Massentaugliche Erstlingswerke
Kendi heißt ein neuer Verlag, den der ehemalige Geschäftsführer von NSV, Franz Jurthe, und drei seiner dortigen Mitstreiter gegründet haben. So überrascht auch nicht: Mit den ersten drei Spielen wird fortgesetzt, was wir bereits bei NSV kennen gelernt und auch lieben gelernt haben.
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Nr. 1485: Durchmarsch | Spielwiese-Code | | E | 8 | | | |
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Was ist's?
Für wen?
Was braucht's?
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Nr. 1486: The Choice | Spielwiese-Code | | E | 8 | | | |
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Was ist's?
Für wen?
Was braucht's?
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Nr. 1487: Get it! | Spielwiese-Code | | G | 8 | | | |
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Was ist's?
Für wen?
Was braucht's?
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Die gute Nachricht
Günstiger Preis und überkomplette Ausstattung mit Stiften (bei den beiden Schreibspielen)
Die schlechte Nachricht
Jeweilige Genrefans werden kaum Neues entdecken
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Auf die Spitze getriebenes Zockerspiel: Durchmarsch. Der Name bedeutet, dass man – rein theoretisch – mit zehnmal hintereinander Würfeln alle Zahlen von 10 bis 1 abstreichen könnte. Gäbe es da nicht die fortlaufende Reduktion an Würfeln und die Gefahr, das nächste gewünschte Ergebnis nicht zu würfeln … Dann heißt es: Start von Neuem in einer neuen Reihe! |
Bilder: Kendi |
Rein ins Spiel!
Zwei der drei Spiele schwimmen auf der Welle, die vor genau zehn Jahren Autor Steffen Benndorf und der Verlag NSV mit Qwixx losgetreten hatten. Durchmarsch und The Choice sind demnach typische Schreibspiele – würfeln und ankreuzen. Autor ist hier in beiden Fällen Reinhard Staupe. Steffen Benndorf wiederum ist der Autor des dritten Spiels Get it! Und auch dieses Spiel hat seine Wurzeln in einem weiteren Bestseller von NSV – in The Game von 2015 von, ja, Steffen Benndorf. Wieder müssen gemeinsam und ohne zu sprechen Zahlenkarten in eine bestimmte Reihenfolge gebracht werden.
Im Westen also nichts Neues?
Nicht wirklich, wobei jedes drei drei Spiele seine Qualitäten hat. Bevor wir darauf näher eingehen, sei eines betont, nämlich dass auch hier das Erfolgsrezept von NSV durchgezogen wird: Supermarkt-taugliche preisgünstige Spiele mit einer einfachen Idee, die schnellen Zugang und Einstieg garantiert, und mit perfekt darauf abgestimmtem einfachen Material in der Gruppe Spaß machen muss.
Großartiger Spannungsbogen
Insofern tanzt Durchmarsch auf den ersten Blick aus der Reihe, spielmechanisch wenigstens. Denn wenn der aktive Spieler sein Glück versucht, müssen die anderen zuschauen und warten, bis sie an die Reihe kommen. Worum geht’s? Man schmeißt acht normale Zahlenwürfel. Lässt sich mit genau zwei Würfeln eine 10 bilden, streicht man die 10 auf seinem Block ab. Man kann aufhören oder sich an die 9 machen – mit einem Würfel weniger. Dann die 8 – wieder mit einem Würfel weniger. Fünf Würfel hat man jedoch immer als Minimum, auch wenn man die Zahlen 6 bis 1 nur dann abstreichen darf, wenn sie auf einem Würfel vorkommt. Hat man einen Fehlwurf, muss man im nächsten Durchlauf eine neue 10er-Reihe beginnen. Es gibt vier solcher Reihen, für jede darf man höchstens zweimal antreten. Durchmarsch endet sofort, wenn ein Spieler oder eine Spielerin eine 10er-Reihe vollendet.
Durchmarsch ist ein knallhartes Zockerspiel und den ausdrücklichen Hinweis am Beginn der Spielanleitung hätte es eigentlich nicht gebraucht, nämlich dass man die Mitspieler zum Aufhören oder Weitermachen anstacheln soll. Das tun sie ganz von selbst! Da hätten wir also doch noch das angesprochene Gruppenerlebnis. Die permanenten Sticheleien waren wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass dieses Spiel in unseren Testrunden am besten abgeschnitten hat.
So unberechenbar Durchmarsch in seiner Simplizität auch ist, vor jedem Würfelversuch geht der Sannungsbogen ein Stückchen weiter hoch. Schafft er oder sie es? Da fiebert man unweigerlich mit. Es kann sehr schnell gehen und auch das ist gut so. Graue Theorie als Tipp: Bei diesem Can’t-stop-Spiel sollte man nicht öfter als dreimal am Stück sein Glück herausfordern, sondern lieber aufhören und wieder mit acht Würfeln fortsetzen, wenn man wieder dran ist. Aber genau in dieser Zeit könnte ja ein anderer … also doch lieber weiterwürfeln?
