"Wann i nur aufhörn könnt!"
Canasta/Rommé-Variante als harte Geduldsprobe aus Amerika.
Überarbeiteter Spieletest aus Die Spielwiese 31 (Mai 1995)
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So knallig die Schachtel daherkommt, so unscheinbar sind die Karten: Zahlenwerte von 1 bis 12 in vier unterschiedlichen Farben. Damit müssen Folgen und Mehrlinge gebildet werden. Der Clou ist, dass mit der Zeit die Spieler zur gleichen Zeit ganz unterschiedliche Kombinationen sammeln. |
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Die Rezension bezieht sich inhaltlich auf die Ravensburger-Ausgabe!
Leute, wir haben es mit einem Phänomen zu tun! Phase 10 ist ein Kartenspiel, das ewig dauert, was aber keiner bedauert.
Es ist in der Tat eine verblüffende Geschichte. Wir haben Phase 10 weiß Gott wie oft gespielt, und keine Partie dauerte kürzer als die angegeben "ca. 60 Minuten". Wir spielten bis zu drei Stunden lang, um zum Ende zu finden. Aber nur ein einziges Mal schmiss ein Spieler die Karten hin. Der einhellige Tenor lautete: toll, aber wenn es ein bisschen kürzer wäre . . . (siehe dazu Tipp). Aber schön der Reihe nach.
Das Spiel läuft in zehn unterschiedlichen Phasen ab – parallel und gleichzeitig durcheinander. Die letzte ist folglich Phase 10. Wenn man einmal so weit ist, muss man mit seinen elf Karten, die man zur Auswahl hat, mit einem Schlag (!) einen Fünfling (fünf gleiche Kartenwerte) und einen Drilling (drei gleiche Kartenwerte) auslegen. Der Spielbeginn ist vergleichsweise bescheiden - hier alle zehn Phasen:
- 2 Drillinge
- 1 Drilling + 1 Viererfolge (vier Karten mit aufsteigenden Werten)
- 1 Vierling + 1 Viererfolge
- 1 Siebenerfolge
- 1 Achterfolge
- 1 Neunerfolge
- 2 Vierlinge
- 7 Karten einer Farbe
- 1 Fünfling + 1 Zwilling
- 1 Fünfling + 1 Drilling
Das gibt ganz schön Arbeit! Denn, wie gesagt, man muss die Aufgabenstellungen unter einem Mal erfüllen, also gleichzeitig auslegt. Es geht nicht, dass man die Karten nach und nach ablegt. Das unterscheidet Phase 10 entscheidend von anderen Canasta oder Rommé-Varianten, obwohl Parallelen anderswo vorhanden sind.
Leichte und schwere Übungen
Das bedeutet in der Praxis, dass man oft vier, fünf Runden lang spielt, ohne dass man eine Phase erledigen kann: Man ist vielleicht knapp davor, alle geforderten Karten auf der Hand zu haben, aber ein Mitspieler ist eben schneller. Wobei der Schwierigkeitsgrad nicht kontinuierlich ansteigt. Phase 6 (1 Neunerfolge) ist in der Praxis leichter zu vervollständigen als Phase 7 (2 Vierlinge). Und Phase 8, sieben Karten einer Farbe – egal welche Werte sie haben – zu sammeln, ist eine der leichtesten Übungen. Phase 8 ist übrigens die einzige, bei der die Farben der Karten eine Rolle spielen. In allen anderen Phasen können die vier Farben bunt durcheinander verwendet werden.
Sobald man eine Phase erledigt, sprich: die Karten vor sich abgelegt hat, ist man für die betreffende Runde aus dem Schneider. Gewertet wird nämlich nur das Vervollständigen einer Phase. Sämtliche Karten auszulegen ist zwar vorgeschrieben, ändert aber nichts am Ergebnis, das einen selbst betrifft. Wohl aber können Mitspieler noch die verbleibend Zeit nützen. Eine Runde ist nämlich erst dann beendet, wenn der erste Spieler sämtliche Karten losgeworden ist. Zwischen Ablegen der Phase und diesem Schlusspunkt kann noch einiges passieren. Es können die anderen noch ihre Aufgaben erfüllen und dadurch mit anderen Mitspielern gleichziehen oder sie sogar überholen (wer's ganz schnell mag, kann als Variante auch so spielen, dass eine Runde abgebrochen wird, sobald ein Spieler seine geforderte Phase erfüllt hat und jeder in dieser Runde einmal an der Reihe war).
