Personalpolitik im 19. Jahrhundert
Durch Würfelergebnisse ersteigern zwei Spieler neue Matrosen für ihre Schiffe. Doch mehr Matrosen zu haben als der andere, ist nicht zwangsläufig besser.
In der Tat: Wie es auf der Schachtel von Shanghaien und im Anleitungsheft kurz beschrieben ist, ging es im 19. Jahrhundert in den Häfen recht rau zu. Da wurde nicht lange gefackelt, wenn neue Seeleute nötig waren: Man "holte" sie sich von der Straße bzw. aus der nächsten Kneipe.
Zimperlich dürfen auch die beiden Spieler von Shanghaien nicht sein. Nur der eigene Vorteil zählt, wenn möglichst viele neue Matrosen angeheuert werden sollen, mit denen man mehr Punkte erzielen will als sein Gegenüber.
Schicksale besiegeln
Mit etwas Fantasie kann man die ungewöhnlichen Rekrutierungsmaßnamen dieser Zeit durchaus in diesem Spiel erkennen. Eine Auslage von sechs Karten stellt das Personalangebot in einer fiktiven Hafenkneipe dar. Die zwei Spieler würfeln nun um dessen Schicksal.
Das ist das Spiel an sich, wobei – und da wird man zweifellos auch in der Geschichte Parallelen finden – es noch nicht gesagt ist, dass der neue Matrose auch tatsächlich in der Mannschaft des Spielers unterkommen wird, der ihn durch Würfelglück und taktisches Geschick rekrutierete. Denn die Wertung kann noch Überraschungen mit sich bringen.
Links oder rechts?
Gehen wir beispielhaft eine Runde an. Zu Beginn hat jeder der beiden Spieler je einen Kapitän und sechs rote bzw. blaue Zahlenwürfel erhalten. Vom verdeckten Nachziehstapel wurden sechs Kneipenkarten gezogen und offen nedbeneinander auf den Tisch in eine Reihe gelegt. Nehmen wir vorerst einmal an, es handelt sich um sechs "normale" Matrosenkarten. Die gibt es in acht Farben (Nationalitäten) mit den Werten 1 bis 4. Die Werte spielen für die Auslage keine Rolle. Vielmehr muss der Startspieler der Runde festlegen, ob die Reihe links oder rechts ihren Anfang hat. Je nachdem ist eine Kneipenkarte somit die erste oder sechste, die zweite oder fünfte etc. Karte der Auslage.
Würfel anlegen
Das ist fürs Würfeln entscheidend: Ein Spieler schmeißt zwei Würfel und entscheidet sich für einen davon. Den setzt er ein und legt damit klar, auf welche Kneipenkarte er es abgesehen hat: eine 5 zur fünften Karte, eine 2 zur zweiten Kneipenkarte usw. Der entsprechende Würfel wird auf der Seite des Spielers unterhalb der Kneipenkarte angelegt.
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So geht es eine Zeitlang, bis es zur Verteilung der Kneipenkarten kommt. Das passiert durch freiwilliges oder unfreiwilliges "Shanghaien". Freiwillig: Ein Spieler verzichtet aufs Würfeln und löst dadurch die Verteilung der Karten aus. Unfreiwillig: Der Startspieler hat nach fünfmal Hin und Her nur noch einen Würfel in seinem Vorrat.
Liegen an einer Kneipenkarte nur Würfel eines Spielers, gehört sie ihm und nimmt sie offen in seine Ablage. Haben beide Spieler Würfel angelegt, bekommt sie natürlich der mit der höheren Würfelsumme (jeder Spieler kann auch mehrere Würfel an eine Kneipenkarte anlegen). Bei Gleichstand werden die Würfel der benachbarten Kneipenkarten mit in die Wertung einbezogen.
Sonderkarten fürs Taktieren
Soweit das Grundprinzip von Würfeln und dem Verteilen der Matrosen. Im Nachziehstapel stecken auch Sonderkarten. Sie werden wie die Matrosenkarten in die Auslage gelegt. Die Sonderkarten erlauben zusätzliche Züge, oder dass man in einem Zug zwei Würfel anlegen kann und andere Feinheiten. Pro Runde darf jeder Spieler nur eine Sonderkarte einsetzen. Damit nicht geschummelt werden kann, muss der Spieler zugleich seinen Kapitän zur "Kneipe" stellen. Das ist die einzige Funktion der Holzfigur.
Wie sinnvoll eine Sonderkarte für einen Spieler ist, hängt vom aktuellen Stand des Spiels ab. Bedenken muss man, dass eine Sonderkarte erst in der nächsten Runde eingesetzt werden kann. Tauchen sie in der Auslage der letzten Runde auf, bringt es gar nichts sie zu ersteigern.
Mehr bringt weniger
Wie schon erwähnt, kommt die Stunde der Wahrheit erst mit der abschließenden Wertung, wenn nach acht Runden alle Kneipenkarten aufgebraucht bzw. vergeben sind. Die Spieler haben dann mehrere Reihen in ihrer Ablage, fein getrennt nach den Nationalitäten der Matrosen. Haben beide Spieler gleich viele Matrosen einer Farbe gesammelt, nützt das beiden nichts: Alle Karten kommen aus dem Spiel. Hat nur ein Spieler Matrosen einer bestimmten Farbe gesammelt, kommen alle in die Wertung. Hat aber auch der andere Spieler Matrosen dieser Farbe, allerdings weniger, passiert Folgendes: Wer mehr hat, muss seine Karten zur Seite legen, bekommt dafür aber von seinem Mitspieler dessen Matrosen in der jeweiligen Farbe.
Mit anderen Worten: Sich auf wenige Farben zu konzentrieren und davon viele Karten zu sammeln, ist eine sichere Bank, um Punkte zu machen. Ob es sich allerdings auszahlt, bleibt bis zum Ende recht offen. Denn schon eine einzelne niedrige Matrosenkarte in einer bestimmten Farbe, die der Mitspieler nehmen muss, schmälert dessen Punktegewinn kräftig. Damit kann man seinem Gegenüber ordentlich in die Parade fahren!
Fazit
Hinzu kommen natürlich das Würfel-, aber auch das Kartenglück. Der Verlauf einer Partie mit acht Runden hängt stark davon ab, ob die Sonderkarten früher oder später ins Spiel kommen. So sind Shanghaien-Partien abwechslungsreich, aber eben auch sehr glücksbetont.
Dennoch: Der zwar einfache Mechanismus beschert erstaunlich viele Möglichkeiten und Wendungen, so dass ein Versteigerungsspiel mit nur zwei Personen trotzdem sehr gut funktionert.
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Nr. 1027: Shanghaien |
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Spielwiese-Code | |
2008: Abacus |
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Themen: Seefahrt, Personal |
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Spielanleitung zum Download |
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