Die Spielebranche ist mittlerweile wirklich nicht arm an Spielepreisen und -auszeichnungen. Seit diesem Wochenende gibt es einen neuen, oder richtig: gleich vier neue. Das spiegelt einen spannenden Hintergrund wider.
21. JULI 2019
Dieses Wochenende findet die 5. Berlin Brettspiel Con statt. Auf deutsch: ein Spielefest. Es ist ein ganz besonderes, wie ich mich überzeugen konnte. Zeitgeistig wie vermutlich kein anderes. Es trägt der Veränderung Rechnung, die in der Szene vor sich geht und den Markt bereits verändert hat. Den Ton geben vermehrt (Jung-)Verlage an, von denen Lieschen Müller noch nie etwas gehört hat. Diese Verlage sind über Social Media mit ihren Fans quasi in Dauerkontakt, diese untereinander ebenso.
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Die Angehörigen der neuen Verleger-Autoren-Spieler-Generation leben das digitale Zeitalter als Selbstverständlichkeit. Schnell, dynamisch. Dagegen schaut das Geschäftsmodell der meisten traditionellen Spieleproduzenten alt aus. Auf der Berlin Brettspiel Con nahmen sich einige Stände wie Fremdkörper aus und wurden vom Großteil der Besucher wie Seuchenstationen links liegen gelassen. Wahren Zuspruch fand, was auf den Social Media-Kanälen gehypt worden war.
Johannes „Hunter“ Jaeger & Co haben auf ihrer Con nun auch eine eigene App in einer Beta-Phase vorgestellt. Sie heißt „4X“ und will ein „rein Brettspiel-fokussiertes Socia-Network“ werden, mit Datenbank der eigenen Spiele, Online-Tauschmarkt, „Mitspieler-Matchmaking“ und vieles mehr.
Das ist ambitioniert und fügt sich nahtlos in den Rahmen der bisherigen Aktivitäten der umtriebigen Berliner ein. Dazu gehört mittlerweile das Spielefest, eine eigene Spielereihe und seit diesem Wochenende auch die „Berlin Con Awards". Sie zeichnen nicht bestimmte Spiele aus, sondern deren Macher. Die neue Spielerszene tickt nämlich wie jede andere, die im Blickfeld der Generation Z landet: Sie braucht Helden. Und die werden von „Hunter“, selbst YouTube-Held und Mastermind der Berlin Brettspiel Con, ebendort gefeiert. Selbstverständlich in englischen Bezeichnungen, weil die Community steht im globalen Austausch: Awards für den Best new Designer (Autor), best new Publisher (Verleger), für Designer bzw. Publisher of the Year 2019. (siehe Meldung)
Innerhalb von nur vier Jahren wuchs die Berlin Brettspiel Con aus kleinen Anfängen zu einer Veranstaltung heran, an der es auch für die traditionellen Verlage kein Vorbeigekommen mehr gab. Ich hoffe, sie haben sich ergebnisoffen darauf eingelassen. Dazu muss man wissen, dass die Millionenstadt Berlin bis 2015 ein blinder Fleck auf der Spielefest-Landkarte war. Die Macher der Berlin Brettspiel Con haben sich dabei ganz auf die Bedürfnisse, Lebensweise und Kaufgewohnheiten ihrer Gleichgesinnten konzentriert. Der typische Besucher ist nicht an Kinderspielen interessiert, sondern versteht Spiele als anspruchsvolle Erwachsenenherausforderung, regelt und organisiert alles übers Smartphone und wird kaum vor dem Spieleregal eines Müller-Markts anzutreffen sein.
Die Community teilt zwar pausenlos Infos, Erfahrungen und Spielergebnisse untereinander, bleibt dabei aber in der eigenen Blase. Sie wird es wahrscheinlich auch als Parallelwelt zu Otto Normalspieler.
Dass diese Blase platzt, schließe ich nämlich eher aus. Dazu gibt es inzwischen zu viele Helden. Helden unter den Spielemachern, den Veranstaltern, den Influencern, und nicht zu vergessen: unter den Spielbegeisterten besteht bei jeder Partie die Möglichkeit, selbst als Held hervorzugehen.
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