Sehr gespannt sah auch ich dem zweiten, dem anderen Spielefest Wien entgegen. Die Besucher und Verlage, die sich etwas davon versprachen, haben aufs falsche Pferd gesetzt.
25. NOVEMBER 2024
Man muss es wohl in dieser Deutlichkeit sagen: Die Familienmesse „Family plus mit dem Spielfest Wien“ war ein Flop. Klickst du auf die Meldung Familienmesse mit Spielefest enttäuscht, siehst du auf dem Foto zwar Menschen. Hätte ich das Foto veröffentlicht, das ich vom selben Standort aus, nur eine Achtelkörperdrehung weiter geschossen habe, wären keine Menschen drauf. Nur viele leere Tische und Stühle.
Es gibt Momente, in denen Journalisten aus Mitleid auf ein Bild verzichten. Auch wir sind nur Menschen.
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Im Vorfeld für österreichische Spielefeste 2024 hatte es einen veritablen Richtungsstreit gegeben. spielwiese.at-Leser waren darüber gut informiert. Deshalb nur kurz das Wesentliche in Erinnerung gerufen.
- Das einst erfolgreichste Spielefest Europas „pausierte“ erst und wurde dann vom Austria Center Vienna (ACV) selbst organisiert und kollidierte dann seinerseits ungewollt mit Corona
- In Selbsterkenntnis des eigenen Unvermögens verzichtete das ACV auf eine Fortsetzung in Eigenregie, und zunächst drei Bewerber wollten das Projekt Wiederbelebung durchführen
- zwei blieben übrig, mit ziemlich konträren Vorstellungen, vor allem was den Zeitpunkt betrifft.
So fand in diesem Jahr im Juni ein „Spielefest Wien“ im ACV als Anhängsel des E-Sports-Festivals statt. Computerspiele und Brettspiele, das geht gar nicht zusammen, sagte die eine Gruppe potenzieller Aussteller: Wir brauchen ein Spielefest kurz vor Weihnachten! Nicht wenn die Leute lieber ins Schwimmbad gehen. Federführend hier Piatnik und Ravensburger Österreich.
Ich attestierte ihnen schon nach der „Sommer-Veranstaltung“ mit insgesamt 21.700 Besuchern, dass sie wohl auf den Holzweg abgebogen wären. Die Verlage, die sich im Juni beteiligt hatten, beispielsweise Pegasus und welche aus dem Asmodee-Kreis, verfielen zwar auch nicht in Euphorie, bestätigten jedoch das Potenzial der Veranstaltungs-Kombi.
Auch die Besucher blickten dort zufriedener drein als jetzt an diesem Wochenende in der Marxhalle. Nur ein kleines Detail aus der Sicht von Spielefans, die vor dem Kaufen zuerst einmal ausprobieren wollen. Natürlich wurde, weil jeder Krämer seine Ware lobt, eine tolle Spielothek mit allen aktuellen Highlights angekündigt. Doch während im ACV ein breites Spektrum an aktuellen Spielen vorhanden war, konnten in der Marxhalle nur Spiele ausgeliehen werden, die von den fünf ausstellenden Verlagen stammten. Kein Spiel des Jahres, kein Kennerspiel des Jahres und so fort.
Jetzt sind auf den ersten Blick zwei Spielefeste besser als eines. Praktisch gehen Standmiete, Personal etc. ordentlich ins Geld. Das macht man nicht leichtfertig, weil man gerade lustig ist. Als Spieleverlag verkauft man zwar Spaß, doch der ordentliche Kaufmann will für den Aufwand einen materiellen oder sonstwie argumentierbaren Nutzen sehen.
Den konnte ich am Sonntagnachmittag nach zwei Messe-/Spieletagen nicht erkennen und die Gesichter und Kommentare der Verantwortlichen und Mitarbeiter der Spieleverlage sprachen Bände. Es kamen mit Sicherheit mehrere Gründe zusammen, warum die Veranstaltung in der Marxhalle floppte.
Gut, wenn man’s nicht probiert, wird man’s nie herausfinden. Doch ich sehe schwarz für eine Fortsetzung in dieser Form im nächsten Jahr.
Ich befürchte sogar ein Schweizer Schicksal für die Millionenregion Wien, wenn sich die unterschiedlichen Nutznießer nicht zusammensetzen und ihre Kräfte konzentrieren. Auch in der Schweiz führten Partikularinteressen und unterschiedliche Befindlichkeiten dazu, dass eine sehr erfolgreiche Spieleveranstaltung abgewürgt wurde, dann die angeblich gescheiten Besserwisser an einem neuen Ort scheiterten und die Schweiz daher seit Jahren ohne große Spieleveranstaltung dasteht.
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