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Bei The Choice will man nach Möglichkeit alle drei Würfel verwenden: Um damit entweder Zahlen in der Mitte zu verbinden oder Farbefelder im Außenring abzustreichen. |
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Du hast die Wahl
The Choice, das zweite neue Schreibspiel des neuen Verlags, bindet bei jedem Wurf alle Spieler ein. Es können 2 bis 4 Spieler teilnehmen. Es gibt einen aktiver Spieler, der drei unterschiedlich kombinierte Zahlen-/Farbwürfel schmeißt, beim Ergebnis haben aber auch die Mitspieler die titelgebende Wahl, ob und wofür sie einen, zwei oder alle drei Würfelergebnisse bei sich auf ihrem Zettel eintragen. Dort gibt es 13 wabenförmige Felder mit Zahlen darin und rundherum einen Kranz mit wabenförmigen Farbfeldern. Man nutzt im Idealfall alle drei Würfel. Natürlich gibt es dabei verschiedene Möglichkeiten, aber noch mehr Einschränkungen. Denn von einem Zahlenfeld aus kann immer nur ein benachbartes Zahlenfeld angeschlossen werden (Würfelzahlen können und müssen zum Teil dafür sogar addiert werden) und beim Farbkranz können ebenfalls nur zu bereits angekreuzten Farbfeldern benachbarte verwendet werden. Immerhin aber sowohl nach der einen wie nach der anderen Richtung. Je länger die Zahlen- und die Farbschlange sind, umso mehr Punkte gibt es dafür. Und auch bei The Choice kommt Fehlwürfen eine besondere Bedeutung zu:
- nach dem dritten Fehlwurf wird der Zettel abgerechnet und der Spieler setzt auf der Rückseite des Zettels The Choice fort, auf der Zahlen und Farben übrigens anders angeordnet sind (insgesamt sind es 20 Varianten)
- der aktive Spieler hat einen Fehlwurf, wenn er nicht alle drei Würfel verwenden kann
- die Mitspieler müssen zumindest zwei Würfel verwenden, um einem Fehlwurf zu entgehen.
Das ist alles etwas krückenhaft und arg bemüht. Es ist ja nett, dass nach jedem Wurf sich alle etwas aussuchen können, das trägt die Spielfreude jedoch nicht auf Dauer. Als familien- oder freundestaugliches Positivum muss aber noch einmal festgehalten werden: Es gibt für keinen Spieler irgendeine Wartezeit; alle sind ständig involviert.
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Wäre eigentlich ganz einfach, würde man die eigenen Karten bei Get it! kennen: Stumm und gemeinsam Karten und Sonderkarten in aufsteigende Reihe bringen. |
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Ein bisschen Hanabi, ein bisschen The Game …
Steffen Benndorf läutetet mit The Game eine Serie stumme Herausforderungen ein, den bisher größten Erfolg mit ein Spiel dieser Art heimste jedoch fünf Jahre später Thomas Sing bei Kosmos mit dem Gewinn der Auszeichnung Kennerspiel des Jahres für Die Crew ein. Keiner hat gesagt, dass die Welt gerecht ist.
Benndorfs Neuheit Get it! ist nah bei The Game dran. Den 3 bis 6 Spielern wird hier allerdings aktiv unter die Arme gegriffen. Zuerst schaut sich jeder seine Handkarten an und sortiert sie so, dass die höchste Zahl ganz unten und die niedrigste Zahl ganz oben liegt, bevor alle als verdeckter Stapel an den Nachbarn weitergegeben werden. Der oder eigentlich die zwei springenden Punkte sind, dass man a) seine Karten nicht kennt und b) immer nur jene Karten sieht, die die anderen vor sich aufdecken, nie die eigene. Dazu stellen alle die oberste Karte ihres Stapels mit der Rückseite zu sich hochkant auf. Wer Hanabi bei Abacus kennt oder sich an Pow-Wow bei Ravensburger erinnert (eine andere Version des genialen Coyote bei Kidult und später bei Heidelberger), ahnt es schon: Man muss die unvollständige Information verarbeiten und sich seinen Reim darauf machen. Da nicht gesprochen werden darf, wird hier gegrinst, gelächelt, bewusst zur Seite geschaut und Ähnliches. Am Anfang, in der ersten Runde, ist es noch relativ einfach. Jeder blickt auf jenen Mitspieler, bei dem er die niedrigste von allen Karten sieht. Wer von mehreren angestarrt wird, darf fast immer zurecht davon ausgehen, die niedrigste Karte zu zeigen und legt sie in der Tischmitte ab. Dann deckt er seine nächste Karte auf und jetzt ist eine andere Karte am Tisch die niedrigste usw. Mit jeder Runde wird es schwieriger, weil Sonderkarten eingemischt werden.
Weil die Aufgaben alle innerhalb von 60 Sekunden gemeinsam gelöst werden müssen, nimmt der Druck auf die Spieler kontinuierlich zu. Das mag nicht jeder. Man muss Get it! aber auch nicht mit Gewalt über alle Level spielen.
Interessant zu erfahren ist auf jeden Fall, wie schnell sich eine Runde aufeinander einstellen kann. Für Get it! lautet deshalb unsere Empfehlung, das Spiel an den Beginn eines Spieleabends zu setzen und – sollten bewusstseinsverändernde Substanzen wie Alkohol zu sich genommen werden – keinesfalls als Absacker.
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Nochmals spielen? siehe oben |
Rund um die Spiele
Die Rezensionsexemplare wurden von Kendi Games zur Verfügung gestellt |