12. MÄRZ 2014
Wahre Größe
-------------------------------------------------- ARNO MILLER --------------------------------------------------
Medien und damit auch ihre Konsumenten messen Größe am liebsten am Umsatz. Spieler haben da ganz andere Dinge auf dem Radar.
Derzeit verbringe ich viele Stunden an der Spielwiese-Datenbank. Das ist einer der Gründe, warum der letzte Blog-Eintrag schon ein paar Tage her ist … Es gilt nicht nur die hunderten Neuheiten, die vor wenigen Wochen in Nürnberg vorgestellt wurden, einzupflegen (das sind pro Spiel 20 verschiedene Daten, da kommt was zusammen!). Es geht auch darum für die Leser jene Spiele auf den ersten Blick rot zu kennzeichnen, die aus dem Programm geflogen sind. Und bei der Gelegenheit den einen und anderen Eintrag in der Spielwiese-Datenbank zu aktualisieren.
Als großen Brocken habe ich mich gerade durch das Programm von Heidelberger gearbeitet. Nach gefühlten tausend Spielen ließ das den Verdacht in mir aufkommen, die "kleinen" Heidelberger haben mehr Spiele als die "großen" Ravensburger. Wer ist also heute eigentlich ein "Großer" im Spielebusiness?
«Die Spieler ziehen mindestens zwei gewichtige Vorteile aus diesen Verschiebungen. |
An Umsatz erlöst Ravensburger natürlich ein Vielfaches von Heidelberger. Bei der Bekanntheit wird den Oberschwaben noch lange niemand das Wasser reichen können. Dabei haben beide Verlage ungefähr gleich viele Spiele im Rennen. Es sind jeweils über 200. Kinderquartette hier, Booster-Packs da nicht eingerechnet.
Freilich hinkt auch dieser Vergleich, die Anzahl der Spiele (und ihrer Erweiterungen) gegenüberzustellen. Heidelberger (oder Pegasus, mit dem sich Heidelberger in erster Linie matcht) hat ein anderes Geschäftsmodell als Ravensburger. Bei den rund 200 aktuellen Ravensburger-Spielen sind viele Memory®s darunter und viel Massenware. Das meine ich nicht negativ. Long- und Bestseller sind Massenware im besten Sinn des Wortes. Heidelberger besetzt vor allem die Nische und hier wiederum findet sich jede Menge Spielbares, das auf das Fantasy-affine Publikum setzt. Keine heile Welt mit blauem Dreieck. Da darf am Spieltisch ruhig gemetzelt werden. Bildlich natürlich. Es werden unterschiedliche Zielgruppen bedient, wobei jene von Ravensburger und den übrigen (übrig gebliebenen) traditionellen Flaggschiffen stagniert, jene von Heidelberger & Co potenziell wächst.
Das relative Wachstum der Spiele für ein durchwegs erwachsenes Publikum lässt sich am Beispiel Heidelberger gut erklären. Ein großer Teil der Heidelberger-Spiele ist in Zusammenarbeit mit anderen, meist ausländischen Verlagen entstanden. Zumindest in Vertriebskooperation. Denn der Markt hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren stark verändert und läuft heute vielfach so: Mehrere (kleine) Verlage aus verschiedenen Ländern vereinbaren die Veröffentlichung von Spiel X in ihrem Vertriebsgebiet, noch bevor die dann gemeinsame Produktion anläuft. Den Spielern kann das recht sein, denn sie haben dadurch mindestens zwei gewichtige Vorteile: Durch die höheren Auflagen bleibt (Material-)Qualität noch im leistbaren Rahmen und es kommen oft originelle Spielideen zu uns, von denen wir ohne diese Kooperation in vielen Fällen nie erfahren hätten.
Nicht nur die kleineren Verlage haben sich internationalisiert. Es ist auch eine aufgeschlossene internationale Spieler-Community entstanden, die hellhörig ist, welche Spiele in anderen Ländern erfolgreich sind, welche Autoren gerade da oder dort hoch im Kurs stehen – und welche Verlage dahinter stecken. Französische, belgische oder polnische Verlagsnamen gehen diesen Spielern ebenso geläufig über die Lippen, wie umgekehrt immer mehr spielinteressierte Franzosen, Belgier, Polen, selbst Japaner und Koreaner mit Namen wie Pegasus, Eggert, Lookout oder eben Heidelberger auf Anhieb etwas anzufangen wissen.
Die einfache Frage, wer denn nun die Großen und wer die Kleinen sind, kann nicht mehr aus der Hüfte geschossen beantwortet werden. Es hängt vom Blickwinkel ab und das Blatt wird ständig neu gemischt.
Was denkst du darüber?
Lieber Arno, solange Alex Randolph aus dem Jenseits mit einer Mäxchen-Variante Spiel des Jahres in Japan macht,ist doch die Welt in Ordnung ;). Jetzt mal im Ernst: Wir erleben es nicht nur hier vor Ort, welch riesiges Potential bei ganz normalen Leuten für Spiele, die nicht im Vielspieler- oder Extrem-Kommunikationsbereich angesiedelt sind, vorhanden ist. Wir, als Verleger müssen nur gut genug arbeiten und die richtigenEntscheidungen treffen ... die Welt ist groß! Und Spiele sind eine "Weltsprache".
(Interessant geschrieben, Deine Betrachtung!)
Herzliche Grüße – Hans
Johann Rüttinger
Drei Hasen in der Abendsonne GmbH
drei-hasen.blogspot.com