Mexikaner mit Fähigkeiten zum Fliegen und Beamen
Das deutsche Autorengespann Kiesling/Kramer variiert sein Thema der Besiedelung erneut. Dieses Mal verschlägt es die Spieler nach Mexiko.
Aus Die Spielwiese 66 (2002)
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Das Spiel gegen Ende: Von der Insel ist fast nichts mehr zu sehen, dafür jede Menge Gebäude, die jeweils innerhalb eines Bezirkes stehen: Wer dort mehr Stockwerke hat, punktet. Bilder: Spielwiese |
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Gedränge: Zusatzpunkte gibt es, wer am Ende eines Durchgangs seine Figur in den Startbezirk bringt. |
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Wir erinnern uns: Da gab es vor nicht allzu langer Zeit ein Spiel des Jahres namens Tikal. Dann kam die Fortsetzung für hochklassige Spieler namens Java (Spielwiese 58). Mexica ist unverkennbar von gleicher Hand: Autoren und Grafiker Franz Vohwinkel bilden wieder ein Team. Mexica ist gottlob nicht ein noch schwierigeres Java, sondern siedelt sich wieder bei Otto Normalspieler an. Einige Elemente kommen einem trotzdem bekannt vor.
Fürs dritte Spiel in der losen Reihe braucht es keine dschungelerprobten Forscher und keine dreidimensional geeichten Plantagenbesitzer, es reicht aus, sich in die Rolle eines zweidimensional denkenden Landvermessers einzuspielen. Ort der Handlung könnte genau so gut auch Holland sein. Doch im Sinne der Optik geben das Volk der Mexica und die Besiedelung der Insel im Texocosee einfach mehr her.
Wir haben erneut eine Fülle und Vielfalt an Spielmaterial. Zentrum des Geschehens ist eine rasterförmig unterteilte Insel, von der die zwei bis vier Spieler jeweils die besten Gebiete wollen. Das heißt zum Ersten große Gebiete (Bezirke) und zum zweiten solche mit möglichst monokolorer Bebauung.
Am Anfang war die Insel
Von beidem ist zu Beginn nichts zu sehen, die Insel liegt brach. Wie bei den beiden vorangegangenen Spielen (aber auch etwa bei Torres, ebenfalls von Kiesling/Kramer), hat jeder Spieler am Zug sechs Aktionspunkte zur Verfügung, die er nach Gutdünken in verschieden teure Aktionen investiert. Um überhaupt einmal Bezirke entstehen zu lassen, muss die Insel durch so genannte Kanalteile parzelliert werden. Egal, wie groß das Kanalteil ist, ob es ein oder zwei Felder des Spielplans abdeckt, das kostet immer gleich viel Aktionspunkte. Ein Bezirk ist dann ein Bezirk, wenn die Landfläche vollständig von Kanälen oder dem See, also Wasserfeldern, umgeben ist. Dafür gibt es allerdings noch keine Punkte, auf die es schlussendlich ankommt.
Punkte erhält man erst, wenn man einen dieser Bezirke gründet. Zur Gründung muss man mit seiner Figur in diesem Bezirk stehen und in der Auslage ein passendes so genanntes Calpulli-Plättchen vorrätig sein. Hier heißt es: Augen auf! Es kann nur ein Bezirk gegründet werden, wenn die Anzahl seiner Felder mit einer der großen Zahlen der ausliegenden Calpulli-Plättchen übereinstimmt. Bei dieser Regel haben sich schon einige unbedarfte Spieler in den Finger geschnitten (im zweiten Durchgang werden sieben neue Calpuli-Plättchen aufgedeckt).
Ständig Augen offen halten heißt es, was die Standorte der gegnerischen Figuren und der Gebäude betrifft. Denn Punktevergaben werden in aller Regel mit anderen geteilt. Richtig satt Punkte machen kann man nur über die Gebäude. Dabei gilt die sattsam bekannte Mehrheitsberechnung, dieses Mal mit Stockwerken: Wer in einem Bezirk über mehr Stockwerke als andere verfügt, hat die Nase bei der Wertung vorne.
Kurz zu den Gebäuden: Sie gibt es in vier unterschiedlichen Höhen, sie zählen bei einer Wertung entsprechend unterschiedlich viel und kosten bei der Errichtung auch unterschiedlich viele Aktionspunkte. Am Beginn eines der beiden Durchgänge erhalten die Spieler die identische Anzahl und Zusammenstellung der Gebäude ihrer Farbe.
