MESSEN UND FESTE. Axel Kaldenhoven im „Doppelpack“: Im Interview bewertet er als Aufsichtsratsvorsitzender der Spielwarenmesse den ersten „neuen“ Messetag, als Geschäftsführer von Schmidt Spiele bricht er eine Lanze für Spieleangebote auf vielen stationären Kanälen: „Wir dürfen das nicht den Versendern allein überlassen!“
Bild: Schmidt
spielwiese.at-Herausgeber Arno Miller verabredet sich mit Axel Kaldenhoven für den frühen Nachmittag von Messetag 1. Es ist erstmals ein Dienstag. Die Spielwarenmesse hat den Rhythmus geändert und traditionelle Dinge wie die kollektive Neuheitenschau gestrichen.
Erster Messetag, erste Eindrücke: Es gibt ausreichend Parkplätze, ich kam am Vormittag schneller und mit weniger Rempeln durch die Hallengänge. Angenehm für Besucher, aber offensichtlich weniger Leute … beunruhigt das den Aufsichtsratsvorsitzenden der Spielwarenmesse?
Axel Kaldenhoven: Nein, überhaupt nicht. Man muss den heutigen Dienstag mit dem ehemaligen Sonntag vergleichen. Da ist der heutige Dienstag um ein Vielfachen besser als der ehemalige Sonntag. Was ist das Problematischste für eine Messe? Auf der einen Seite eine Änderung der Location und auf der anderen eine Änderung des Datums. Das ist ein Lernprozess und es wird im nächsten Jahr in den Köpfen drin sein, dass die Messe nun am Dienstag beginnt.
Lässt sich das so einfach vergleichen?
Natürlich nicht. Am Ende kommt es immer darauf an, wie viel hat an netto-netto alles zusammen. 75.000 Besucher da, 80.000 da – meiner Meinung nach ist das nicht das Entscheidende. Für mich ist die Qualität der Besucher viel, viel wichtiger als die Quantität. Heute habe ich schon sehr, sehr spannende Besucher gehabt, sehr, sehr spannende Gespräche geführt.
Nicht zuletzt durch Corona sind alle Messen im Wandel. Wo geht die Spielwarenmesse hin? Ist sie überhaupt noch zeitgemäß?
Da muss man ja auch den Unterschied sehen zwischen operativem Geschäft, das natürlich ganz klar vom Vorstand geregelt wird und werden muss. Natürlich haben der Aufsichtsrat und der Aufsichtsratsvorsitzende das größte Interesse, dass die Interessen der Genossenschafter erfüllt werden. Dass die Messe ein Erfolg ist, dass die Messe wirtschaftlich ein Erfolg ist und dass sie auch weltweit eine Rolle spielt. Da haben wir im Vergleich zu anderen Messen – schauen Sie sich Hongkong an – mit über 160.000 verkauften Quadratmeter sind wir dabei, wir haben über 2300 Aussteller – wir sind die weltweit erfolgreichste Spielwarenmessse. Das ist schon einmal ein Statement. Das zu halten, die Marktführerschaft zu halten, ist schon einmal eine Herausforderung, aber da bin ich bei Ihnen: Messern sind im Wandel, aber alles ist augenblicklich im Wandel. Es gibt viele Ideen von unserem Vorstand, die werden Stück für Stück verwirklicht. Ich bin da bester Dinge, dass da alles zielgerecht kommt.
Wie eine Messe die Händler als Besucher braucht, braucht eine Spielefirma die Händler als Kunden. Es gibt immer weniger Fachhändler – wie geht Schmidt Spiele damit um?
Das Wichtigste um erfolgreich auf dem Markt zu sein, glaube ich, ist die Sichtbarkeit. Die Sichtbarkeit in verschiedensten Kanälen. Wenn immer mehr Fachhändler sterben bzw. keine Nachfolgeregelung da ist, das beobachten wir natürlich mit Sorge. Aber man kann von mehreren Seiten gegensteuern. Die Betreuung vor Ort. Da ist der Außendienst ein ganz, ganz wichtiges Thema. Wir haben nach wie vor unseren Außendienst, wir werden ihn nach wie vor haben. Wir müssen aber gleichzeitig gucken, wie weit man sich anderen Geschäftsfeldern öffnen kann. Wo Spiele gesichtet werden wollen, wo Spiele gekauft werden wollen, da müssen wir aktiv sein. Wo der Endverbraucher gerne möchte, dass ein Spiel gekauft wird, da muss ein Spiel sein – und nicht andersrum.
