Trümmerfrauen und -männer
Der Autor wiederholt sich - nicht nur, weil er seine parallele Fantasy-Kartenwelt aufs "Brett" bringt.
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Die ockerfarbenden Felder sind in dieser Szene noch Ruinen, die wieder hergerichtet werden wollen. Sie haben unterschiedlich viele Bauabschnitte. Wer einen Bauabschnitt "erwirbt", darf später mit Kristallen rechnen, die man als Opfer für den Gott Blue Moon und zum Gewinnen braucht. Die Opfer werden auf dem Obelisken (links oben) dargebracht, der so zu sagen als Wertungsleiste bei Blue Moon City fungiert. | ||
Einmal mehr hat es ein Brettspiel von Reiner Knizia in die Endauswahl zum Spiel des Jahres geschafft. Warum ausgerechnet dieses, ist jedoch mit Fragezeichen behaftet. Blue Moon City ist nicht sonderlich originell, schon gar nicht, wenn man das umfangreiche Oeuvre des Autors ansieht. Zahlreiche Details kommen eingefleischten Spielern aus anderen Spielen bekannt vor.
In ihrer Nominierungsbegründung strich die Jury unter anderem "das richtige Kombinieren der vielen Sondereigenschaften der Karten ..." heraus, was " anfangs gewöhnungsbedürftig (ist), eröffnet aber mit etwas Spielerfahrung große Kombinationsmöglichkeiten."
Das war bei Knizia fast immer so. Tut der Einwand, dass sich der Autor hier variiert, der Spielfreude Abbruch? Nein, aber Blue Moon City bleibt in der speziellen Knizia-Kategorie damit auch Durchschnitt.
Eine weitaus spannendere Frage ist, ob der Konsument bereit ist, sich in diese "reale" Fantasywelt einzulassen. Die ist hier nicht auf Disney-Maßstäbe behübscht und verharmlost, sondern zeigt anhand der Spielkarten Blut, Schweiß und Tränen. Schließlich ist das Brettspiel ja auch als Ergänzung und Werbemaßnahmen zur bereits existierenden Blue Moon-Sammelkartenreihe zu verstehen.
Dort tobt ein Kampf der Völker und irgendwann im Gemetzel ist Blue Moon City auf der Strecke geblieben. Jetzt machen sich nun die Spieler daran, die Stadt wieder aufzubauen. Davon handelt Blue Moon City. Die Spieler lassen sich dazu auf eine Sammelei ein und der fleißigste bzw. der geschickteste wird mit dem Sieg gekrönt.
20 Gebäudetafeln und eine für den zentralen Marktplatz des zertörten Blue Moon City werden auf den Tisch gelegt. Wer mithilft die 20 Ruinen wieder in altem Glanz erstrahlen zu lassen, wird mit Kristallen belohnt. Die trägt man zum Marktplatz, um sie der namensgebenden Gottheit Blue Moon zu opfern. Wer insgesamt am meisten opfern konnte, ist der große Held.
In Kurzform läuft das Spiel technisch folgendermaßen ab: Man zieht seine Spielfigur auf eine der Gebäudetafeln und zahlt mit Karten dafür, unter den Trümmerfrauen und -männern bei der Wiedererrichtung des Bauwerks zu sein. Das wird mit einem Baustein eigener Farbe markiert. Da die Gebäude unterschiedlich viele Bauabschnitte haben, kommt es immer dann zu einer Wertung, wenn alle mit Bausteinen belegt sind. Wer jetzt an diesem Platz, auf dieser Gebäudetafel die meisten Bausteine eingesetzt hat, bekommt am meisten Kristalle, die anderen weniger.
Gute Drachen und gute Kniffe
Und dann sind, wie es sich in der Fantasywelt gehört, noch Drachen im Spiel. Die sind ausnahmsweise nicht böse, sondern haben verstärkende Wirkung: Sie hinterlassen Drachenschuppen, die man ebenfalls sammelt und später gegen Kristalle tauscht.
Streichen wir zur Vertiefung des Spielablaufs die besonderen Aspekte heraus. Es spielt eine Rolle, welches Bausteinfeld man besetzt - bei Gleichstand bekommt nämlich der die meisten Kristallen, der das teuerste gekauft hat. Die Karten, die man einsetzt, sind in der Tat gewöhnungsbedürftig, aber das ist intellektuell zu schaffen, weil immer nur die Einser und Zweier einer Farbe bzw. eines Volkes bestimmte, teilweise identische Sonderfunktionen besitzen.
Von Bedeutung sind jene Gebäudetafeln, auf denen nur ein Bauabschnitt verzeichnet ist. Über sie kommt man am schnellsten - und als Einziger! - zu Kristallen. Damit schlägt man sich einen nicht zu unterschätzenden Vorsprung heraus. Wichtig ist generell, die Nachbarschaft im Auge zu behalten: Wird ein Gebäude gewertet und waagrecht und/oder senkrecht daneben sind schon abgerechnete Gebäude, erhält man auch für diese noch Belohnungen. Es ist also nicht gleichgültig, in welcher Abfolge man die Spielfläche abgrast.
Fazit
Blue Moon City verlangt einiges an Kombinationsgeschick ab. Das Spiel ist allerdings weniger komplex als man zu Beginn befürchten könnte. Man spielt sich relativ schnell ein. Grafisch sehr gut gelungen sind die Gebäudetafeln - sie zeigen beim Start eine Bauskizze und nach der erfolgreichen Wiedererrichtung werden sie auf die bunte Seite umgedreht. Auch wenn die Fantasy-Gestalten auf den Karten Geschmackssache sind, insgesamt ist alles stimmig.
Was Blue Moon City keinesfalls ist, ist kommunikativ. Es gibt keinerlei spielbedingten Anlässe mit anderen in Kontakt zu treten. Jeder rechnet still vor sich hin und hat seinen nächsten Spielzug schon im Kopf. Ein gravierendes Manko: Man kann seine Absichten durch nichts schützen, man kann nur schneller sein. Und das bedingt wieder das erforderliche Kartenglück.
Test 920: Blue Moon City
- Sammelspiel für 2 bis 4 Spieler ab 10 Jahre
- Ca.-Preis: 25,– €
- Verlag: Kosmos
- Autor: Reiner Knizia
- Thema/Umfeld: Spielt in der Blue Moon-Welt - die gibt es schon seit einiger Zeit als Fantasy-Sammelkartenspielbei Kosmos. Hier dazu das Brettspiel: Die Stadt ist zerstört und die Spieler wollen sie wieder aufbauen, dabei helfen ihnen Drachen. Wer in diesem Szenario am fleißigsten Kristalle sammelt und die meisten davon dem Gott Blue Moon opfert, ist Sieger.
- Zielgruppe: Erwachsene, Fantasy-Fans
- Spieldauer: 60 bis 90 Minuten
- Spielmaterial: gut, aber Abstriche für fehlende Übersichtskarten und für den fantasielosen und unpraktischen Schachteleinsatz zum Verstauen des Materials
- Schachtelinfo: an sich gut beschrieben, dass dabei die Karten die größte Rolle spielen, wird allerdings unter den Teppich gekehrt
- Spielanleitung: gut gegliedert und kompakt
- Anspruch: Übersicht und permanente Chancenabwägung durch die Kombination von Karten, Wertungen und Kristallen
- Spielreiz: durchschnittlich
- Glück: spielt beträchtliche Rolle
-Service:
Notizblock der Kritiker: Was andere zum Spiel meinen