Gebäude dürfen von einem Spieler in dem Bezirk, in dem sich seine Figur befindet, an beliebiger Stelle errichtet werden. Weil das nicht immer allen Spielern klar ist, ein wichtiger taktischer Hinweis, der sich später bezahlt machen kann: In der Beginnphase gibt es noch große Flächen, weil die Kanalteile erst nach und nach ins Spiel kommen; auf einer dieser weiten Flächen, die noch nicht als Bezirke gegründet sind, kann man schon einmal vorsorglich "irgendwo" eine eigene Häusergruppe platzieren und diese im späteren Verlauf möglichst großzügig mit Kanalteilen eingrenzen. Die Gründung dieses Bezirks kann nachträglich erfolgen.
Zweimal werten
Die Wahrscheinlichkeit ist relativ hoch, dass die Mitspieler dieser Taktik wenig Bedeutung beimessen, weil vorläufig jeder sein eigenes mexikanisches Süppchen kocht. Aber egal, wo einmal die Bezirksgrenzen verlaufen werden: Mit einer Gebäudegruppe ist man wegen der Mehrheitsabrechnung selten schlecht beraten.
Die Taktik kann aber auch so aussehen: Solange noch nicht viele fixe Bezirksgrenzen bestehen, stellt man Gebäude zu Gebäuden von "starken" Spielern hin, um in sich abzeichnenden Bezirken mitzunaschen. Nicht vergessen: Jeder Bezirk wird insgesamt zwei Mal gewertet.
Mit Logik nicht beizukommen
Unlogisch sind bei Mexica drei Dinge. Kanalteile können völlig unabhängig vom Standort der Figur irgendwo in die mexikanische Pampa gelegt werden. Offenbar braucht es physische Anwesenheit und damit Körperkraft nur für den Bau von Gebäuden, aber nicht fürs Gräben ausheben. Während hier geheimnisvolle Telekinese am Werk ist, sind die Spielfiguren auch noch mit der Fähigkeit des Fliegens gesegnet. Um nur einen Aktionspunkt fliegt die Spielfigur – oder beamt sie sich? – von einer Brücke zur anderen. Noch schnelleren Positionswechsel erlaubt nur noch der Einsatz von fünf Aktionspunkten für "Mexica beliebig versetzen". Auch willkürlich, aber wenigstens ehrlich willkürlich.
Ansonsten gilt: Einmal abgegrenzte Bezirke können nur über Brücken betreten und verlassen werden werden. Das erste Mal gewertet wird übrigens, wenn die ersten acht Bezirke gegründet sind und der erste Spieler alle seine neun Gebäude eingesetzt hat. Dann wird pro Bezirk geschaut, wer wo wie viele Punkte erzielt hat.
Dient dieser erste Durchgang mehr oder weniger dem Abstecken der Claims, geht es im zweiten und letzten vor allem darum, seine Besitztümer (Gebäudemehrheiten) abzusichern bzw. die restlichen Gebäude möglichst gewinnbringend zu positionieren. Da die Bewegungsfreiheit bei fortgeschrittenem Spiel schon ziemlich eingeschränkt sein kann, ist man gut beraten Prioritäten zu setzen: Wo gibt es noch die Chance ohne punkteraubendes Hin- und Hergehopse Bezirke zu gründen oder sich Mehrheiten bei den Stockwerken zu verschaffen? Spätestens jetzt ist das kleine Kopfrechnen angesagt, bevor man seinen nächsten Zug unternimmt.
Trotzdem: Soo lange Pausen wie bei Tikal oder gar Java gibts bei Mexica nicht.
Fazit
Ein Innovationspreis ist für Mexica nicht zu gewinnen. Jedes Element war schon einmal in dieser oder anderer Form da. Doch die Komposition ist handwerklich sehr gelungen. Also ein lohnendes Abenteuer für Spieler, die sich auf die mittlere Anspruchsstufe begeben wollen und für solche, die sich dort wohl fühlen.
Nr. 767: Mexica |
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Spielwiese-Code | | G | 11 | | |
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Themen: Völker, Besiedelung, Mexiko
Preis-Leistungsverhältnis |
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