AUSZEICHNUNG. Das aktuelle Spiel des Jahres kommt ursprünglich – nicht zum ersten Mal – aus Frankreich. Und auch wenn Kosmos mit dem Kennerspiel des Jahres einen weiteren Erfolg feiert, brauchen die Stuttgarter noch mindestens drei Jahre, um als Verlag mit den meisten Auszeichnungen zu sein. Statistische Auffälligkeiten und Kuriositäten aus Anlass der 35. Preisverleihung.
Eine Gattung geprägt
Der Stuttgarter Kosmos-Verlag schrieb 1995 mit Die Siedler von Catan Spielgeschichte: Es ist das weltweit bekannteste Spiel des Jahres und hat maßgeblich zum international gebräuchlichen Begriff der "german games" geführt. Gesellschaftsspiele also, denen ein bestimmter Charakter zugeschrieben wird, der angeblich in Deutschland entwickelt wurde. Das Heranreifen des Prädikats Spiel des Jahres zum weltweit bedeutendsten Spielepreis ist ebenso untrennbar mit "german games" verknüpft wie das Aushängeschild Die Siedler von Catan. Es ist neben Carcassonne und Rummikub auch das erfolgreichste Spiel mit einem roten Pöppel. Ja, Rummikub – 1980 von der Jury zum Spiel des Jahres mit der fortlaufenden Nummer 2 gekürt.
Nun also Die Legenden von Andor. Gewählt zum Kennerspiel des Jahres 2013. Es ist die insgesamt fünfte Auszeichnung, die Kosmos von der Jury erhält. Drei Mal Spiel des Jahres, je einmal Kennerspiel und Kinderspiel des Jahres. An der Spitze liegt allerdings unangefochten allerdings Ravensburger. Der letzte rote Pöppel für die Oberschwaben ist zwar schon 13 Jahre her (2000 für Torres war der sechste, begonnen hatte es 1979 mit dem allerersten Spiel des Jahres Hase und Igel). Doch in der Zwischenzeit konnte sich Ravensburger 2008 und 2012 mit dem blauen Preis Kinderspiel des Jahres mehr als trösten. Die Jury bezeichnet Spiel, Kinderspiel und Kennerspiel des Jahres als gleichwertige Auszeichnungen. Das Kennerspiel seit 2011 ist eine Absplittung vom ursprünglichen Preises Spiel des Jahres, die wahren Umsatzbringer im Handel waren in den vergangenen Jahren allerdings die jeweiligen Kinderspiele des Jahres.
Nur wenige konnten Erfolg wiederholen
In der – nennen wir sie: früheren – Hauptkategorie bringt es nur Hans im Glück wie Ravensburger auf sechs Spiele des Jahres. Zum 35. Mal wurde am Montag ein Spiel des Jahres gekürt. In der Zeitreihe konnten neben Ravensburger, Hans im Glück und Kosmos nur fünf Verlage ihren Erfolg wiederholen: Drei Auszeichnungen gingen in dieser Zeit an F.X. Schmid , je zwei an Zoch (Villa Paletti 2002 und Niagara 2005), Schmidt (Dampfross 1984 durch die Vorläuferfirma und 2011 für Qwirkle), Queen (Der Palast von Alhambra 2003 und Kingdom Builder 2012) und nach Zooloretto im Jahr 2007 in diesem Jahr für Hanabi an Abacus.
Alle übrigen Preisträger waren aus Jurypreis-Sicht "Eintagsfliegen" der jeweiligen Verlage. Darunter mehrere Verlage bzw. Marken, die praktisch nicht mehr existent sind. Spiele von Parker (Focus 1981) firmieren seit einigen Jahren unter dem Namensdach Hasbro. F.X. Schmid nützte die Verkaufsförderung seiner drei roten Pöppel (Auf Achse 1987, Adel verpflichtet 1990 und Bluff 1993) langfristig nichts und ging Pleite. Die Marke wurde von Ravensburger übernommen. Dort war kurzfristig auch der Rechtsnachfolger von ASS (Barbarossa und die Rätselmeister 1988) beheimatet, heute gehört die Marke zum belgischen Spielkartenproduzenten Carta Mundi und produziert in erster Linie Werbespiele. Goldsieber, Mitte der 90-er Jahre erfrischend gestartet und 1997 für Mississippi Queen ausgezeichnet, ist "nur" noch eine nicht mehr aktiv gepflegte Marke bei Noris. Intelli und Arxos, die Rummikub in Deutschland einführten, verschwanden ganz von der Bildfläche.
Wer, bitte, ist Anthony Uruburu?
Gleichsam spannnend der Blick auf die Autorenschaft der mittlerweile 38 Spiele und Kennerspiele des Jahres. 21 davon haben deutsche Autoren, womit also durchaus zu Recht von "german games" gesprochen werden darf. Allerdings kommen für nicht weniger als neun Siegertitel die Autoren aus den USA und für einen aus Kanada, wo der Begriff als Erstes die Runde machte. Die Urheberschaft für Sherlock Holmes Criminal-Cabinet, 1985 als erstes Kosmos-Spiel mit dem roten Pöppel ausstaffiert, schreiben wir dabei auch den USA zu. Denn dazu gibt es folgende kuriose Geschichte in den Annalen von Spiel des Jahres. Das US-Original war 1981 unter dem Titel Sherlock Holmes Consulting Detective bei Sleuth Publications erschienen. Als Autoren wurden Gary Grady, Suzanne Goldberg und Raymond Edwards aufgeführt. Deren Namen finden sich dann auch in den zwei deutschsprachigen Erweiterungen des Spiels. "Ein Anthony Uruburu, der seinerzeit von Seiten des deutschen Verlags als Autor genannt worden ist, hat dagegen lediglich im Fall 5 einen Auftritt als ein Verdächtiger, der bekundet, leider gar nichts zu wissen. Immerhin soll tatsächlich jemand unter diesem Namen im Verlag zum Vertragsschluss erschienen sein, ohne sich allerdings zur Preisverleihung noch einmal zu materialisieren", hält die Jury Spiel des Jahres in ihren Informationen fest.
