Kampf ums Erbe im Wilden Westen
Daddy Winchester ist ein fesselndes Versteigerungsspiel von Huch. Alle Testrunden waren sehr, sehr angetan. Das Familienspiel verdient eine ausführlichere Besprechung.
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Nr. 1361: Daddy Winchester | Spielwiese-Code | ![]() ![]() |
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Was ist's?
Für wen?
Was braucht's?
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Die gute Nachricht
Verläuft in jeder Partie und in jeder Zusammensetzung anders – es wird nicht langweilig
Die schlechte Nachricht
Einzig die Bilder der „Offenen Ziele“ und „Geheimen Ziele“ in der Anleitung hätten größer und deutlicher ausfallen können. Bei nicht optimalen Lichtverhältnissen ist das Identifizieren mühsam. Ansonsten sind Spielmaterial und Anleitung top!
Rein ins Spiel!
Der alte Daddy Winchester ist tot und die Spieler, die potenziellen Erben, machen sich über sein vorhandenes Barvermögen und seine vielen Grundstücke entlang eines Flusses her. Das ist die Geschichte, angesiedelt irgendwo im Wilden Westen. Satte Prärie, Wälder, ein Saloon, eine Ranch, eine Wüste samt drei Minen. Alles reichlich, alles klischeehaft, aber klar gegliedert und optisch sehr gefällig aufbereitet. Ein Raddampfer und eine Eisenbahn zuckeln als 3D-Objekte durch Daddy Winchesters Reich und werten das Szenario zusätzlich auf.
Daddy Winchester ist ein Versteigerungsspiel. Das heißt konkret: Die insgesamt 19 Grundstücke kommen nach und nach unter den Hammer. Ihr wahrer Wert bleibt bis ans Spielende verborgen, weil jeder Spieler zwei geheime Aufgaben hat, die ihm bei der Schlussabrechnung noch sehr viel Geld einbringen können. Nur vier Grundstücke – die Ranch als Familiensitz und die drei Minen – spülen denjenigen Spielern, die sie ersteigern, sofort Geld in die Kasse.
Apropos Geld. Das halten die Erben voreinander geheim. Das macht einen der Reize des Spiels aus. Aber der beste: Auch wer bei einer Versteigerung leer ausgeht, erhält in der Regel Geld. Der besondere Auktionsmechanismus geht nämlich so: Der Startspieler einer Runde gibt als Erster sein Gebot für ein Grundstück ab, der nächste muss es erhöhen usw. Wer passt, ist für diese Runde außen vor. Kommt kein höheres Gebot mehr, bezahlt der Spieler, der das Grundstück ersteigert hat, die anderen zu gleichen Teilen aus, eine Restsumme kommt in den Saloon. Beispiele bei vier Spielern: André hat für 5000 Dollar den Zuschlag erhalten. Seine drei Mitspieler erhalten von ihm jeweils 1000 Dollar, der Rest von 2000 ist nicht durch drei teilbar und kommt deshalb aufs Saloon-Feld. Hätte André 6000 Dollar bezahlen müssen, hätten die drei Mitspieler jeweils 2000 Dollar von ihm erhalten und im Saloon wäre nichts gelandet. Wäre der Zuschlag schon bei 2000 Dollar erfolgt, käme die gesamte Kaufsumme in den Jackpot.
Verlockendes Geld
Das mitunter viele Geld, das sich im Saloon angesammelt hat, ist verlockend. Es fällt demjenigen Spieler zu, der als Nächster ein Grundstück ersteigert, auf dem ein Saloon-Plättchen liegt. Generell: Auf jedem Grundstück liegt anfangs entweder ein zufällig platziertes Saloon-Plättchen, ein Gerüchte-Plättchen oder ein Plättchen, das den Raddampfer und die Eisenbahn zeigt. Welches Grundstück – mit welchem Plättchen – in einer Runde versteigert wird, auch das bestimmt der Zufall. Der Nutzen der beiden anderen Plättchen:
• Mit einem Gerücht darf der Spieler sich eine der drei Minenkarten, die Ranch-Karte oder ein "Geheimes Ziel" (Auftragskarte) eines Mitspieler ansehen. Es ist nämlich gut zu wissen, inwieweit sich das Ersteigern der Ranch oder einer Mine lohnt – die Belohnung, die sofort ausgeschüttet wird, schwankt zwischen Null und 5000 Dollar.
• Ein Plättchen mit den beiden Fahrzeugen kann vergleichsweise wenig Geld bringen. Wer ein entsprechendes Grundstück mit einem solchen Plättchen ersteigert, darf entweder die Eisenbahn oder den Dampfer beliebig versetzen oder auch stehen lassen, und jeder Mitspieler erhält für jedes Grundstück, das nun an das Fahrzeug angrenzt, jeweils 1000 Dollar. Das ist nicht viel, aber man freut sich.
