Die Waldgeister, die ich rief …
Nicht einfach, aber einfach schön im optischen Sinn: Living Forest ist ein gelungenes Erstlingswerk, auch wenn wir die verschiedenen Siegbedingungen ungleich bewerten. Der positive Gesamteindruck überwiegt.
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Nr. 1430: Living Forest | Spielwiese-Code | ![]() ![]() |
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Was ist's?
Für wen?
Was braucht's?
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Die gute Nachricht
Die Geschichte wird sehr gut lebendig: Illustratorin Apolline Etienne hat einen Spitzenjob gemacht
Die schlechte Nachricht
Für ein Familienspiel ist der Einstieg zu kompliziert
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Herzstück des Spiels: Die Auslage der Tiere. Deren Kosten sind rechts unten angegeben. Wird ein Tier aus der Auslage erworben, kommt für jede Lücke am Ende der Runde ein Flamme in den Steinkreis. Der Wert der Flamme hängt von der Reihe ab und beträgt 2, 3 oder 4 Bilder: spielwiese.at |
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Am Beginn einer Runde versucht jeder Spieler sein Glück und deckt ein Tier nach dem anderen auf. Am Ende dürfen darunter nicht mehr als drei Einzelgänger sein (erkennbar am schwarzen Symbol oben links), wobei jedes gesellige Tier (grauer Kreis), wie hier die letzte Karte, je 1 Einzelgänger neutralisert. Hier könnte der Spieler noch weiter sein Glück versuchen, da erst 2-1=1 Einzelgänger zählt. Damit könnte der Spieler in der anschließenden Aktionsphase bereits mit den sichtbaren 3+3+3+3=10 Sonnen ein oder mehrere Tiere aus der Auslage im Gesamtwert 10 erwerben. Mit den 1+1+1=3 Wasser-Symbolen ließe sich entweder eine Flamme mit dem Wert 3 odere 2 löschen und das Flammenplättchen zu sich nehmen. |
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Eine von drei Siegmöglichkeiten bei Living Forest ist seinen Wald mit 12 verschiedenen Bäumen zu bepflanzen. Bäume sind unterschiedlich teuer und bringen wie die Tiere wichtige Symbole für das Ausführen von Aktionen zutage. | |
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Rein ins Spiel!
Verwunschene Bäume, Wälder und Naturgeister liegen derzeit ja voll im Trend. Wald der Wunder, Schätze des Waldes, Everdell, Codex Naturalis, Baumkronen oder auch Wonder Book, um nur einige der jüngeren Neuheiten zu nennen. Auch Living Forest schlägt in diese Kerbe. Wir haben es dabei mit einem Spiel zu tun, das zahlreiche moderne Elemente miteinander verstrickt. Unter anderem Deckbuilding, einen starken Faktor sein Glück herauszufordern, wir spielen zeitweise simultan, wir haben eine Kartenauslage und wir platzieren nach bestimmten Anfordernissen Plättchen. Zusammengenommen müssen wir etwas sammeln – was, dafür gibt es drei Möglichkeiten.
Denn, und damit kommen wir zur hübschen Rahmengeschichte dieses Spiels, wir als Naturgeister wollen den Wald vor den Flammen des Onibi abwehren: Dazu pflanzen wir entweder 12 unterschiedliche Bäume als eine Art Schutzschild, löschen 12 Feuer gelöscht oder sammeln 12 Heilige Blumen. Was nach Kooperationsspiel klingt, ist keins. Der Spieler, der als Erster eine dieser drei Bedingungen erfüllt, gewinnt das Spiel.
Da ist viel Mystik dabei. So hat uns ein gewisser Sanki Fragmente seiner Magie hinterlassen und überhaupt funktioniert alles nur, wenn wir die richtigen Tiere zu uns locken, die dann gemeinsam mit einem schützenden Wall aus Bäumen den Flammen Paroli bieten. Schon dieser kleine thematische Überblick lässt erahnen, dass bei Living Forest auf mehr als nur ein, zwei Dinge zu achten ist. In der Tat.
Am Tisch wartet recht viel Spielmaterial auf seinen Einsatz. Jeder hat ein 5 x 3 Felder großen Wald vor sich, der bis auf einen Start-Baum noch „unbepflanzt“ ist. Hier legen wir nach und nach weitere Bäume hinzu. Zentral ist die Auslage von 12 Tieren in drei Reihen. Diese Tiere in Form von toll ilustrierten Karten kosten eine bestimmte Summe, erlauben bis zu vier unterschiedliche Aktionen und/oder zeigen Heilige Blumen. Ganz entscheidend: Jedes Tier ist entweder ein Einzelgänger, gesellig oder verhält sich gegenüber anderen Tieren neutral.
Damit kommen wir zu einem Punkt von Living Forest, den wir für sehr gelungen halten und deshalb ganz besonders lieben. Am Beginn einer Runde findet die sogenannte Tierphase statt. Dabei versuchen die Spieler ihr Glück, indem sie von ihrem Stapel Tiere aufdecken. Motto: Hör ich auf oder riskiere ich mehr? Beim dritten Einzelgänger ist nämlich Schluss, wobei jedes gesellige Tier einen Einzelgänger neutralisiert. Wer frühzeitig stoppt und weniger als drei Einzelgänger aufgedeckt hat, der darf in der Aktionsphase zwei Aktionen ausführen. Wer drei Einzelgänger aufgedeckt hat, darf nur eine Aktion ausführen.
