Genial einfach
Wenn Spiele den Verlag wechseln, wechseln sie oft nur ihr Gewand, da und dort wird eine Behübschung vorgenommen. Seltener wird auch in die Regel eingegriffen. Das ist bei Cartagena der Fall, seit das Spiel bei Ravensburger ist.
Der erste, farblich unterlegte Teil handelt von der Ravensburger-Ausgabe und ihren Unterscheiden zu jener des Originals, das 2000 bei Winning Moves erschienen ist.
Im Anschluss folgt die unveränderte Spielrezension des ursprünglichen Spiels. Am Ende stehen die Fakten der beiden Ausgaben unmittelbar beieinander.
Johnny Depp lässt grüßen
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Gleicher Zweck, neue Aufmachung. Alles ist größer und bunter geworden. Bild: Spielwiese |
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Ravensburger hat kräftig Hand angelegt an dem Laufspiel von Leo Colovini. Cartagena deutlich vereinfacht. Das wäre eigentlich nicht notwendig gewesen. Eine Überforderung der Spieler war nicht zu beobachten gewesen. Weder spieltechnisch, noch von der Spieldauer her. Die neue Version ist nur einen Deut schneller gespielt.
Alles wurde größer. Auch hier fragt sich, worin der Vorteil für die Spieler sein soll. So viel Spielmaterial ist es denn auch wieder nicht, um die doppelt so große Schachtel zu rechtfertigen. Natürlich wurde Cartagena optisch überarbeitet. Ein Johnny-Depp-Verschnitt – unverkennbar in Anlehnung an die „Fluch der Karibik“-Filmreihe – hastet durchs bunte Titelbild. Die Winning-Moves`sche Düsternis ist auch beim Spielmaterial ad acta gelegt worden. Grüner Urwald statt dumpfer Tunnel.
Das Thema ist geblieben. Piraten auf der Flucht. Hier sind es jedoch weniger. Statt sechs Freibeutern zu helfen, genügt es in der Welt von Ravensburger vier der Gesellen aufs rettende Boot zu bringen. Weil die Welt des blauen Dreiecks auch eine heile, eine saubere Welt ist, haben sich auch die Symbole der Lauffelder verändert. Kein Totenkopf mehr, kein Dolch. An einer Piraten-Pistole kamem aber auch die sittsamen Schwaben nicht vorbei.
Der Ablauf, sprich: die beiden Zug-Varianten, ist derselbe. Geblieben ist auch die Anzahl der Felder zwischen Start und Ziel. Weniger Piraten fortzubewegen müsste eigentlich bewirken, schneller das Spielziel zu erreichen. Die Rechnung geht jedoch nur bedingt auf. Weil insgesamt weniger Piraten unterwegs sind, bleiben a) weniger Felder besetzt und b) dadurch auch weniger Möglichkeiten, beim Zug „Rückwärtsziehen“ in knapper Distanz zu Karten zu kommen (siehe unten beim Spielwiese-Test des ursprünglichen Spiels). Außerdem ist in der Basisregel nur noch von zwei Zügen pro Runde die Rede anstelle von dreien. Drei Züge werden von Ravensburger in einer „Variante“ vorgeschlagen, bei der dann jeder Spieler fünf Piraten bewegt. Quasi eine Annäherung an das, was ursprünglich war.
Fazit
Cartagena bleibt auch in dieser Ausgabe ein hervorragendes einfaches Laufspiel für Otto Normalspieler. Das Spielgefühl ist mit jenem vergleichbar, das man von der alten Ausgabe her kennt. Wer sie besitzt, kann leichten Herzens auf das bunte "Update" verzichten. Mit höherem spielerischen Tiefgang werden die Käufer leider erst gar nicht konfrontiert. Von der taktisch anspruchsvolleren Tortuga-Version mit offenen Karten, die es bei Winning Moves gab, ist gar keine Rede mehr.
Spielwiese-Test der ursprünglichen Ausgabe
Ein Spiel, das mit jedem Mal interessanter wird (aus Spielwiese 58).
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Aufs Boot geht es nur nach dem Motto "Zwei vor, eins zurück". Vorwärts zieht man jeweils auf das nächste freie Symbol, für das man eine Karte ausgespielt hat. | |
Cartagena liegt in Kolumbien, dem einzigen südamerikanischen Land, das sowohl am Atlantischen als auch am Pazifischen Ozean liegt. Es war ein mit mächtigen Bollwerken und zahlreichen Festungen besetzter spanischer Kriegshafen. Die malerische und farbenfrohe Altstadt ist gut erhalten und wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.