Versteigern, Mitspieler auszahlen, Grundstück mit einem Cowboyhut seiner Farbe markieren, die Aktion des jeweiligen Plättchen ausführen – schon ist eine Runde vorbei. Der Ablauf von Daddy Winchester ist schnell und unkompliziert und nur einer von mehreren Punkten, der für ein gutes Familienspiel spricht. Ein anderer, über den Sieg entscheidender, ist die Geheimniskrämerei der Erben, die im Hintergrund das Spielverhalten bestimmt. Jeder Spieler hat zu Beginn ja zwei Karten mit „Geheimen Zielen“ erhalten. Ein solches Ziel kann sein, möglichst viele Wüsten-Grundstücke in seinen Besitz zu bekommen, weil bei der Endabrechnung jedes einzelne mit 3000 Dollar aus der Bank belohnt wird. Gleiches gilt für Prärie und Wald. Oder: 5000 Dollar für jedes Grundstück mit einer Mine. Daneben gibt es noch fünf „Offene Ziele“, die ebenfalls mit Aufgabenkarten definiert sind, unter die bei Beginn zwischen 3000 und 7000 Dollar gelegt werden. Dieses Geld erhält, wer als Erster ein solches Ziel erfüllt, zum Beispiel drei Grundstücke erworben zu haben, die nicht am Fluss liegen.
Immer schön bedeckt halten!
Man trachtet demnach bei Daddy Winchester danach, seine Auftragskarten möglichst gut zu erfüllen, sich dabei aber bedeckt zu halten. Ein wenig Bluff gehört also auch dazu, um Versteigerungssummen in die Höhe zu treiben oder genau das zu verhindern. Denn das Geld bleibt meistens knapp, Schulden oder Darlehen gibt es nicht. Nur Bares ist Wahres. Ein einziges Mal während einer Partie hat jeder Spieler die Möglichkeit, einer Auktion ein früheres Ende zu versetzen. Sobald nur noch zwei Spieler an einer Auktion beteiligt sind, kann einer den anderen zum Duell fordern. Die Auktion stoppt beim letztgenannten Gebot und beide haben durch Ziehen einer Ja- oder Nein-Revolverkarte die 50:50-Chance, das entsprechende Grundstück „billiger“ zu erhalten. Ein Duell will als einmalige Gelegenheit gut überlegt sein. Es ist ein Kniff, dessen Wert man nach ein, zwei Partien erst richtig zu schätzen weiß.
Bei diesem Familienspiel haben sich im Test verschiedene Gewinnstrategien als erfolgreich herausgestellt – oder wenigstens glaubten das die Spieler. Beim Spiel zu dritt – was übrigens hervorragend funktioniert und wiederum keine Selbstverständlichkeit ist! – beispielsweise kann man gut hasardieren. Hier lohnt sich wegen der geringen Spieleranzahl und niedriger Restsumme der Saloon nicht wirklich. Ganz anders als beim Spiel zu fünft. Besser ist es die Gebote hinaufzuschrauben, ab einer guten Quote (3000 Dollar) aber auszusteigen und auf jeden Fall Bargeld zu scheffeln.
Freilich: Alles hängt auch davon ab, welche „Geheimen Ziele“ man erhalten hat, wie einfach sie zu erfüllen sind und nicht zuletzt, ob sie sich mehr oder weniger lohnen. Es macht einen großen Unterschied, ob diese Ziele am Ende für eigene Grundstücke 3000 oder 5000 Dollar bringen. Hat man gleich zwei „Geheime Ziele“, die eher niedrige Summen versprechen, ist man eindeutig benachteiligt. So oder so: Spielt man zu viert oder zu fünft, sollte man seine „Geheimen Ziele“ niemals aus den Augen verlieren. Und noch etwas: Es gibt insgesamt zehn „Offene Ziele“ im Spiel, von denen aber nur fünf zufällig ausgewählte zum Einsatz kommen. Jene, die einem Spieler sofort 3000, 4000 oder 5000 Dollar bei Erfüllung der Bedingungen bringen, sind ja ein nettes Zubrot. Wer kann, spekuliert jedoch auf jene „Offenen Ziele“, die 6000 oder gar 7000 Dollar bringen.
Zeit vergeht wie im Flug
Man erschrickt vielleicht, was bei Daddy Winchester alles beachtet werden soll. Die Sache ist aber halb so schlimm. Die zahlreichen Variablen des Spiels sorgen zwar bei jeder Partie und abhängig von der Spieleranzahl für eine andere Grundkonstellation. Man kann es jedoch auch so formulieren: Dieser Abwechslungsreichtum ist eine Stärke des Spiels, das auch durch seine relativ kurze Dauer hohen Wiederspielreiz besitzt. Die 19 Runden vergehen wie im Flug. Jede Partie ist anders, und ihr Verlauf hängt auch stark davon ab, welche Grundstücke – und mit ihnen welche Plättchen – zu welchem Zeitpunkt ins Spiel kommen. Orientiert man sich an seinen „Geheimen Zielen“ und schaut darauf, so gut es geht, eine eiserne Reserve an Bargeld auf der Seite zu haben, macht man nichts verkehrt.
Alle sind ständig eingebunden
Sowohl die Erwachsenen unserer Testrunden, darunter Immobiliensachverständige als „Profis“, als auch 10-, 12-Jährige waren von der Thematik und ihrer Umsetzung regelrecht begeistert. Daddy Winchester bietet als hervorragendes Familienspiel ausreichend Raum für Taktiker. Durch den Versteigerungsmodus sind alle Spieler ständig involviert und 19 Mal geht der Puls immer ein bisschen hoch, wenn es heißt: „Tausend“ … „Zweitausend“ …
Bild: Huch
Nochmals spielen? Jeder Testspieler wollte! |
Rund ums Spiel
Das Rezensionsexemplar wurde von Huch zur Verfügung gestellt |