Was die Spieleverlage vom neuesten VW Golf lernen können, beleuchtet Spielwiese-Herausgeber Arno Miller in einer Bilanz der Spielwarenmesse in Nürnberg.
Was ist aus Spielersicht von der 64. Nürnberger Spielwarenmesse zu halten, die am Montag zu Ende geht?
Die erste gute oder schlechte Nachricht – je nach Perspektive – lautet: so wenige Neuheiten bei Spielen wie schon lange nicht. Das macht alles zumindest einmal übersichtlicher.
Die zweite gute oder schlechte Nachricht – je nach Perspektive – lautet: So viele Recycling-Ideen wie selten zuvor. Gut: Bewährtes hat seinen Bestand, wenn auch unter anderem Namen bei einem anderen Verlag. Schlecht: Innovative Ideen muss man mit der Lupe suchen.
Das bestimmende Thema dieser Messe ist die Verknüpfung von traditionellem (um nicht zu sagen: alten) Spielen mit den digitalen Welten von heute, sprich: Smartphones und Tablets, also „mobile devices“. Ob sie nun Apple- oder Android-gesteuert sind, das ist fürs Erste völlig egal. Es ist ein guter Schachzug der Messe, die Zeichen der Zeit unter dem Schwerpunkt „Toys 3.0“ zu thematisieren. Die Entwicklung war allerdings schon genau vor einem Jahr in Nürnberg ebenfalls Gesprächsstoff Nummer 1 und kaum ein (Spiele-)Hersteller, der nicht irgendwas dazu im Angebot hatte.
Ich habe in den zwölf Monaten, die seither vergangen sind, allerdings niemanden kennen gelernt, der tatsächlich von diesem Angebot Gebrauch gemacht hätte. Der sich ein Spielbrett hingelegt hätte, darauf unter Anweisung eines Smartphones oder iPads eine Figur bewegt und anschließend diesen Vorgang am dem „mobile Devise“ bestätigt hätte. Wozu auch, es ist einfach Schwachsinn.
Die Spielehersteller sind 2013 deshalb auch etwas verhaltener geworden, was die Einbindung von Digitalismus – nur weil er technisch prinzipiell möglich ist – in Brett- und Kartenspielwelten betrifft. Wenn, dann sollte der Nutzen für den Konsumenten klar erkennbar sein. Es sollte Sinn machen.
Nehmen wir als positives Beispiel Ravensburger. Die Firma hat in der Vergangenheit viel Geld versenkt, als sie aufwändig und großmundig Elektronik im Spiel ausprobierte. Das Lehrgeld für King Arthur oder Die Insel kommt ihr nun allerdings zugute, wenn sie digitale Elemente nicht nicht mehr zum Selbstzweck einbaut, sondern als gewisses Extra integriert. 2012 war das bei Schnappt Hubi! der Fall und findet 2013 bei Kakerlak die Fortsetzung.
Beides sind Kinderspiele. Im Familien- und Erwachsenenbereich bringt Ravensburger im Herbst zum 30. Geburtstag eine Scotland Yard-Ausgabe mit Elektronik. Man muss sie nicht, man kann sie wahlweise nutzen. Dann kritzelt der Mister-X-Spieler nicht mehr Zahlen aufs Papier, sondern agiert geheim vom iPad aus. Macht Sinn, macht für ihn einiges einfacher. Und die Spieler, die die Verfolger sind, erhalten durch das weitergereichte Gerät den Vorteil von bestimmten zusätzlichen Informationen zum Aufenthaltsort von Mister X, wenn sie mit der Kamera über das Spielfeld fahren. „Augmented reality“, die ebenfalls Sinn macht und nicht einfach aufgesetzt ist. Scotland Yard „3.0“ als Ausschöpfung von Möglichkeiten ohne Technologie-Verklärung. Der originäre Erlebnischarakter eines Brettspiels bleibt erhalten.
Die Brettspielbranche tut gut daran, sich an diesem Weg zu orientieren. Was ihre Produkte unverwechselbar macht, ist nicht technischer Schnickschnack, sondern das unmittelbare Gemeinschaftserlebnis.
Ein Golf fährt sich auch in der siebten Generation wie ein Golf. Weil er dieses Versprechen einlöst, wird er gekauft, und nicht weil noch mehr Elektronik drin steckt wie in seinem Vorgängermodell.
Arno Miller
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