Handwerker-Geld für Adeligen-Kauf
Es ist spannend, weil keineswegs leicht zu gewinnen: Beim Spiel Sankt Petersburg ist zu jedem Zeitpunkt die optimale Chancenverwertung notwendig.
Die Zarenstadt St. Petersburg entsteht. So besagt die rund um das Spiel geknüpfte Geschichte. Irrglaube 1: Sankt Petersburg ist ein Bauspiel. Irrglaube 2: Sankt Petersburg ist ein Brettspiel. Das Spielbrett dient nur zur besseren Übersicht und Handhabung. Sankt Petersburg ist ein Kartenspiel.
Im Grunde genommen gibt es von den vier Arten von Karten nur drei verschiedene: Handwerker, die für den imaginären Städtebau unverzichtbar sind, Adlige, die das Geld beisteuern (was in der Wirklichkeit des Spiels nur unteregordnete Bedeutung hat), Bauwerke, die als Belohnung der "Errichtung" auf der Wertungsleiste ihre Punkte beisteuern. Auf die höchste Punkteanzahl am Ende kommt es an. Das ist weit weniger originell als der Weg dorthin.Die vierte Kartenart sind die Austauschkarten, die auf die Handwerker-, Adligen- oder Bauwerke-Karten verstärkende Kraft ausüben.
Keine Angst, hier kommt keine Magie ins Spiel. Sankt Petersburg ist ein zutiefst rationales Wirtschaftsspiel, bei dem das Geld regiert. Sinngemäß sind es hier Rubel. Rubel braucht man zum Karten kaufen. Wie die meisten heutigen Spiele basiert die Spannung auf einer künstlichen Verknappung, in diesem Fall von Geld. Denn Karten zum Aussuchen gäbe es im Spielverlauf stets genug. Aber sie müssen ja auch bezahlt und vor sich abgelegt werden, damit sie später wieder neues Geld in die Kasse spülen oder dem Spieler zu Punkten verhelfen.
Eine Spielrunde verläuft in vier Phasen. In jeder Phase steht eine der Kartenarten mit ihren Besonderheiten im Mittelpunkt. Den Beginn machen die Handwerker-Karten. Pro Spieler werden zwei Handwerker-Karten vom verdeckten Stapel offen in die obere Reihe des Spielbretts gelegt. Reihum hat jeder Spieler die Möglichkeit eine Karte zu kaufen. Dann noch einmal. Man tut gut daran, dies auch zu tun, auch wenn sie zum Teil teuer sind, denn die grünen Handwerker-Karten sind die späteren Geldbringer. Es gäbe noch drei andere Möglichkeiten, die für das gesamte Spiel gelten: Man nimmt eine Karte vorerst auf die Hand, um sie später einzusetzen. Oder man spielt eine Karte von der Hand aus oder man passt. Wenn man wieder an der Reihe ist, darf man erneut eine Aktion ausführen. Erst wenn alle Spieler unmittelbar nacheinander gepasst haben, ist diese Runde vorbei und es geht zur Gewinnausschüttung: Jede ausgelegte Handwerkerkarte bringt drei Rubel von der Bank.
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Die Autorenangabe Michael Tummelhofer ist ein Pseudonym. Erfinder ist der gebürtige ![]() Bemerkenswert zu Sankt Petersburg ist auch eine gewisse Seelenverwandtschaft mit San Juan, der Kartenspielversion des Alea-Spiels Puerto Rico von Andreas Seyfarth. Nicht nur, dass es bei beiden Spielen um die imaginäre Errichtung einer Stadt geht: Beides Mal übernehmen Karten zum Teil verschiedene Aufgaben und es gibt mehrere Phasen mit verschieden gewichteten Aktionsmöglichkeiten. Auch der Austausch von Karten ist eine Parallele, lässt sich aber direkt nicht vergleichen. Es sind zwei eigenständige Entwicklungen moderner Kartenspiele. Seyfahrt ist übrigens Autor von Manhattan und ein Freund Brunnhofers. In der Spielregel von Sankt Petersburg wird ihm neben anderen Testspieler gedankt. |
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Nicht in der ersten Runde, aber in den folgenden wird es passieren, dass am Ende einer Runde Karten auf dem Spielplan übrig geblieben sind. Sie passten den Spielern nicht ins Konzept oder waren nicht bezahlbar. Diese Karten wandern nun in die untere Reihe des Spielplans und stehen auch in der nächsten Phase zum Verkauf. In der unteren Reihe sind sie jedoch immer einen Rubel billiger als angegeben. Die obere Reihe wird nun vom Stapel der nächsten Kartenart immer um so viele Karten gefüllt, bis insgesamt acht Karten auf dem "Verkaufspult" liegen.
