Hotels oder Autos – der Klassiker lebt!
Ein Klassiker und ein (mit Genehmigung) daran angelehntes Spiel gegenübergestellt: Helmut Wresnik über Acquire, Arno Miller über Big Boss.
Aus Spielwiese 29/1994 und ergänzt
Opulent, aber für viele zu unübersichtlich präsentierte sich die Schmidt-Version von Acquire 1993. |
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Ebenfalls mit prächtigem Material, aber "aufgeräumter" brachte Avalon Hill das Spiel zum zweiten Mal 2000 heraus. |
Schmidt-Spiele hat im vergangenen Jahr die Spielewelt mit seiner "Bestseller-Autoren-Serie" überrascht, und damit, daß eines der sechs Spiele der 3M-Klassiker Acquire von Sid Sackson war. Es war bereits in den 80er Jahren unter den Titel Hotelkönig bzw. Hotelhaie im Programm, hatte aber keinen durchschlagenden Erfolg. Um nicht wieder einen Flop zu landen, griff man diesmal tief in die Protzkiste. Herausgekommen ist dabei dabei eine Schachtelgröße, die sicherlich beeindruckt, jeden Nichtschloßbesitzer aber vor große Lagerprobleme stellt.
Das üppige Spielmaterial spaltet die Acquire-Jüngerschaft. "Schlicht unspielbar wegen der dreidimensionalen Hotels", wettern die einen, während die anderen in wahre Lobeshymnen ausbrechen. Auch ich befürchtete zunächst, daß die Hotels die Übersichtlichkeit extrem stören würden, was sich aber nicht bestätigt hat. Optimal ist das Spielmaterial bei näherem Hinsehen aber nicht, denn die 319 Karten könnten von besserer Qualität sein, was allerdings den schon recht hohen Preis nochmals nach oben getrieben hätte.
Trotz alledem ist diese Ausgabe die bisher schönste und wenn Acquire auch diesmal wieder floppt, so kann das nur am Preis liegen, denn das Spiel selbst begeistert nun schon seit mehr als 30 Jahren viele Spieler.
Acquire (=erwerben) ist, wie der Name schon vermuten läßt, ein Wirtschaftsspiel, bei dem das Thema, wie bei vielen Sid Sackson-Spielen, aufgesetzt wirkt. Der Spielplan zeigt 9x12 Felder, auf denen im Verlauf des Spiels Hotels plaziert werden, die sich zu Ketten zusammenschließen, fusioneren, geschluckt werden – doch langsam.
Der Spielzug eines Spielers beginnt damit, daß er zunächst ein Hotel auf dem Spielplan plaziert. Dazu spielt er eine seiner sechs Hotel-Karten aus, durch die ein Feld des Spielplans bestimmt wird. Hat das gesetzte Hotel keinen direkten Nachbarn, kann der Spieler bis zu drei Aktien von bereits existierenden Hotelketten kaufen und ergänzt dann zum Abschluß seine Hotel-Karten. Grenzt das gespielte Hotel aber an ein bereits gesetztes an, so wird, falls dieses isoliert war, sofort eine Hotelkette gegründet. Diese Gründung kostet nichts, im Gegenteil, der Gründer erhält eine Aktie der Kette gratis. Dabei stehen zu Beginn sieben Ketten zur Auswahl, die in drei Preiskategorien fallen. Falls das gespielte Hotel aber an eine bereits existierende Kette anschließt, verlängert es diese, was, wie wir gleich sehen werden, von besonderer Wichtigkeit ist. Auch in diesen Fällen darf der Spieler anschließend bis zu drei Aktien kaufen und seine Hotel-Karten ergänzen.
So wird sich im Laufe des Spiels das Brett langsam füllen. Stoßen zwei Ketten zusammen, wird fusioniert. Die größere Hotelkette schluckt die kleinere, so daß sie zu existieren aufhört und an anderer Stelle wieder neu gegründet werden kann.
Nun kommt aber der Moment, auf den sich die Aktionäre besonders freuen, denn nun gibt's Geld, aber nur für die beiden Mehrheitsaktionäre der geschluckten Kette. Dabei sind die Entschädigungssummen umso höher, je größer die geschluckte Kette war. Dann kann jeder Spieler entscheiden, was er mit eventuell vorhandenen Aktien der geschluckten Kette machen will. Er kann sie in der Hoffnung auf eine Neugründung behalten, sie an die Bank verkaufen, oder sie im Verhältnis 2:1 gegen Aktien von existierenden Ketten eintauschen.
Sobald eine Kette aus mehr als zehn Hotels besteht, kann sie nicht mehr geschluckt werden. Sind alle sieben Ketten gegründet und sicher bzw. umfaßt eine Kette mehr als 40 Hotels, was meist passieren wird, endet das Spiel und es kommt zu einer abschließenden Wertung. Dabei werden zunächst nochmals die Mehrheitsaktionäre ausbezahlt und dann kann jeder seine Aktien zum aktuellen Kurswert verkaufen. Wer das meiste Geld erwirtschaftet hat, gewinnt.
