Auf das richtige Timing kommt es an
Da lächelt einem genugtuerisch ein Waschbär in englischem Gewand von der Schachtel entgegen. Raccoon ist das englische Wort für Waschbär. Auf der Rückseite sind mehrere Karten mit anderen Tieren abgebildet. Wer auf ein Kinderspiel schließt, liegt ebenso falsch wie diejenigen, die sich in einem Fantasyabenteurer wähnen. Waschbär-Tycoon wird, wer ein beinhartes Wirtschaftsspiel für sich entscheidet.
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Nr. 1533: Raccoon Tycoon | Spielwiese-Code | ![]() ![]() |
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Was ist's?
Für wen?
Was braucht's?
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Die gute Nachricht
Das Spielmaterial ist von vorbildlicher Qualität
Die schlechte Nachricht
Die angegebenen 60 Minuten sind etwas zu optimistisch. Schlag eine Viertelstunde dazu!
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Schön gemacht und lange spieltechnisch lange nicht so unscheinbar, wie es scheint. Weil immer wieder eine andere der fünf Aktionen gewählt, wird ist Raccoon Tycoon auch ausgesprochen kurzweilig. |
Bild: Piatnik |
Rein ins Spiel!
Astoria, das fiktive Land, in dem das Spiel angesiedelt ist, hat dann vom Namen her etwas Fantastisches. Schnell wird man aber auf den Boden der monetären Tatsachen zurückgeholt. Das Geschehen bei Raccoon Tycoon spielt sich an mehreren Stellen des Spieltischs gleichzeitig ab. Und die eine Stelle kommt nicht ohne die andere Ebene aus. Man braucht also einen guten Überblick. Vor allem weil das Timing entscheidend ist, wo man gerade investiert oder einen Gewinn einstreift.
Du wirst die erste Partie Raccoon Tycoon eher durch Zufall gewinnen. Weniger deshalb, weil du das Spiel durchschaut hast.
Beim ersten Mal wirst du dich nämlich – zumindest – längere Zeit auf die obere Hälfte des Spielbretts konzentrieren. Weil dort auch man meisten passiert und der Zugang am einfachstenist. Dort stehen den angehenden Tycoonen sechs Waren zur Verfügung, die sich in ihrem Marktwert laufend verändern. Holz, Weizen, Eisen, Kohle, Wein und Fracht, die zwar keine Ware an sich ist, aber wie eine gehandelt wird. Du erhöhst zwei oder manchmal auch mehr bestimmte Waren, wenn du eine entsprechende Karte ausspielst. In dieser Aktion erhältst du dafür auch bis zu fünf Warenplättchen. Du hast stets drei Karten, aus denen du auswählst, wenn du diese Aktion ausführst.
Es gibt aber noch vier weitere Aktionen. Zur ersten, vorhin beschriebenen, korrespondiert „Waren verkaufen“. Die bringt dir Geld (Dollar), wenn du bestimmte Waren, die du hast, zum aktuellen Marktwert verkaufst. Der Marktwert sinkt dadurch. Nebenbei: Mit dieser Aktion kannst du deinen Mitspielern übel mitspielen. Ihr seht nämlich immer, was die anderen gerade an Waren horten. Vorrangig geht es bei dieser Aktion allerdings ums Erweitern deiner strategischen Möglichkeiten bei Raccoon Tycoon. Du brauchst nämlich mit der Zeit ziemlich viel Dollar, um Anteile an imaginären Unternehmen oder Gebieten zu kaufen oder Bauwerke zu errichten. Das mit den Bauwerken ist noch relativ einfach zu überblicken: Das sind größere, schon gestaltete Kärtchen, die du vor dir ablegst und die dir bestimmte, zum Teil großartige Vorteile bringen. Wir illustrieren es dir mit drei Beispielen weiter unten.