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Das Spiel macht Spaß, hat aber den großen Nachteil, dass es einfach viel zu lange dauert. In der englischen Originalregel wird für vier Spieler eine Spieldauer von 90 Minuten angegeben, was eher eine untere Grenz darstellt. Dafür bietet es aber doch zu wenig. Daher haben wir einige Änderungen eingeführt, von denen die meisten in der Regel auch angegeben sind. So spielen wir immer mit Abklopfen und streichen 3 bis 4 Phasen (meist die Phasen 1, 2, 4, und 5). Eine andere Möglichkeit besteht darin, genau 10 Runden zu spielen, wobei in einer Runde alle dieselbe Phase spielen. In beiden Fällen kommt es nach unserem Geschmack viel zu häufig zu Unentschieden, weil entweder mehrere gleichzeitig die letzte Phase vollenden, bzw. am Ende mehrere gleich viele Phasen geschafft haben. Dies läßt sich jedoch ganz leicht durch eine Strafpunktewertung beheben, wie sie in der Originalregel angegeben ist. Hat ein Spieler alle Karten abgelegt und beendet die Phase, so erhalten alle anderen für ihre auf der Hand verbliebenen Karten Strafpunkte, und zwar fünf für alle Zahlenkarten von 1 bis 9, zehn für die Karten 10, 11 und 12, fünfzehn Punkte gibt es für jede Aussetzen-Karte und 25 Strafpunkte für die Jokerkarten. Kommt es am Ende zu einem Unentschieden, so gewinnt jener Spieler mit den wenigsten Strafpunkten. Dr. Helmut Wresnik |
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Denn der Witz an der Sache ist, daß die Spieler sich mit Fortschreiten des Spiel in unterschiedlichen Phasen befinden. Spieler A ist vielleicht schon in Phase 4, während B noch an der zweiten laboriert und C nicht einmal die zwei Drillinge aus Phase 1 zusammengebracht hat.
Das Kartenmaterial
Jetzt wird es höchste Zeit, einmal etwas über die Karten selbst zu verlieren. Die 108 Spielkarten zeigen je zweimal die Werte 1 bis 12 in vier Farben, acht beliebig einsetzbare Joker sowie vier Aussetzen-Karten mit einem Rufezeichen. Wer seine Phase erledigt hat, nehmen wir als Beispiel die Nummer 4 mit der Siebenerfolge, hat noch einige Restkarten, in diesem Fall drei. Eine Karte muss jeder Spieler zum Rundenbeginn aufnehmen, macht vier. Diese Restkarten muss der betreffende Spieler entweder bei sich anlegen oder bei anderen Spielern, die ihre Phase ebenfalls ausgelegt haben. Hier gilt das einfache Fortsetzungsprinzip. Es wird angelegt, wo es gerade passt. Das können auch mehrere Karten pro Runde sowie an verschiedener Stelle sein. Am Ende eines jeden regulären Durchganges (Aufnehmen, eventuell Phase ab- oder Karten anlegen) muss eine Karte auf den Ablagestapel gelegt werden, die der nächstfolgende Spieler aufnehmen kann.
Die einzige Ausnahme bildet die Aussetzen-Karte. Sie wird wie die letzte Karte behandelt, aber einem Mitspieler hingelegt. Der muss in der nächsten Runde passen. Das ist ein probates Mittel, die Mitspieler einzubremsen, was allerdings wiederum das Spiel in die Länge zieht. Aber wer denkt in diesem Moment schon daran!
Abseits vom Rampenlicht
Als Phase 10 als Lizenz 1995 vom damals noch bestehenden Spieleverlag F.X. Schmid in Deutschland herausgebracht wurde, war es in den USA bereits ein Bestseller. Ohne nennenwerte Werbung durch die Firma verbreitete sich das Kartenspiel auch bei uns dann rasend schnell durch Mundpropaganda. Von der so genannten Spieleszene wurde Phase 10 erst gar nicht beachtet.
Der Erfolg am Ladentisch gab den Leuten, die hinter dem Import standen, aber Recht. So bileb das Spiel in wechselnder Aufmachung und bei wechselnden Verlagsnamen erhalten. F.X. Schmid wurde von Ravensburger gekauft, Ravensburger brachte es später während seiner kurzen Vier-Marken-Strategie unter dem Label FX heraus und nachdem FX zu Grabe getragen wurde, prangt seither das blaue Dreieck auf der Spieleschachtel.
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Nr. 275: Phase 10 |
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Spielwiese-Code | |
2010: Mattel 2001: Ravensburger |
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Themen: abstrakt |
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Spielanleitung zum Herunterladen |
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Auszeichnungen
Rund ums Spiel
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