28. JÄNNER 2014
Das falsche Signal
-------------------------------------------------- ARNO MILLER --------------------------------------------------
Vergangenen Donnerstag musste ich unweigerlich an Otto Julius Maier denken. Sehr früh hatte er einen anhaltenden Schwachsinn im Spielehandel kritisiert.
Es war in den Neunzigern, einen Tag vor der Eröffnung der Spielwarenmesse in Nürnberg. Damals stellte Ravensburger die Höhepunkte seines neuen Programms noch auf einer eigenen Pressekonferenz vor. Verlagschef Otto Julius Maier, schon zu diesem Zeitpunkt Grand Signeur der gesamten Branche, verstand die Welt nicht mehr, was er auch öffentlich kund tat. Der Spielwarenhandel habe einen kompletten Vogel, sagte er sinngemäß. Denn die ökonomische Unsitte war eingerissen, ausgerechnet in der für die ganze Branche wichtigsten Zeit (Weihnachtsgeschäft) sich mit dem Preis für das Spiel des Jahres in die Null-Marge zu dumpen.
Das war, wohlgemerkt, lange vor Amazon.
Dabei, so Otto Julius Maier weiter, würde der Branche doch jedes Jahr um diese Zeit schmerzhaft vorgemacht, wie's alle außer ihr halten: Wenn zig Tausende Menschen in der Frankenmetropole zur Messe einfallen, schnellen die Hotelpreise in astronomische Höhen. Angebot und Nachfrage.
«Natürlich gönne ich jedem, das Spiel seiner Begierde günstig kaufen zu können … |
Vergangenen Donnerstag kam mir überraschend meine Messeunterkunft abhanden, in der ich mich seit über 20 Jahre wohlgefühlt hatte. Nun versuche einmal fünf Tage vor dem ersten Messetermin ein Hotelzimmer in Nünrberg, geschweige denn zu einem erträglichen Preis zu finden! Die zwei günstigsten um 160, 180 Euro – die Nacht! –, die nächsten schon über 200. 478 Euro? Aber bitte! Unweigerlich kam mir Otto Julius Maier in den Sinn.
Nicht missverstehen: Natürlich gönne ich jedem Spielefan, jedem Vater und jeder Großmutter, dass sie das Spiel ihrer Begierde zum günstigsten Preis kaufen können. Aber ich frage mich seit vielen Jahren, was die Verantwortlichen eigentlich umtreibt, das wichtigste Produkt eines Jahres ins Bodenlose zu verramschen. Das ist bar jeder wirtschaftlichen Vernunft.
Okay, nicht mein Problem, nicht dein Problem. Doch der Preisverfall führt unweigerlich auch zu einer Abwertung des Spiels im Allgemeinen und der jeweiligen Preisträger im Besonderen. Ab Herbst geht es jedes Jahr nur noch darum, da 50 Cent oder vielleicht dort sogar zwei ganze Euros zu sparen. Ob das Spiel sein Geld wert ist, ist völlig nebensächlich. Wer den Eindruck schürt, ein gutes Spiel sei eigentlich das ausgepreiste Geld nicht wert, darf sich nicht wundern. So kann man auch ein Produkt kaputt machen. (Hat da jemand was von Kulturgut gesagt?)
An dieser eigentümlichen Handelspolitik wird sich nichts ändern, da bin ich Realist. Der hausgemachte Preisverfall bleibt jedoch das falsche Signal zur falschen Zeit.
Was denkst du darüber?
Weil's so schön passt: Im vergangenen Sommer ist bei Sagas.Edition das Buch "Der Enkel oder Mister Ravensburger fängt den Hut", die Unternehmensgeschichte über Ravensburger und Verleger Otto Julius Maier erschienen. (ISBN: 978-3-944660-01-1, 190 Seiten, zahlreiche Fotos, 19,99 €)