Aber er geht ja nicht zum Aldi um ein Spiel zu kaufen. Außer er hat es vielleicht vorher im Prospekt gesehen.
Wenn ich mir den deutschen Umsatz anschaue, dann haben wir immer noch rund 20 Prozent Fachhandel, da hat sich in den letzten Jahren auch nicht so viel verschoben. Ich will gar nicht sagen, dass wir mehr Umsatz bei Aldi machen müssen, oder bei Lidl, oder im Diskont. Wir müssen da sein, wo das Interesse des Endverbrauchers ist ein Mensch ärgere Dich nicht zu kaufen. Wir haben auf der einen Seite den Impulskauf, beispielsweise bei einem Discounter, aber wir haben natürlich auch den geplanten Kauf. Und den dürfen wir den Versendern allein nicht einfach überlassen! Wenn ich mir überlege, dass wir vor 25 Jahren hergegangen wären und gesagt hätten wir wollen Spiele im Buchhandel verkaufen, dann hätte jeder gesagt: Das funktioniert überhaupt gar nicht! Wie könnt ihr das heilige Buch anfassen?! Heute sind Spielwarenabteilungen und gerade Brettspielabteilungen in vielen Buchhandlungen gang und gäbe. Das kann woanders auch passieren.
Wie viel macht das bei Schmidt aus?
Das kann ich genau gar nicht sagen, weil wir viel, gerade für kleine Buchhändler, über Grossisten machen. Das ist nicht so viel wie im reinen stationären Spielefachhandel, aber das Segment wächst. Und dann kommt der Aspekt der Innenstadtlage hinzu. Ein Thalia ist in der Innenstadt, das ist für uns ganz, ganz wichtig. Was passiert, wenn es keinen Karstadt und keinen Kaufhof mehr gibt?!
Könnte derzeit passieren …
Das wird da und dort passieren. Und das ist für die Innenstadtlage schon ein Problem und damit auch für die Sichtbarkeit ein Problem. Weil ein Onlinekauf ist mehr ein geplanter Kauf, als wir alle denken. Du kannst zwar online auch stöbern, aber du suchst! Wenn du in ein Spielwarengeschäft oder -abteilung gehst, hast du eine andere Intention zu kaufen. Die Beeinflussung und die visuelle Wahrnehmung ist ganz anders. Es kommen keine harten Zeiten, das wäre übertrieben: Wir arbeiten in einem stabilen Markt, aber es wird schnelllebiger und wir müssen uns anpassen, wo die Bedürfnisse sind. Das ist unser Job, dafür werden wir bezahlt.
Die letzte Frage schließt den Kreis zur Sichtbarkeit unvermutet, weil es um eventuelle Spieleveranstaltungen in Österreich geht. Schmidt stand immer hinter einer großen Verbraucherveranstaltung in Wien. Die letzten Versuche eines Spielefests waren, sagen wir: durchwachsen. Dann wollte keiner mehr, dieses Jahr wollten wie aus dem Nichts gleich drei ein Spielefest veranstalten. Was macht Schmidt?
Wir hatten vergangenes Jahr ein Presseevent, das würden wir gerne wieder machen. Wir können in Österreich nicht eine Veranstaltung wie eine Spielemesse stemmen, das geht rein logistisch nicht. Allerdings gucken wir uns an, wie das neue Spielefest im Sommer platziert ist …
Die gemeinsame Veranstaltung mit der E-Sport-Messe? Seid ihr dort dabei?
Nein, aber es ist eine spannende Geschichte, die wir beobachten. Ich halte nichts davon eine Brettspielmesse im Sommer zu machen. Die Herbstgeschichte ist immer gut, wir brauchen eine Zeit, wo Lust und Laune ist Spielen zu erleben. Im Sommer hat keiner Lust ein Puzzle zu legen oder ein Brettspiel zu machen. Es geht ja nicht nur darum, irgendwo einen Stand aufzubauen. Es ist eine Herausforderung, es ist ein Kostenthema und ein Personalthema: Weil bei einer Spieleveranstaltung ist wichtig, dass geschultes Personal dort ist. Man muss Spiele erklären können und, und, und. Das macht man nicht von heute auf morgen.
Spielefest-Zukunft für Wien entscheidet sich in Nürnberg
PS.: Auf der Spielwarenmesse in Nürnberg werden diese Woche zahlreiche Gespräche geführt, ob und in welcher Form sich Spieleverlage bzw. Vertriebspartner an den im Moment geplanten Veranstaltgungen in Wien beteiligen werden. spielwiese.at wird über die Entscheidungen berichten.
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