Weltretter vs. Geldscheffler
Achtung Vorurteile, die bekräftigt werden! Dieses Spiel funktioniert so, wie sich der kleine Maxe die große Umweltpolitik vorstellt. Lobbyismus, Habgier, Korruption. Im kleinen Maßstab bildet Kyoto das alles ab.
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Nr. 1393: Kyoto | Spielwiese-Code | | G | 12 | | | |
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Was ist's?
Für wen?
Was braucht's?
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Bei Kyoto hält jeder Spieler seine beiden Agendakarten (l.) geheim. Sie geben an, welchen Lobbys er angehört und welche "Belohnungen" am Spielende warten. Voraussetzung: Er handelt entsprechend den Lobbyzielen, wenn pro Runde eine Umweltstudie (r.) veröffentliicht wird . Bilder: Deep Print |
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Jede Studie gibt Ziele zur Rettung des Klimas vor, deren Erfüllung Geld und bestimmte Wohlstandskarten erfordern (würden). Werden Ziele verfehlt, hat das Auswirkungen (oben) auf die Erderwärmung, das Tiersterben und/oder die Luftverschmutzung. |
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Die gute Nachricht
Verhandlungszeit von 90 Sekunden ist genau richtig
Die schlechte Nachricht
Die Spielanleitung finden einige zu wenig zielgerichtet; die Geldscheine wünscht man sich aus besserem Papier
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Rein ins Spiel!
Dieses Spiel kann ganz unterschiedlich verlaufen. Das ist einerseits in seinem speziellen Mechanismus veranlagt. Das ist gut. Weniger gut ist, dass genau dieser Mechanismus manche auch ratlos zurück lässt, weil die Spielanleitung, sagen wir: suboptimal ist. Mehrere unserer Testspieler hätten ohne Unterstützung bereits erfahrener Kyoto-Spieler sehr schnell und frühzeitig das Handtuch (und das Spiel in eine Ecke) geworfen.
Wie führt eine Anleitung am besten an ein Spiel heran? Es ist ein altes Dilemma. Die erste Aktion benennen und alles, was sein könnte, anführen bevor der zweite Schritt überhaupt erwähnt wird – oder die Schritte sehr knapp schildern und alle Vorkommnisse Fälle, die eintretten könnten, später separat beschreiben? Das einmal zu zwei grundlegenden Herangehensweisen. Bei Kyoto orientierten sich die Macher an der ersten und lassen auf mehreren (kleinformatigen, aber eng bedruckten) Seiten vorerst offen, was die einzelnen Schritte sollen und was man als Spieler davon hat. Um jetzt die Stimmung wieder zu heben, springen wir an dieser Stelle zu etwas sehr Positivem und quasi ans Ende von Kyoto: Zur Kunst des Spielemachers gehört, für eine gerechte Schlusswertung zu sorgen und dabei all die vielen kleinen Schritte von Spielbeginn bis -ende zu würdigen. Das ist bei Kyoto gelungen. Das Spielsystem ist sehr durchdacht, das merkt man eben auch bei der Abrechnung (wobei uns auch die Umsetzung mit den kleinen Flaggenmarkern, die an der Erdkugel entlang verschoben werden, sehr gut gefällt).
Wie also bringt man den Reiz von Kyoto rüber? Wir versuchen es auf unsere Art. Kyoto ist ein Verhandlungsspiel für 3 bis 6 Spieler. Wer eher mundfaul ist, wird keine Freude an dem Spiel haben. Unserer Erfahrung nach sollte man für Kyoto mindestens vier Spieler versammeln, zu dritt ist einfach zu wenig Interaktion am Tisch. An ihm simulieren wir die Klimakonferenz von 1997, die in Kyoto stattfand und zum Kyoto-Protokoll führte. Es geht also um eine durchaus ernste Sache. Das Anliegen wird dennoch mit Augenzwinkern transportiert, wobei Kyoto nicht ins nonsens-behaftete Satire-Spiel abdriftet.
Wichtiger Punkt: Unsere Klimakonferenz kann erfolgreich sein, sie kann aber auch scheitern (was sie sehr oft tut), doch so oder so, gibt es jeweils eine Schlusswertung und einen Sieger.
