Auf der Jagd nach der vierten Kerze
Aus Die Spielwiese 32 (1995)
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Nr. 283: Canaletto | Spielwiese-Code | |
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Was ist's?
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Günter Cornett hat sich die anderen Versteigerungsspiele offensichtlich ganz genau angeschaut. Deren Stärken hat er zu Canaletto gemixt, einem etwas unscheinbaren Spiel des Hans im Glück-Verlags. Das Ergebnis ist eine gelungene Mischung. Das Spiel ist stimmig und logisch aufgebaut. Nur zu Beginn verwirrt die doch etwas umfangreich ausgefallene Spielanleitung. Wieder einmal ist ein Spiel wesentlich einfacher, als es den Anschein hat.
Wir versuchen eine Kurzbeschreibung: eine Gondel (wir sind in Venedig) läuft verschiedene Palazzi an, in denen Kunstschätze unterschiedlicher Art und Anzahl auf Käufer warten. Jedes Kunstwerk gibt es insgesamt zwei- bis viermal. Sobald alle Kunstwerke einer Gruppe ersteigert sind, werden sie verkauft. Den aktuellen Preis bestimmt eine am Anfang des Spiels zufällig bestimmte Reihenfolge von Werten. Wer am Ende am meisten Geld hat, ist Sieger.
Wo stecken nun die Raffinessen von Canaletto? Der Spielplan ist es nicht, er ist eher unübersichtlich (insgesamt aber ist das Material mit einfachen Mitteln gut geraten). Das ist für ungeübte Spieler hinderlich, denn der Modus der Versteigerung dient mehr als nur dem Verkaufen. Ein Spieler gibt ein Angebot ab und setzt sofort die Gondel um die genannte Zahl weiter. Der nächste zieht die Gondel um soviele Palazzi weiter, als die Differenz zum vorher gemachten Gebot entspricht. Wo die Gondel schlußendlich• stehenbleibt (weil keiner mehr bietet), dort findet die nächste Versteigerung statt. Das heißt: beim Steigern sollte man im Auge haben, was als Folge eines Gebotes in der nächsten Runde unter den Ham mer kommt: nützt mir der Kelch, der dort im Palazzo wartet oder nützt er vor allem meinen Gegnern? Habe ich ein Interesse daran, daß da durch eine be stimmte Gruppe verkauft wird oder wäre es später nicht besser?
Und: kann ich mir den Kauf leisten? Ich kann zwar Schulden machen, doch die muß ich am Ende doppelt zurückzahlen. Daran ist schon mancher Sieg gescheitert.
Zur Not – nur einmal im Spiel – hilft das Bestechungsplättchen. Mit ihm erhalte ich die Kunstwerke eines Palastes kostenlos. Der Einsatz des Plättchens lohnt sich aber erst in fortgeschrittener Phase eines Spieles, wenn das Abschätzen der wahren – und abzurechnen den – Werte der Spiegel, Kerzenleuchter, Ringe etc. leichter fällt.
Canaletto muß mehrmals gespielt werden, um seine Gesetzmäßigkeiten voll ausschöpfen zu können. Dann aber macht es Freunden von Versteigerungen Spaß. Es ist nämlich auch ein Spiel, bei dem nicht Gemeinsein entscheidet, sondern das geschickte Taktieren zur rechten Zeit. Daß offen geboten wird, kommt dem reinen Wechselspielvon Angebot und Nachfrage zugute.
Ein Sieg ist also keine Glücksfrage, sondern das Ergebnis wohldurchdachter Kalkulation.
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