Zuerst zu einem wichtigen, weil entscheidenden Element bei Raccoon Tycoon, der Aktion „Anteil versteigern“. Im unteren Bereich des Spielbretts liegt ein Nachziehstapel mit verdeckten Karten, die allegorische Tiere zeigen, etwa Waschbären, Füchse, Dachse oder Hunde, wovon immer zwei aufgedeckt liegen. Sie werden versteigert. Warum und wozu? Sie bringen am Spielende wichtige Siegpunkte, und zwar exponentiell mehr, je mehr gleiche Tiere man gesammelt hat. Ein Top Dog bringt vier Punkte, zwei schon neun Punkte, drei bereits 15 und vier Top Dogs sogar 23 Punkte. Da rentiert sich das Sammeln und entsprechend umkämpft sind die (letzten) Karten einer Sorte. Hier ist eine schöne Trostregel eingebaut: Wenn du die Versteigerung gestartet hast, aber nicht als Gewinner hervorgehst, darfst du noch einmal eine der fünf Aktionen durchführen. Selbstredend wird eine Versteigerung oft auch dazu "genutzt", dass ein Mitspieler oder eine Mitspielerin einen Haufen Geld loswird, um für die nächste Runde besser gewappnet zu sein.
Gebiete sind weitere Karten, die auf dem Spielplan liegen und auf Besitzer warten. Sie werden mit Waren bezahlt und du legst sie wie die Anteile offen vor dir aus. Sie bringen nicht nur 2, 3, 4 oder 5 Siegpunkte am Schluss, sondern auch noch zwei Zusatzpunkte, wenn es ein Pendant bei den Anteilen gibt. Anders gesagt: Für jedes Paar aus 1 Gebiet und 1 Anteil gibt es nochmal zwei Siegpunkte hinzu.
Du siehst also schon bei diesem nur rudimentären Überblick, dass da alles miteinander verzahnt ist. Und damit zum versprochenen Beispiel mit den Bauwerken. Es gibt 25 verschiedene Bauwerke, die zwischen 4 und 40 Dollar kosten. Vier Bauwerke liegen offen aus, wer eines will, wählt dies als Aktion und bezahlt. Die einfachsten und billigsten bringen jedes Mal ein Warenplättchen extra und kostenlos, wenn man sich für die erste Aktion entscheidet. Schon das ist gut, aber richtig lukrativ wird es mit Bauwerken, die 10 und mehr Dollar kosten. Hast du zum Beispiel einen Handelsbetrieb für Fracht und Wein, erhältst du für jeden verkauften Wein oder für jedes verkaufte Fracht-Plättchen immer sofort je 1 Dollar von der Bank – egal, wer verkauft hat! Auch die Lagerhalle für 10 Dollar ist nicht zu verachten: Normalerweise darfst du maximal zehn Waren gleichzeitig besitzen, ohne überzählige verkaufen zu müssen. Mit einer Lagerhalle erhöhst du das Limit sofort auf 14. Oft genug war das in den Testrunden schon überlebenswichtig.
Alle Bauwerke und Finessen aufzuzählen, würde hier zu weit führen. Ihr müsst euch sowieso Raccoon Tycoon Stück für Stück annähern. Das geht problemlos, denn auf der einen Seite ist die Spielanleitung sehr gut und übersichtlich gemacht, auf der anderen empfindet man die Karten und Plättchen rasch als selbsterklärend. Das Spielmaterial ist von der Qualität her übrigens exzellent!
Das Anfangsproblem bei Ryccoon Tycoon ist vielmehr, dass noch nicht durchschaut werden kann, was weniger oder viel wichtiger ist, wenn man vor der Entscheidung steht, welche Aktion gewählt wird. Dass am Ende die bei den Versteigerungen gesammelten Anteile die übderwiegenden Siegpunkte bringen, das muss man erst lernen. Doch ohne Geld keine Musik! Am Ende ist es ein zutiefst kapitalistisches Sammelspiel, das mit einem netten, ans 19. Jahrhundert gemahnendes Tierfiguren-Szenario übertüncht wird. Man fragt sich, warum? Aber das ist egal. Wer Wirtschaftsspiele mag, ist hier genau richtig.
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Nochmals spielen? Doch, doch, um die vielen Möglichkeiten auszureizen |
Rund ums Spiel
Das Rezensionsexemplar wurde von Piatnik zur Verfügung gestellt |