, heißt die Devise: Denn man kann nie wissen, ob und wann man einen Stein in der Farbe nachzieht, mit der man hinterher hinkt. Manchmal wartet man vergeblich oder die Möglichkeit in dieser Farbe zu respektablen Punkten zu kommen ist passé, weil der Platz schon von einem anderen Spieler belegt wurde.
Fazit
Einfach genial ist ein ordentlicher Nervenkitzel, speziell bei vier Spielern.
Nr. 863: Einfach genial |
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Spielwiese-Code | | G | 10 | | |
2004: Kosmos |
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Themen: abstrakt
Preis-Leistungsverhältnis |
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-Service:Spielanleitung zum HerunterladenNotizblock der Kritiker: Was andere zum Spiel meinen |
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Auszeichnungen
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