Kennst du das auch? Zum Jahresende räumst du das eine und andere auf oder um und bleibst erstaunt bei etwas Unerwartetem hängen. Mit alten Spielen geht das hervorragend!
3. JÄNNER 2025
Die Schachtel ist 40 Zentimeter breit und über einen halben Meter hoch und schon immer im Weg, weil viel zu groß. Das Spiel ist so alt wie ich, mein Exemplar allerdings ist von der vierten Edition aus dem Jahr 1973. Name: Traffic. Verlag: Carlit. Nach vielen, vielen Jahren schau ich kurz rein und ein Satz in fetten Lettern auf der Spielanleitung hat mich: „Mit Traffic setzt sich Edition Carlit, der Schweizer Verlag für zeitgemässe Spiele, für Verkehrssicherheit ein“, schreibt die spätere Ravensburger-Tochter stolz. Zeitgemäß? Das will ich wissen.
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Noch spannender als das Spiel selbst ist, was da sonst noch zu lesen ist. Etwa, unter einem eigenen Punkt „Vom Sinn des Spiels“: „Bekanntlich werden Kinder mit ungefähr acht Jahren gesellschaftsspielreif.“ Da fragt man sich, für wen die Verlage, inklusive Carlit, Kinderspiele und einfache Familienspiele produzieren. In diesem Alter, heißt es weiter und rollenfixiert, wie es früher auch in der Eidgenossenschaft Usus war, „… sind sie auch schon aufmerksame und lernbegierige Mitfahrer in Vaters Auto. TRAFFIC macht nun die kleinen Mitfahrer im Bereich des Spiels zu Selbstfahrern.“
Übrigens: „Der Spielleiter überwacht den Spielverlauf. Bei Meinungsverschiedenheiten entscheidet er verbindlich für alle.“ Basta. Nachsatz: „Er sollte also die Spielregeln genau kennen.“
Wie Vater oder andere Mitspielenden kaufen die Achtjährigen im Spiel nun ein Auto, „fahren damit und werden mit Verkehrssituationen, die sie von der Strasse her kennen, konfrontiert. anhand einleuchtender Modellfälle lernen sie, welche Fahrweise zu dieser oder jener, positiven oder negativen Situation führt.“
Ja, Traffic sei „auch ein Lernspiel“, schreibt Carlit, „aber vor allem ein Rollenspiel, und daher ein unterhaltendes und spannendes Spiel“. Hochinteressant, womit vor einem halben Jahrhundert solche Begrifflichkeiten besetzt waren! "Wie im Theater übernimmt der Spieler eine Rolle und füllt sie mit seinem Erleben." Doch die Handlung verlaufe hier "nicht als unabänderliches Schicksal (…) Es gibt den Glücksfaktor."
Übrigens gibt es keine eigentlichen Autos und auch keine Straßen bei Traffic. Vielmehr wird mit und ohne Anschubsen eine schwarze Kugel über eine Achterbahn gerollt, die aus einer Aneinanderreihung von Mulden besteht. Jede Mulde ist anders, mal ein Verkehrszeichen, mal das Logo eines Werbepartners. Zum Beispiel Ovomaltine. „Autofahrer unterwegs trinken Ovomaltine. 20 Pluspunkte.“ Oder „Wer auf ein Feld der ,Winterhtur-Unfall’ kommt, kann eine Versicherung abschließen.“ Die BP-Felder sind ähnlich wie bei Monopoly die Grundstücke, hier wird freilich keine Miete fällig, sondern der Besitzer darf fürs Tanken, Zubehörverkauf und kleine Reparaturen von anderen Geld verlangen. Apropos, es gibt auch eigene Benzinkanister-Felder: „Sie lassen das Benzin ausgehe! (…) Wer einen Benzinkanister mit sich führt, braucht nicht zu laufen und schreibt sich 30 Punkte gut.“ Wunderbar auch diese Anweisung: „Sie haben den Zündschlüssel stecken lassen! Nun haben Strolche Ihren Wagen gestohlen.“ 20 Minuspunkte, einmal aussetzen, dann darf man sich beim Spielleiter ein neues Auto kaufen.
So einfach waren Spiel und Leben noch anno 1973.
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