Die erfolgreichsten Autoren
Bei Wolfgang Kramer (links) sind Name und Herkunft unzweifelhaft. Der Schwabe bringt es als bisher Einziger auf fünf Titel, die einem Oscar in der Filmbranche gleichkommen: Auf Achse, Heimlich & Co, El Grande, Tikal und Torres. Dabei wurde er zum Teil mit wechselnden Co-Autoren tätig. Dicht auf den Fersen ist ihm mit vier Auszeichnungen (Barbarossa und die Rätselmeister, Adel verpflichtet, Drunter & drüber und natürlich Die Siedler von Catan) Klaus Teuber. Bei den Familien- und Erwachsenenspiele je zweimal erfolgreich waren in der 34-jährigen Geschichte nur Alan R. Moon (Elfenland 1998, Zug um Zug 2004), Andreas Seyfarth (Manhattan 1994, Thurn und Taxis 2006), Donald X. Vaccarino (Dominion 2009 und Kingdom Builder 2012) sowie nun Antoine Bauza. Er bescherte uns vor zwei Jahren mit 7 Wonders das allererste Kennerspiel des Jahres und ging bei der Wahl des Spiel des Jahres 2013 mit Hanabi als Sieger hervor. Der Franzose ist somit der Erste, der in beiden Kategorien eine Trophäe vorweisen kann.
In unterschiedlichen Welten zuhause
Reiner Knizia steuert das Unikum bei, als Einziger sowohl den roten wie den blauen Pöppel für seine Trophäensammlung errungen zu haben – und das noch im selben Jahr. 2008 für Keltis sowie für Wer war's? Lange hatte er darauf hingearbeitet, und dann verpasste er den Flieger zur Preisverleihung! Je einen blauen und anthrazitfarbenen Pöppel vorweisen können Inka und Markus Brand für das Kennerspiel des Jahres 2012 Village und für ihr Kinderspiel Der verzauberte Turm (2013).
Hingegen ist, dass in diesem Jahr mit Michael Menzel (rechts) jemand, der sonst als Grafiker die Spiele anderer illustriert und ausstattet, als Autor von der Jury ausgezeichnet wird, kein Novum. Was Menzel mit Die Legenden von Andor gelungen ist, vollbrachte 2006 schon Guido Hoffmann mit dem Kinderspiel des Jahres Der schwarze Pirat. Allerdings macht ein Umstand Guido Hoffmann einzigartig: Schon sein Vater wurde ausgezeichnet. Rudi Hoffmann sprach die Jury 1989 verdient für sein Café International den Spiel-des-Jahres-Preis zu.
"German games", aber wirklich!
Noch zwei Anmerkungen zum Aspekt "german games" respektive internationaler Urheberschaft. Auf dem heimischen Markt haben sich Spiele französischen und auch osteuropäischen Ursprungs im vergangenen Jahrzehnt als Selbstverständlichkeit etabliert. Dennoch gelangt es bisher neben Antoine Bauza erst Jean-Louis Rubira 2010 für Dixit einen Pöppel quasi "nach Frankreich" zu holen. Und sehr, sehr großzügig könnte man wenigstens Rummikub im "Osten" verorten: Sein Schöpfer Ephraim Hertzano ist gebürtiger Rumäne, der nach Israel emigrierte. Lediglich zwei Titel tragen imaginär den Union Jack, dank Autor David Watts Dampfross 1984 sowie und Hase und Igel (1979) von David Parlet. Einigermaßen verblüffend: Den zahlreichen italienischen Spieleautoren gelang noch nie der große Wurf.
Erst drei Mal ging eine Auszeichnung an einen Verlag, der seinen Sitz nicht in Deutschland hat oder hatte: Days of Wonder (USA/Frankreich) für Zug um Zug, Libellud (Frankreich) für Dixit sowie Repos (Belgien) für 7 Wonders. Nur zur Klarstellung: Die Pöppel für Parker, Mattel und Jumbo heimsten damals jeweils eigenständige Töchter der Amis beziehungsweise Holländer ein.
Das Rennen um ein Kinderspiel des Jahres machten ausschließlich deutsche Verlage unter sich aus, seit es 2001 den zweiten eigenständigen Hauptpreis gibt. Drei Mal war Haba vorne, ebenso Drei Magier, zwei Mal Ravensburger, je einmal Zoch, Oberschwäbische Magnetspiele, Selecta und Kosmos. Fast lupenrein deutsch auch die Bilanz auf Autorenseite: Nur ein Sieg ging für Geistertreppe 2004 an Michelle Schanen ins Großherzogtum Luxemburg, das ja immerhin eine deutschsprachige Minderheit vorweisen kann, und ein Sieg (2001) in die Deutschschweiz für Klondike an Stefanie Rohner und Christian Wolf.
Manfred Ludwig ist übrigens der Einzige, der zweimal den blauen Pöppel in Empfang nehmen konnte: 2003 für Viva Topo! und 2010 für Diego Drachenzahn.
31 "One hit wonder"
Und noch ein Detail: Unter allen 51 seit 1979 vergebenen Hauptpreisen hinterließen in 31 Fällen die jeweiligen Autoren bzw. Autorenteams ihre prämierten Spiele als "One hit wonder" der Nachwelt.
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