Das etwas andere Acquire-Spiel
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Dagegen war Big Boss minimalistisch: Dennoch bot es Material von damals nicht gekannter Qualität. Allerdings hatte das alles auch seinen stolzen Preis. |
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Darauf kommt es auch bei Big Boss an. Es gibt einige wenige, aber bedeutende Unterschiede. Daß es hier um Autokonzerne und nicht um Hotelketten geht, ist belanglos. Es gibt statt 108 72 Spielfelder. Sie sind in einer langen Linie angeordnet und nicht rechteckig wie bei Acquire. Dadurch kann man hier immer nur zwei Ketten miteinander verbinden und nicht drei oder theoretisch vier. Dafür können die Grundstücke mehrfach, nämlich auch in die Höhe bebaut werden. Mit jedem Stockwerk erhöht sich der Wert einer Kette. Das heißt: um den Preis in die Höhe zu treiben und mit jedem Mal auch zu kassieren, benötigt ein Spieler nicht unbedingt eine passende Grundstückskarte (Baukarte), sondern es genügt eine beliebige Etagenkarte. Das läßt ihn bei Big Boss flexibler agieren.
Wer eine Kette, hier Konzern genannt, gründet, bekommt keine Aktien, sondern bebaut auch gleich zwei Nebengrundstücke. Der Konzern gehört diesem Spieler, wenn er ihn gleich erwirbt. Das ist eine Kann-Aktion. Er zahlt für seinen ersten Konzern 15 Millionen, für den zweiten 30. Mehr als zwei Konzerne darf ein Spieler nicht besitzen. Ein Spieler kann nach jeder Bauaktion ein oder zwei beliebige Aktien kaufen.
Jeder Spieler hat am Beginn zwölf Baukarten erhalten. Dieses Dutzend wird nicht automatisch nach jeder Aktion ergänzt (wie bei Acquire). Ein Spieler muß im Laufe des Spiels zusätzliche Baukarten zukaufen. Der Stückpreis beträgt immer fünf Millionen.
Soweit zum Geldausgeben. Zu den Einnahmen: der Spieler bekommt nach jeder Bauaktion (also jeder Erweiterung oder Aufstockung) den neuen Wert des Konzerns sofort von der Bank ausbezahlt. Jedes neue Gebäude steigert den Wert um eine Million, die zweite Etage um zwei, die dritte um drei usw. Der Wert wird praktischerweise an einer Skala mit Chips immer festgehalten.
Ans große Geldverdienen geht es, wenn fusioniert wird. Der Besitzer des kleineren Konzerns erhält den dreifachen Wert des Konzerns ausbezahlt, dann werden alle Besitzer von Aktien nach der Höhe des Konzernwertes bezahlt. Es ist also wichtig, seine Aktien gut zu streuen. Man sollte vor allem zu Beginn so viele Aktien kaufen, wie es geht. Denn noch kosten sie nur fünf Millionen, ist der Wert des Konzern erst einmal höher als fünf Millionen, muß 1:1 bezahlt werden.
Im Gegensatz zu Acquire verschwindet ein geschluckter Konzern endgültig, er kann nicht neu gegründet werden.
Subjektive Wertung: Big Boss ist kurzweiliger.
Nachbemerkungen anno 2008
Das Urteil von vor nunmehr 14 Jahren ist noch immer gültig: Big Boss ist das attraktivere Spiel. Doch weder das eine noch das andere sind erhältlich, außer man gibt inzwischen weit über 100 Euro für Sammlerstücke aus, die immer wieder einmal bei ebay auftauchen. Dieses Jahr ist Big Boss neuerlich in den Fokus gerückt, weil es unter anderem Titel und von Wolfgang Kramer überarbeitet bei Pro Ludo neu aufgelegt hätte werden sollen. Aber daraus wurde aufgrund der Umstrukturierungen des Verlages nichts. So wie es aussieht, wird frühestens Ende 2009 das Spiel wieder in einem anderen Verlag erscheinen.
Nr. 245: Acquire |
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Spielwiese-Code | | G | 12 | | |
2000: Avbalon Hill
1993 : Schmidt
1971: Avalon Hill
1962: 3M
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Themen: Wirtschaft, Hotels
Preis-Leistungsverhältnis |
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Auszeichnungen
Rund ums Spiel
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Nr. 246: Big Boss |
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Spielwiese-Code | | G | 12 | | |
1994: Franckh |
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Themen: Wirtschaft, Autokonzerne
Preis-Leistungsverhältnis |
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Rund ums Spiel
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