Da gibt es auf den Karten (nicht allen) das Element des Sämlings. Sichtbare Sämlinge erlauben einen Baum dem Vorrat zu entnehmen und bei sich im Wald zu pflanzen. Beispiel: 5 sichtbare Sämlinge ergibt 1 Baum mit dem Wert 5 oder niedriger. Es gibt ein Symbol für den Steinkreis, wo eine eigene Spielfigur bewegt wird, mit der es Boni oder andere Vorteile zu ergattern gibt. Und es gibt Sonnen- und Wasser-Symbole. Die Sonnen stellen sozusagen die Währung dar, mit der Tiere aus der Auslage bezahlt werden. Diese erworbenen neuen Tiere kommen auf den persönlichen Nachziehstapel obenauf. Sie werden in also schon in der nächsten runde als erste aufgeddeckt und fetten mit ihren Symbolen die Möglichkeiten für Aktionen auf. Es kann durchaus günstig sein dafür in Kauf zu nehmen, dass es sich um einen Einzelgänger handelt. Weil dieses Tier – nur als Beispiel – besonders viele Wasser-Symbole zeigt. Je mehr Wasser-Symbole auf meinen aufgedeckten Tieren sichtbar sind (später auch im Wald, siehe Bild rechts), umso mehr Feuer kann ich löschen, wenn ich mich für diese Aktion entscheide.
Gerade im Zusammenhang zwischen Feuer und Wasser hat sich der dänische Autor Aske Christiansen bei seinem Erstlingswerk eine gute und nachvollziehbare Verschränkung einfallen lassen. Für jedes Tier, das aus der Auswahl genommen wurde, kommt am Rundenende ein Flammenplättchen in den Steinkreis. Ob dessen Wert 2, 3 oder 4 beträgt, hängt von der Reihe ab, in der das entnommene Tier eine Lücke hinterlassen hat. Doch zuvor noch muss jeder Spieler schauen, ob er bei seinen aufgedeckten Tieren überhaupt mehr Wasser-Symbole hat hat, als Flammen im Steinkreis liegen. Wenn nicht, gelangen zwei „Strafkarten“ ins eigene Deck, die jeweils einen Einzelgänger darstellen. (Wenn ein Spieler in der Aktionsphase Flammen gelöscht und gesammelt hat, hat er dadurch indirekt auch den anderen geholfen – hier, nur hier blitzt auch ein ganz wenig Kooperationsspiel durch)
Fazit oder Wie man am ehesten gewinnt
Living Forest hat mehrere verschiedenen Spielebenen. Sie sind zu Beginn schwer zu durchschauen, am Ende aber alle schlüssig. Bei den drei möglichen Siegbedingungen sehen wir allerdings ein gewisses Ungleichgewicht. Uns ist es jedenfalls so ergangen, dass das Siegen am schwersten möglich war, wenn man sich auf Heilige Blumen konzentriert hatte. Umgekehrt: Flammenplättchen zu sammeln, erscheint uns als die am leichtesten und schnellsten duchrführbare Möglichkeit, sich den Spielsieg zu sichern. Auch vor allen anderen 12 unterschiedliche Bäume zu sammeln ist möglich, wenn man Bonusplättchen und strategisch die entsprechenden Aktionen im Steinkreis einbezieht.
Du merktst: In diesem Fazit schwingt auch eine Portion Unwägbarkeit mit. Gerade weil Living Forest davon abhängt, wann zum Beispiel welche Tiere ausliegen (und genommen werden) und wann sie aus dem persönlichen Deck ans Tageslicht aufgedeckt werden, steckt zu viel Varianz drin, dass es kein Patentrezept für einen linearen Fortgang gibt.
In welcher Schwierigkeitsklasse ordnet man dieses Spiel demnach ein? Pegasus entschied sich für die Kategorie Familienspiele. Das ist sehr mutig. Es wird Familien geben, die am Regelwerk bzw. an der Spielanleitung scheitern werden. Auch wenn, und das sei betont, man nach ersten Hürden in Spielfluss kommt und die auf der Schachtel angegebenen 30 bis 60 Minuten zu schaffen sind. In Frankreich, woher das Spiel kommt (Verlag Ludonaute), hat es die Jury für den wichtigsten französischen Spielepreis As d’Or in die Kategorie „Insiderspiel“ gesteckt. Und Living Forest auch prompt den Sieg zuerkannt. Die dieses Jahr neu geschaffene Kategorie „Insiderspiel“ schließt beim französischen Spielepreis die Lücke zwischen Familien- und Expertenspiel. Bei Spiel des Jahres wäre Living Forest demnach unbedingt ein Kennerspiel. In dieser Kategorie haben es auch wir von spielwiese.at verortet.
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Nochmals spielen? Man muss sich mit diesem Spiel anfreunden. Das gelingt nicht jedem, vor allem micht, wenn er sich ans Versprechen eines (einfachen) Familienspiels gehalten hat. Ist das Eis gebrochen, kommt die Lust auf mehr. |
Rund ums Spiel
Das Rezensionsexemplar wurde von Pegasus zur Verfügung gestellt |