Meinung

Kücheneinblicke anstelle Spieleverkostung

Corona hat auch die größte Spielwarenmesse der Welt gecancelt. Stattdessen taumelt unsereins durch einen Dschungel digitaler Ersatzhandlungen. Tückisch.

29. JÄNNER 2021

Eigentlich würde heute die Zahl der Gespräche merklich steigen, in denen wir Spielejournalisten und Spielekritiker uns kurz über hervorstechende Neuheiten austauschen. Eigentlich wäre heute nämlich Halbzeit der Internationalen Spielwarenmesse in Nürnberg. Meine Kolleginnen und Kollegen und ich hätten einen erster Überblick gewonnen und der Flurfunk liefe auf Hochtouren.

Einblicke in die Häuslichkeit können verstörend sein!

 

Doch die Spielwarenmesse findet bekanntlich nicht statt. Viele Verlage, lange nicht alle, sind irgendwie ins Internet ausgewichen. Irgendwie, das trifft es ganz gut. Top etwa Haba mit einer eigenen „Frühjahrsmesse“ auf TV-Magazin-Niveau mit abwechslungsreichem Programm, das Fakten und Hintergründe live und Konserve mischt, parallel individuelle Fragen und Diskussionen zulässt und vor allem alle Inhalte auch im Nachhinein abrufbar macht. Am anderen Ende simple in PDF umgewandelte Zettel mit Marketingsprech und unvollständigen Daten zu neuen Spielen, die irgendwie den Weg an die Öffentlichkeit finden oder finden sollen. Dazwischen Videochats im überhand nehmenden Schlendrian-Look, der da und dort an der Professionalität der Zur-Schau-Tragenden zweifeln lässt. Ersparen wir uns Namen. Weitergeben kann ich aber das: Niemals wollte ich Küchen und Wohnzimmer so genau kennen lernen! Einblicke in die Häuslichkeit können verstörend sein.

Die Spielwarenmesse selbst, deren Geschäftsmodell wackelt, hat (widerwillig, wie man hört) selbst eine digitale Ersatzplattform „Brand New“ ins Leben gerufen. Gut gemeint heißt noch lange nicht gut gemacht. Da ist noch sehr viel Luft nach oben. Die „Brand New“ stellt sich (auch im Detail) als umständliches Angebot unter vielen heraus und bleibt weit entfernt vom Anspruch einer zentralen Vermittlerrolle. Das hat unterschiedlichste Gründe, nicht alle liegen bei der Messegesellschaft.

Eigentlich, wie schon als Ausgangspunkt erwähnt, hätte heute recht genau feststehen sollen, welche Trends dieses Jahr mit den neuen Spielen gesetzt werden, welche Verlage dafür ein gutes Händchen bewiesen oder sonstwie mit neuen Themen und Mechanismen überraschen. Das ist 2021 leider nicht möglich. Das Streifen durch die Hallen, an den Ständen Spiele begutachten, anfassen und antesten, mit den Verantwortlichen an Ort und Stelle über Spieleideen und Intentionen, Gestaltung, Material und Präsentation reden – das fehlt schmerzlich. Der direkte Vergleich hätte sicherer gemacht als das zweidimensionale Switchen von einer zur nächsten Zoom-Konferenz. Und nicht zu vergessen: Auch den Verlagen selbst tut es nicht gut, durch das Virus gezwungenermaßen im eigenen Saft zu schmoren. Weil ihnen das unmittelbare Feedback der Messebesucher fehlt und sie nicht zwischendurch sehen können, was die Mitbewerber alles auf die Beine gestellt haben.

Es sind nur zwei Nebenaspekte, was das Fehlen der Spielwarenmesse bedeutet.

Es gibt Lebenswichtigeres, ja. Auf der wachsenden Liste, was wir aufgrund von Corona bejammern dürfen, muss ich es trotzdem festhalten.

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