Augenscheinliches Teamwork
Eines der schönsten und erfolgreichsten Kinderbücher gibt es auch als Kinderspiel.
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Ein Berlin voller Litfasssäulen! Wie im Kinderroman nutzen sie auch hier Emil und seine Freunden bei der Verfolgung des Bösewichts. | |
Unvergessen sind die verblüfften Gesichter in der legendären Verfilmung von 1931 (Drehbuch: Billy Wilder!), als Emil Tischbein in letzter Sekunde einfällt, dass sein 100-Mark-Schein ein unverwechselbares Merkmal aufweist: Winzige Löcher, weil er den Geldschein mit einer Nadel in seinen Anzug geheftet hatte. Der Dieb, Herr Grundeis, ist damit überführt und Emil ist der Held.
Diese Schlüsselszene bleibt im Spiel Emil und die Detektive ausgespart. Die Brettspiel-Umsetzung beschäftigt sich mit dem "Davor", das auch im Kinderbuch von Erich Kästner den größten und spannendsten Teil einnimmt: Die Verfolgung des Bösewichts quer durch Berlin. Wie im Buch ist es Teamwork einer Gruppe von Kindern. Mal verschwindet Herr Grundeis in ein Café, mal nimmt er unvermittelt eine Straßenbahn und die Verfolger müssen schauen, ihm auf den Fersen zu bleiben.
Emil und die Detektive erinnert stark an Scotland Yard bzw. Agentenjagd (Spielwiese 1/88, das Helmut Walch mit Christian Raffeiner damals für Piatnik realisierte): Ein Spieler taucht in der Stadt unter und die anderen Spieler müssen zeitgleich auf jenes Feld gelangen, auf dem sich der Gesuchte gerade befindet, um zu gewinnen.
Aber hier sind es nicht Verkehrsmittel, die als Hinweise die Spur des Flüchtigen markieren. Bei Emil und die Detektive muss der Spieler von Herrn Grundeis auf ein Detail hinweisen, das sich unmittelbar bei seinem Standort befindet. Bestimmend für das Spiel ist sein Aufbau, der sich mit Litfasssäulen und Straßenszenen am Buch bzw. dem berühmten gelben Buchdeckel orientiert. Herr Grundeis versteckt sich quasi hinter einer der 34 Litfasssäulen, einmal ist seine Spielfigur diese, dann wieder jene Säule. Natürlich sehen alle gleich aus; nur eine Säule hat auf der Unterseite das Bild von Herrn Grundeis.
Die Jäger wissen, von wo aus er startet. In jedem Zug würfelt Herr Grundeis offen, um wie viele Säulen er seine Postion wechseln kann. Wenn anschließend seine Spielfigur mit der einer normalen Litfasssäule gewechselt wird, ziehen die Verfolger einen Sichtschutz auf. Danach verrät Herr Grundeis beispielsweise: "Ich sehe einen Hund." Mann, Frau, Kind und Hund sind in verschiedenen Kombinationen auf den Kärtchen abgebildet, die zwischen den Litfassäulen stehen und Straßenszenen darstellen. Herr Grundeis gibt als Tipp immer nur eine Person bzw. den Hund bekannt. Sie müssen auf dem direkt vor seiner Litfasssäule befindlichen Kärtchen sein. Die verfolgenden Kinder sitzen auf der gegenüberliegenden Seite des Spielfelds und sehen die Rückseiten der Kärtchen mit den selben Motiven von ihrer Richtung aus. Ihre Figuren stellen sie auf die Säulen und haben sozusagen den Überblick. Nacheinander würfeln auch sie und versuchen so, dem Bösewicht den Weg auf die andere Seite des Spielbretts abzuschneiden.
Dadurch müssen die Kinder zusammenarbeiten und sich beraten, wer welchen Weg einschlägt. Das Spielziel ist kooperativ: Wird Herr Grundeis gefangen, haben alle anderen gewonnen, gelingt Herrn Grundeis die Flucht, haben alle anderen gemeinsam verloren.
Es ist eine sehr intelligente Umsetzung des Romans bzw. des Themas. Sie ist bis ins Detail stimmig und dementsprechend dicht ist die Atmosphäre, die bei Emil und die Detektive aufkommt. Vor allem, wenn man das Buch kennt bzw. eine der Verfilmungen. Gefragt sind Kombinationsgabe und Teamfähigkeit.
Woran es allerdings etwas hapert, ist die Fragilität des Spiels: Schnell ist mal da ein Kärtchen umgeschmissen oder fällt eine der Säulen oder Spielfiguren. Denn aus Kostengründen ist das Spielfeld recht klein und eng.
Test 871: Emil und die Detektive
- Kooperatives Deduktionsspiel für 2 bis 4 Spieler ab 7 Jahre von Helmut Walch bei Schmidt Spiele.
- Ein Spieler ist der Bösewicht, der von einer Seite auf die andere will. Die anderen müssen ihn gemeinsam aufhalten, indem sie seine Position ausfindig machen. Dazu dienen Hinweise, die der Dieb liefern muss.
- Thema/Umfeld: Spiel zum Kinderbuch; Emil und seine Freunde müssen den Dieb ausfindig machen
- Spielreiz: durchschnittlich; höher bei jenen, die Buch oder Film kennen
- Material: gut, aber alles etwas eng
- Ca.-Preis: 23,– €