Die Konferenz scheitert, wenn fünf Tierarten ausgestorben sind oder die globale Erderwärmung oder die globale Luftverschmutzung zum fünften Mal in den kritischen Bereich gerät. In maximal zwölf Runden haben alle Spieler die Möglichkeit mit sogenannten Wohlstandskarten oder Geld auf das Weltgeschehen Einfluss zu nehmen. Zu Beginn jeder Runde hat immer ein anderer Spieler den Vorsitz der Konferenz und auch ein paar Vorteile in dieser Rolle. Wer den Vorsitz hat, nimmt vom Stapel zwei Studien, schaut sie aus, wählt eine davon aus und gibt sie der Runde bekannt. Bei jeder Studie geht es um drei Dinge:
- sie gibt ein sogenanntes Reduzierungsziel vor. Das funktioniert über die übereinstimmenden Symbole auf den Wohlstandskarten. Meist geht um Tonnenangaben für CO2, die insgesamt in dieser Runde eingespart werden sollen; es können aber auch Symbole für Erderwärmung, Luftverschmutzung oder Tiersterben sein
- immer geht es auch um ein Finanzierungsziel: eine bestimmte Summe, die gemeinsam von den Spielern aufgebracht werden soll
- kommt eines der beiden Ziele nicht zustande, wird als drittes ein daraus resultierender Schaden genannt. Einen zweiten Schaden, der ebenfalls eintritt, kennt nur der Spieler, der den Vorsitz inne hat. Die Schäden werden über das Umdrehen von Plättchen festgehalten, wobei es auch zu Kettenreaktionen kommt!
Wäre Kyoto ein rein kooperatives Spiel, würde jeder Spieler entsprechend hilfreiche Wohlstandskarten oder Geldscheine in die Mitte werfen. Was auf Dauer ziemlich fad wäre. Es ist aber so: Bei jeder Studie entscheidet jeder Spieler für sich, ob er die Ziele unterstützen will oder, falls nicht, die Schäden in Kauf nimmt. Denn wir spielen mit geheimen Rollen. Vordergründig – und nur zur Unterscheidung für die Wertung – repräsentieren wir Europa, Kanada, China, die USA, Australien oder Russland. Wen genau ist völlig egal. Wirklich von Belang sind die Bedingungen von zwei Agendakarten, die wir uns zu Beginn aus drei zufällig zugeteilten ausgesucht haben. Dadurch ist Kyoto jedes Mal anders. Mal agieren wir als Büttel der Erdöl-Lobby, mal als Unterstützer der Pharmaindustrie, eher seltener als Vertreter einer umweltfreundlichen Vereinigung, denn solche Agendakarten sind in der Minderheit. Hat jemand die „Schweizer Bank“, dann kann er durch deren destruktive Rolle eine Partie sehr schnell zu Ende bringen. Wie eingangs schon erwähnt: Vorurteile werden hier absolut bedient.
90 Sekunden bleiben der Spielerrunde Zeit, eine Studie zu „debattieren“, etwas beizusteuern oder auch einen Mitspieler zu bestechen, damit er eine bestimmte Wohlstandskarte ausspielt oder wieder zurück nimmt. Das Handeln hängt von den zwei Versprechen fürs Spielende ab, die sich auf den Agendakarten befinden. Ein Beispiel: Wenn du ein Lobbyist der Kohleindustrie bist, profitierst du am Ende mit (Zusatz-)Punkten von einer möglichst hohen Luftverschmutzung. Bei der Schlusswertung geht es unter anderem auch darum, noch möglichst viel Geld in seiner Staatskasse zu haben. Auch dafür gibt es abgestuft Punkte.
Um die Intention des Klimaschutzes bei diesem Spiels zu wahren, haben sich die beiden jungen österreichischen Autoren für zwei unterschiedliche Wertungen entschieden. Konnte alle Studienkarten durchgespielt werden ohne dass ein Schaden die kritische Marke erreichte, die Klimakonferenz also erfolgreich war, gewinnt das Land mit den meisten Punkten. Ist die Klimakonferenz jedoch gescheitert, wird das Land mit den meisten Punkten vom Sieg ausgeschlossen! Denn es hat die Zerstörung der Umwelt am stärksten vorangetrieben. Es gewinnt das Land mit den zweitmeisten Punkten, weil dessen Spieler am besten die Balance aus Umweltschutz und Wohlstand für sein Land halten konnte.
Fazit
Kyoto kann Spaß machen, eine Garantie dafür gibt es nicht. Viel hängt von der Zusammensetzung der Gruppe ab: Wie stark lässt man sich auf diese Art Spiel ein, das sowohl kooperative wie auch kompetitive Elemente hat? Interessiert einen überhaupt das Thema oder nimmt man es womöglich zu ernst und kämpft man zu verbissen? Eine gewisse Zeit braucht es auf jeden Fall, sich mit dem Spielmechanismus und dem Spielmaterial zurechtzufinden, denn Übersichtlichkeit ist nicht unbedingt die Stärke dieses Spieles.
Wie immer eine Partie Kyoto auch ausgeht, es ist wie bei Gerüchten: Ein Funken Wahrheit – hier ein Stückchen Realität – ist fast immer dabei.
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Nochmals spielen? Es ist nicht jedermanns Sache. Hier macht die Zusammensetzung der Gruppe viel aus! |
Rund ums Spiel
Das Rezensionsexemplar wurde von Pegasus zur Verfügung gestellt |