ZWEITVERWERTUNG. Wenn von Tausenden Neuheiten die Rede ist, dann stimmt das nur bedingt. Hinter manchem als Neuheit angepriesenem Spiel steckt in Wahrheit in alter Bekannter. Eine kleine Auswahl an „Entdeckungen“ auf der Spielemesse in Essen und wie man sich vor Fehlkäufen schützt.
Gleich vorweg: Die Auwahl ist unvollständig. Eine genaue Auflistung ist aktuell noch nunmöglich, da sich bereits einmal erschienene Spiele beispielsweise mit neuem Thema und neuem Namen bei einem anderen Verlag „verstecken“ können. Irgendwann kommt man dann dahinter.
Massen-Aufguss bei Queen Games
2013 erschien bei Hans im Glück Brügge von Stefan Feld. Es war zum Kennerspiel denn Jahres nominiert. Jetzt erscheint es, in eine andere Stadt verpflanzt, als Hamburg mit der Nummer 1 in der neuen Reihe Stefan Feld City Collection bei Queen Games. Auch die Nummern 2 und 3 kennen wir: Aus Macao wurde Amsterdam, aufs Rialto New York City. Nur Marrakesh, die Nummer 4 ist neu. Die vermutlich im kommenden Jahr anstehenden Spiele Vienna und Cuzco werden Überarbeitungen von La Isla und Bora Bora sein.
Ein weiteres Beispiel dafür, welche Pfade eine ausgezeichnete Spielidee gehen kann, sahen wir bei Deep Print/Pegasus mit Skymines. Science Fiction pur, wenn auch der Mechanismus dem einen und anderen sehr bekannt vorkommen wird. Es ist eine Weiterentwicklung von Mombasa. Dieses Spiel gewann 2016 den Deutschen Spielpreis, den International Gamers Award, war für das Kennerspiel des Jahres nominiert und einiges mehr. Was hat sich seit Herbst 2015 getan, als Mombasa bei Eggertspiele/Pegasus herauskam? Themen, die irgendwie am Kolonialismus anstreifen, gehen gar nicht mehr. Peter Eggert hat seinen Verlag indirekt an Asmodee verkauft und mit seinen Geschäftsfreunden von Pegasus und weiteren Partnern Deep Print Games gegründet. Und so ist Mombasa überarbeitet als Skymines "auferstanden".
Die Spielenerds und -sammler unter uns bekommen solche Informationen mit und entscheiden gezielt, ob es ihnen wert ist, sich eine derartige Neuauflage zuzulegen. An Otto Normalspieler gehen solche Informationen ziemlich sicher vorbei und womöglich gibt er ein zweites Mal Geld für das gleiche Spiel aus.
Ampelsystem gegen Titel-VersteckspieleUnser einfaches Ampelsystem schafft Klarheit. Nur spielescout.info, die Online-Spieledatenbank von spielwiese.at, zeigt dir auf den ersten Blick, ob eine vermeintliche Neuheit nicht vielleicht schon vor Jahren unter ganz anderem Namen auf dem Markt war. Womöglich hast du noch ein Exemplar davon bei dir im Schrank! Es wäre doch sehr ärgerlich, wenn du es, nur mit einem anderen Namen oder anderen Illustrationen versehen, noch einmal kaufen würdest. |
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Reden wir nicht gleich von Warnhinweisen. Allerdings wäre ein Hinweis auf der Schachtel oder in der Werbung hilfreich. Er fehlt in aller Regel. Hinweise können ja im positiven Zusammenhang stehen, weil das „Original“ zum Beispiel einen Preis gewonnen hatte.
Neues Altes aus der Schweiz
2009 erschien Der reimende Sprechdachs bei Huch, ein Memospiel, bei dem immer zwei Bildkärtchen zusammengehören, deren Begriffe sich reimen. Dass Spiel gibt es wieder, heißt aber seit 2020 Reimraupe und ist beim schweizerischen Verlag Ludit erschienen. Hintergrund: Ludit und der Autor Robert Stoop sind beide in Uster zuhause, einer Kleinstadt im Kanton Zürich. Man kennt sich. Zu Reimraupe hat sich dieses Jahr Klangraupe gesellt: Die zusammengehörenden Memokärtchen illustrieren unterschiedliche Gegenstände oder Begriffe, die die gleiche Bezheichnung haben. Zum Beispiel Schloss – einmal als Gebäude, einmal als Schließvorrichtung.
Dann gibt es freilich auch Fälle, in denen es sich um Neuauflagen handelt, für die der Name nicht geändert wurde. Santiago, zum Beispiel. Die erste Ausgabe erschien von 19 Jahren bei Amigo. Es ist ein Spiel über Landwirtschaft, das der polnische Verlag Trefl wiederentdeckt, überarbeitet (u.a. mit einer Zweierregel) und diesen Herbst neu herausgebracht hat.
Internationale Karrieren
Dass Spiele zum Teil erst nach vielen Jahren den Weg zu uns oder umgekehrt in andere Märkte finden, ist normal und deshalb sehr oft zu beobachten. Erinnert sich jemand noch an Ave Ceasar, ein ausgeklügeltes Wagenrennen von Wolfgang Riedesser aus der Blütezeit von Ravensburger? 1989 war das. Oder zwei Jahre zuvor das hundsgemeine Börsespiel Shark von Jean Vanaise, ebenfalls bei Ravensburger? Und natürlich an Reiner Knizias Ra, 1999 zuallererst bei der Ravensburger-Tochter Alea erschienen. Alle drei tauchten vergangene Woche in Essen bei zwei verschiedenen südkoreanischen Spieleverlagen als Neuheiten (wieder) auf. Auch Sanssouci war einmal ein Ravensburger-Spiel (2013) von Julien Delval, das gerade eine Wiedergeburt in mehreren Sprachen bei einem spanischen Verlag erlebt. Wolfgang Kramers Pueblo (Ravensburger, 2002) und sein mit Michael Kiesling zusammen entwickeltes Die Paläste von Carrara (Hans im Glück, 2012) kommen bei einer italienisch-amerikanischen Verlagsgruppe neu heraus.
Man sieht: die Reinkarnation feiert im Spielebereich fröhliche Urständ, denn das waren nur einige wenige augenfällige Beispiele. Für Spielefans heißt es, weil immer mehr Verlage aufpoppen, genau hinzuschauen, ob es sich bei einer vermeintlichen Neuheit nicht doch um alten Wein in jungen Schläuchen handelt.
Die Online-Datenbank von spielwiese.at hilft. Sie ist die einzige, bei der du auf den ersten Blick siehst, ob es das Spiel schon einmal gegeben hat oder – umgekehrt – es eine Neuauflage gibt.
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