Vor dieser Kulisse spielt das Spiel. Oder eigentlich unter der Kulisse. Denn die Spieler sind jene Piraten, die auf einer Festung gefangen waren und sich einen Tunnel in die Freiheit gruben. Am Ufer wartete ein Boot. Das ist auch das Ziel der Spieler. Ein Boot, das am einen Ende von sechs Kartontafeln "angelegt" hat, die variabel zum Fluchtweg zusammengefügt werden können.
Die Spielausstattung ist spartanisch, aber mehr braucht es auch nicht: die sechs Tafeln, 103 Karten und je sechs Spielfiguren in fünf Farben. Auf den Karten sind die sechs verschiedenen Zeichen – Totenkopf, Dreispitz, Dolch, Flasche, Schlüssel, Pistole –, die man auch auf den Kartontafeln in wechselnder Reihenfolge findet. Jedes Zeichen auf diesem Fluchtweg ist ein Feld. Hinweise in die Freiheit, wenn man so will. Logischerweise startet man am Anfang des Tunnels. Man spielt eine Karte aus und bewegt eine seiner Figuren auf das nächste freie Feld, das das gleiche Zeichen hat. Das gilt bis zum Ende. Es gewinnt, wer als erster alle sechs Piraten im Boot hat.
Zu einfach? Kinderkram? Von wegen! Schließlich hat man nicht immer die passenden Karten. Und weil man nicht automatisch neue Karten kriegt, gibt es immer zu wenige davon.
Wie kriegt man denn neue Karten? Indem man mit einer Figur rückwärts zieht. Auf ein Feld, wo schon ein x-beliebiger Pirat steht. Dann darf man sich eine neue Karte vom Stapel nehmen. Oder auf einem Feld, auf dem zwei Piraten sind, gibt es zwei Karten. Es heißt also Haushalten und die Kräfte richtig einzuteilen, wie weiland bei Hase und Igel. Und selbstverständlich machen einen die lieben Piraten-Kollegen ständig irgendwelche Striche durch den Fluchtplan. Ziehen von einem Feld weg, das man zu überspringen gehofft hatte. Ziehen einen zweiten Mann von einem Feld ab, und schon gibt es nur eine neue Karte statt zwei. Verflixt und Sch Piraten dürfen ja fluchen.
Bis zu drei Züge sind jedem Spieler pro Runde erlaubt. Gibt es kein freies Zeichen mehr zwischen Spielfigur und Boot, dann darf man mit seiner Figur aufs Boot.
Soweit zur Glücksvariante von Cartagena. Um den Spielablauf kennenzulernen, genau das Richtige. Es geht ja schnell. Nun aber zur taktischen Variante. Hier wird mit offenen Karten gespielt. Die Karten werden nicht in der Hand versteckt, sondern liegen am Tisch und es gibt auch keinen Nachziehstapel, sondern zwölf Karten, die ebenfalls offen ausliegen. Beim Nachschub holen muss die Reihenfolge Karte für Karte eingehalten werden. Es gibt also keinerlei Geheimnisse voreinander. Und das steigert den Spielreiz noch um ein ordentliches Maß. Freilich, in dieser Version ist nichts mit blitzschnellem Spiel. Es muss schließlich einiges ins Kalkül gezogen werden. Die Spannung bleibt bis zum Schluss, denn so viel Glück gibt es selten, dass ein Spieler gleich einmal uneinholbar wäre.
Am besten: Ausprobieren und sich davon überraschen lassen, wie ganz wenig Aufwand ein herrliches Laufspiel ergibt, dessen Mechanismus von Mal zu Mal an Zauber gewinnt. Cartagena wird deshalb sicher öfter gespielt werden. So rechnet sich auch der relativ stolze Preis allemal.
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Nr. 1157: Cartagena (Ravensburger-Ausgabe) |
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Spielwiese-Code | |
2014: Ravensburger |
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Themen: Seefahrt, Piraten |
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Spielanleitung zum Download |
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Das Rezensionsexemplar wurde von Ravensburger zur Verfügung gestellt | |
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Nr. 636: Cartagena |
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Spielwiese-Code | |
2008: neue Schachtelgestaltung 2000: Winning Moves |
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Themen: Seefahrt, Piraten |
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Auszeichnungen
Rund ums Spiel
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