Nach den Handwerkern kommen die Bauwerke-Karten. Sie sind ungleich teurer und bringen bei der Abrechnung am Phasen-Ende oft direkt Punkte für die Wertungsleiste. Die Adligen-Karten von Phase drei bringen ad hoc aber vor allem ein paar Rubel. Ihr oft Spiel entscheidender Zweck kommt aber erst ganz zum Schluss zum Tragen: Je mehr unterschiedliche Adlige man hat, desto höher fällt dies bei der bei der Endabrechnung aus.
In der vierten Phase einer Spielrunde wird der Spielplan mit Austauschkarten ergänzt. Sie sind das Salz in der russischen Suppe. Wird eine ausgelegt, muss eine gleichartige dafür abgegeben werden. Ein Beispiel: Die Karte Schreinerei ersetzt eine Karte Holzfäller. Die Schreinerei ist zwar um einen Rubel teurer und bringt bei jeder Handwerker-Abrechnung auch nur drei Rubel in die Kasse, aber mit ihr wird der Kauf jeder Bauwerke-Karte ab sofort um einen Rubel billiger. Nicht zu verachten ist auch die Karte Steuereintreiber: Mit ihr erhält man bei jeder Adligen-Wertung einen Rubel für jede ausliegende Handwerker-Karte. Damit ist man für die folgende Verkaufsrunde schon wieder ein bisschen liquider.
Sankt Petersburg beinhaltet eine Fülle an Sonderfunktionen, um entweder Geld zu sparen oder seine Position zu stärken. Darunter leidet der Überblick beim ersten Spiel, der Einstieg ist zugegebenermaßen deshalb auch nicht ganz einfach. Aber schon in der zweiten oder dritten Spielrunde ist der an sich einfache Spielablauf kein Problem mehr und die meisten Karten sind selbsterklärend: Oben links steht immer der Kaufpreis, unten stehen Geld und/oder Punkte, die man mit dieser Karte gewinnt bzw. bei fast allen auch ihre Sonderfunktion.
Einfach zu spielen ist Sankt Petersburg allerdings nicht. Ein großer Punkterückstand ist praktisch uneinholbar. Man sollte sich deshalb schon von Beginn an eine Strategie zimmern, unabhängig davon welche Karten dann tatsächlich aufgedeckt werden. An möglichst vielen Handwerker-Karten kommt kein Spieler herum, aber es macht einen Unterschied, ob man sein restliches Geld eher in Bauwerke oder Adlige investiert – und vor allem in welche speziellen Karten und zu welchem Zeitpunkt! So ist beispielsweise das Gebäude Erlöserkirche um 16 Rubel unverschämt teuer, es bringt jedoch pro Runde zwei Rubel und vor allem vier Punkte. Die um zwei Rubel teurere Hofmeisterin bringt nur drei Punkte pro Runde, dafür aber sechs Rubel – und der Geldbeutel ist wieder gefüllt.
Es es ist ein ständiges Abwägen, wie man mit seinem Geld umgeht. Gefährlich ist jedenfalls die Taktik, gute Karten anderen dadurch wegzuschnappen, indem man sie erst einmal auf die Hand nimmt: 1. spielt man sie aus, muss der volle Kaufpreis bezahlt werden; 2. dieses Geld hatte man vermutlich vorher schon nicht und fehlt auch jetzt, weil andere Angebote gar so verlockend waren; 3. Austauschkarten können womöglich nicht mehr eingesetzt werden, 4. jede Karte, die man am Spielende auf der Hand hat, bringt unerbittlich fünf Punkte Abzug!
Einmal im Spiel drin, geht Sankt Petersburg zügig voran. Es ist vom Spielspaß her kein Unterschied, ob man zu zweit, zu dritt oder viert spielt.
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Nr. 857: Sankt Petersburg |
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Spielwiese-Code | |
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Themen: Städte, Handwerk, Entwicklung |
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Auszeichnungen
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